• Kleingartenwesen

Vom Objekt zum Subjekt

Schlagworte zu diesem Artikel:
  • Kleingartenflächen
  • Einwohner
  • Flächen­kon­kurrenz
  • Landschaftsschutzgebiete
  • Nachverdichtung
  • Ersatzparzellen
  • Wohnungsbaumaßnahme
  • Kleingartenparzellen

Neue Wege zur Sicherung von Kleingartenflächen


Gartengemeinschaft Diebsteich-BornkampFoto: Gloszat Nachverdichtung „im Bestand“ auf der Anlage der „Gartengemeinschaft Diebsteich-Bornkamp“: Eine neue
Parzelle wird abgesteckt.

In vielen Städten geraten immer öfter Kleingartenanlagen ins Visier von Verwaltung und Inves­toren. Dagegen gibt es zwei Möglichkeiten des Widerstands: Eine fundamentale Opposition mit dem Risiko, alles zu verlieren, oder die Möglich­keit, selbst Alter­nativen auf­zu­zeigen. Diese „aktive“ Form der Abwehr er­fordert, dass sich die Verbände und Vereine im Klaren darüber sind, was sie wirklich wollen. Denn eine Einig­keit der Organisation in der Strategie ist wichtig. Den Ver­hand­lungs­part­nern muss klar sein, dass es sich bei den Klein­gärtner­organisationen um einen Verhand­lungs­partner „auf Augen­höhe“ handelt, der Verab­redungen und Zu­sagen ein­halten kann.

Konkret muss der Verband oder Verein einen Katalog an eigenen Forderungen und Interessen intern zusammenstellen und realistische bzw. realisierbare Handlungsvorschläge entwickeln. Wenn sich eine Organisation auf den Weg der Ve­rhand­lungs- und Vertrags­politik begibt, kann es trotz­dem zu Rückschlägen und Enttäuschungen kommen. Im weiteren Prozess wird man aber aus den Er­fahrungen lernen und erkennen, dass am Ende für das Klein­gartenwesen mehr herauskommt.


Die Flächen werden knapp

Seit mehreren Jahren erleben die meisten Städte einen starken Anstieg der Einwohnerzahlen. Viele Menschen ziehen vom Land in die Stadt – insbesondere jüngere Familien mit Kindern. Viele wohn­en in Geschoss­wohnungen, vorzugs­weise in Gründer­zeit­vier­teln. Der Zustrom von Flücht­lingen hat die Entwicklung weiter forciert. Die Folgen: Immer mehr Flächen werden für den Wohnungs­bau, für Gewerbe und weitere Infra­strukturmaßnahmen in Anspruch genommen. Die Flächen­kon­kurrenz der unter­schiedlichen Nutz­ungen wird immer größer.

Für den Bau von 5600 Flüchtlingswohnungen bis zum Ende dieses Jahres hat der Hamburger Senat z.B. entschieden, auch größere Areale in Landschaftsschutzgebieten heranzuziehen. Das zeigt, dass auch Klein­garten­flächen von dieser Ent­wicklung nicht ganz unberührt bleiben werden. Jedenfalls wäre es töricht anzunehmen, dass Kleingartenflächen vor dem Hintergrund der geschilderten Situ­ation zukünftig nicht angegriffen werden könnten. Die Frage ist, wie sich die Hauptpächter (Ver­band bzw. Verein) in den betroffenen Regionen strategisch zu dieser Situation stellen.


Das Heft in die Hand nehmen

Die klassische Handlungsmaxime ist, größtmöglichen Widerstand zu organisieren und zu ver­suchen, die Kleingartenanlagen möglichst ungeschoren durch den oben geschilderten Megatrend zu führen. In Anbetracht der massiven Wucht der Entwicklung erscheint diese Vor­gehens­weise jedoch wie der volle Ein­satz auf eine Farbe im Roulette! Der Sieg ist möglich, aber ebenso der Untergang mit wehenden Fahnen. Ein weiterer Nach­teil liegt in dem defensiven Charakter dieser Strategie.

Abzuwarten, was auf die betroffene Kleingartenanlage zukommt, macht die Klein­garten­organi­sation zum „Objekt“ der Ent­wicklung. Andere Akteure, d.h. Investoren, Verwaltungen und Politiker, entscheiden alleine über das Schicksal der Kleingartenfläche. Am Ende steht in der Regel eine Abwicklung der Kleingartenparzellen nach Gesetzeslage. Nicht weniger, aber auch nicht mehr!

Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Lage reicht es für einen Kleingärtnerverband oder -verein nicht aus, sich ausschließlich defensiv oder gar passiv zu verhalten. Es gilt, im Rahmen der Möglich­keiten aktiv in das Geschehen einzugreifen, eigene Vorschläge zu unter­breiten, Alter­nativen auf­zuzeigen und han­delnder Akteur zu werden – aus der Rolle eines „Objektes“, über dessen Schicksal andere ent­scheiden, in die Rolle eines „Subjektes“ zu wechseln und über das eigene Schicksal mit zu ent­scheiden.

In den letzten Jahren sind z.B. in Hamburg mehrere neue Handlungsansätze mit Unterstützung des Landesbundes der Gartenfreunde in Hamburg in die Diskussion gebracht und zum Teil gemeinsam mit der Stadt verwirklicht worden. Grundlage dafür waren der Hauptpachtvertrag über alle städt­ischen Kleingartenflächen (ca. 95 % der Kleingartenanlagen) und ein seit 1967 bestehender Vertrag, der u.a. die Herrichtung von Ersatz­parzellen auf Kosten der Stadt für überplante Klein­gartenflächen regelt. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählen unter anderem:

  • Die „flächendeckende Nachverdichtung“ in Kleingartenanlagen mit größeren Parzellen von ca. 500 bis 1000 m² aus der Vorkriegszeit, mit dem Ziel der Schaffung von Ersatzparzellen im Bestand der Kleingartenanlage
  • Im Rahmen von größeren Wohnungs­baumaßnahmen ab ca. 150 Wohneinheiten neue Parzellen im Bebauungsplanverfahren vorzusehen


Beide Ansätze sollen an zwei Beispielen veranschaulicht werden:

Nachverdichtung im Bestand

Ausgangslage ist ein Pilotprojekt auf der Vorkriegsanlage des Kleingärtnervereins „Garten­gemeinschaft Diebsteich-Bornkamp“ im Bezirk Altona – mit 70 Parzellen und einer durch­schnitt­lichen Parzellengröße von ca. 500 m². Die Verhandlungen mit der Stadt zuvor wurden mit dem Ziel geführt, eine Win-win-Situation zu erreichen. Im Ergebnis einigte man sich auf eine Nach­ver­dich­tung der Anlage. Der Vorteil für die Stadt liegt auf der Hand: Gerade in Gebieten mit hoher Flächenkonkurrenz ist die Herrichtung von Ersatz­parzellen ohne Inan­spruch­nahme von neuen Flächen sehr hilfreich. Der Vor­teil für den Klein­gärtner­verein liegt darin, dass die gesamte Infrastruktur der Anlage (Wasserleitungen, Wege) auf Kosten der Stadt er­neuert wurde.

Die Nachverdichtung fand „im Bestand“ statt, d.h. erhaltungswürdige Gartenlauben blieben stehen, andere wurden auf Kos­ten der Stadt abgeräumt. Großbäume und weitere nicht klein­gartentypische Ge­wächse wurden ebenfalls auf Kosten der Stadt entfernt. Darüber hinaus erhielt die An­lage den Status einer Dauerkleingarten­anlage.


Zusätzlichen Parzellen Nachverdichtung: Die neuen, zusätzlichen Parzellen, die von den alten Parzellen abgetrennt werden, sind grün unterlegt. Die Lauben sind rot markiert. Entwurf: schaper + steffen + runtsch


Schaffung von Ersatzparzellen

Der Schaffung von ca. 160 Ersatzparzellen im Rahmen einer großen Wohnungsbaumaßnahme von 1400 Wohnungen im sog. Pergolenviertel im Bezirk Hamburg-Nord war die schmerzhafte Kündi­gung von 330 Kleingartenparzellen zum Ende des Jahres 2015 vorausgegangen. Der Be­schluss zur Bebauung des Areals wurde von der Bezirksversammlung in Hamburg-Nord ein­stimmig, d.h. mit den Stimmen aller Fraktio­nen, gefasst. In der Folge gab es langwierige Verhand­lungen zwischen der Stadt und dem Landesbund der Gartenfreunde.

Im Ergebnis konnte man  sich u.a. darauf einigen, dass die Hälfte der erforderlichen Ersatzparzellen „im Bestand“ durch Nachverdichtung auf der bisherigen Kleingartenfläche entstehen soll, weitere 60 Parzel­len werden in unmittelbarer Nähe am Stadtpark und weitere 90 im nördlichen Teil des Bezirkes neu herge­richtet. Bei der Entscheidung halfen die Erfahrungen aus der oben geschil­derten Nachverdichtungsmaß­nah­me in Altona.

Im Rahmen der Umsetzung der jeweiligen Maßnah­men und Vereinbarungen werden Erfahrungen gesam­melt, die in die Planung und Vorbereitung zukünftiger Projekte einfließen. Wichtig ist, dass aufseiten der Ak­teure in Politik, Verwaltung und auch z.B. bei den Woh­nungsbaugesellschaften die Bereitschaft zu komplexe­ren, aber für alle Seiten vorteilhafteren Lösungen wächst. Die Klein­gärtner­organisationen, insbesonde­re die Verbände, sind gefordert, sich auf die gegebene Situation einzustellen und sich weiter auch hauptamtlich kompetent zu organisieren.


Dirk Sielmann
Vorsitzender des Landesbundes
der Gartenfreunde in Hamburg

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