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Was eignet sich zum Naschen?
Heimische Pflanzen haben Konjunktur.Bei der Pflanzenwahl steht nicht mehr nur der Zierwert einer Pflanze im Fokus, Pflegeaufwand und Zusatznutzen für sich selbst oder die Natur sind genauso wichtig geworden. Zu den pflegeleichten Pflanzenarten, die Nutz- und Zierwert verbinden, zählen viele Wildobstarten. Sie haben vielfach den Vorzug, dass sie äußerst robust sind und kaum Schnitt oder sonstige Pflege benötigen.
Bei vielen Wildobstarten ist der Nutzwert weit mehr „Geschmackssache“ oder eine Frage der Geduld beim Verarbeiten. Viele Wildobstarten schmecken gerade durch ihren hohen Gehalt an Gerbstoffen, die gegen Tumore und Infarkte vorbeugen, meist nur verarbeitet gut. Das schränkt die Auswahl an frisch naschbarem Wildobst deutlich ein.
Auswahlkriterien
Gartenfreunde, die mit der Anpflanzung von Wildobst liebäugeln, sollten sich im Vorfeld überlegen, auf welchen Zier- und Nutzwert sie „Wert“ legen, und welcher Standort zur Verfügung steht. (Die botanischen Namen zu den aufgeführten Arten finden Sie im Kasten am Ende des Beitrages.)
Standort: Wildobstgehölze mit sehr großem Platzanspruch sind Edelkastanie, Maulbeere, Eberesche, Speierling, Elsbeere, Mehlbeere und Holunder. Sie eignen sich nur für größere Gärten, und keine dieser Arten schmeckt frisch gut – Holunder ist roh sogar unverträglich.
Auch die weniger Standraum benötigenden Mispeln, Myrobalanen, Schwarzen Maulbeeren (wachsen extrem langsam) und Sanddornsträucher sind kein Naschobst. Die mirabellengroßen Myrobalanen (Kirschpflaumen) enthalten zwar nicht so viele Gerbstoffe, dass sie richtig unangenehm schmecken, aber die zähe Haut und die Tatsache, dass sich der Stein kaum vom Fruchtfleisch löst, schmälert den Naschgenuss deutlich.
Von der Größe her passen die Wildobststräucher Berberitze, Mahonie, Wildrosen, Kornelkirsche, Schlehe und Felsenbirne problemlos in jeden Garten. Schlehen werden aber von zahlreichen Schädlingen befallen und wuchern derart aus, dass dieses Gehölz wirklich nur in die freie Natur gehört.
Auch Wildrosen brauchen fachkundigen Schnitt, um den Garten nicht unangenehm zu überfrachten. Schlehe, Wildrose wie auch Berberitze und Mahonie werden nur durch Verarbeitung genießbar und sind deshalb als Naschgarten-Arten weniger geeignet.
Klein und anspruchslos, dazu überaus zierend sind Apfelbeere und Zierquitte. Frisch genascht schmecken sie aber genauso wenig wie der uferlos wuchernde Bodendecker Ackerkratzbeere (Acker-Brombeere). Die ebenfalls bodendeckenden Waldheidelbeeren und Walderdbeeren, aber in kleinen Mengen auch Waldpreiselbeeren, die Großfrüchtige Moosbeere (Cranberry) und Arktische Brombeeren (Allackerbeere) lassen sich direkt von der Pflanze genießen. Allerdings ist zu beachten, dass diese Waldbeerenarten teilweise nur auf saurem Boden gedeihen.
Foto: Buchter-Weisbrodt Zierwert: Der Zierwert einer Pflanze hängt ab von Form, Blütezeit, Blühintensität, Blühdauer, Fruchtschmuck, Herbstfärbung, Aussehen im Winter und natürlich vom persönlichen Geschmack.
Eine Obstart mit ausgesprochen hohem Zierwert ist die Mispel. Der kleinwüchsige Baum trägt über einen langen Zeitraum seine großen, krönchenartigen Blüten, hat gesund aussehendes, intensiv grünes, dekoratives Laub und wirkt mit den heranreifenden, einzeln hängenden Früchten und der leuchtenden Laubverfärbung auch im Herbst sehr apart. Im Winter ergibt sich durch die etwas quirlig bizarr angeordneten Zweige eine hübsche Silhouette. Die bronzefarbenen Früchte sind erst nach Frosteinwirkung frisch genießbar.
Ähnlich überzeugend ist die Apfelbeere, die sehr hübsch blüht, eine Zeitlang mit dekorativen weinroten Früchten ziert und deren Laub im Herbst leuchtend kupferfarben strahlt und damit einen schönen Kontrast zu den dann schwarzblau durchgefärbten Früchten bildet.
Nutzwert: Bei vielen Wildobstarten ist gerade der Nutzwert Geschmackssache. Mit Genuss frisch naschen lassen sich Walderdbeere, Waldheidelbeere, Maulbeere, Felsenbirne, Kornelkirsche, Preiselbeere und Arktische Brombeere, bedingt auch Myrobalane sowie Elsbeere, Mispel und Mehlbeere nach den ersten Frösten.
Beurteilt man den Nutzwert nach dem Vitamin-C-Gehalt, stehen Wildrose, Sanddorn, Zierquitte und Kornelkirsche ganz oben auf der Rangliste. Es gibt Wildrosenzüchtungen, deren Hagebutten bis zu 3000 mg Vitamin C in 100 g enthalten, auch Sanddorn erreicht je nach Standort vierstellige Werte. Kornelkirsche und Zierquitte übertreffen auch immer noch die Zitrusarten.
Frisch naschbare Wildobstarten im Porträt
Walderdbeeren
Foto: Buchter-Weisbrodt Warum nicht an halbschattigen bis schattigen Stellen im Garten die anspruchslosen, pflegeleichten Walderdbeeren als Bodendecker nutzen? Sie liefern zwar im Vergleich zur großen Gartenerdbeere nur geringe Mengen an Früchten, dafür sind diese aber hocharomatisch. Walderdbeeren bilden zahlreiche Ausläufer. Auch wenn die Einzelpflanzen viel kleiner und niedriger sind als die üblichen Gartenerdbeeren, bedecken sie dank dieser „Kinderschar“ rasch den Boden. Zur Blüte- und Fruchtzeit wirken flächige Bestände besonders apart.
Walderdbeeren sind nur selten als Pflanzmaterial verfügbar. Sie lassen sich jedoch leicht aussäen – Samentütchen findet man in vielen Gartencentern. Beim angebotenen Walderdbeeren-Saatgut handelt es sich meist um die Sorte ‘Reine des Vallees’.
Hinter Namen wie ‘Alexandria’, ‘Baron von Solemacher’, ‘Falstaff’ und ‘Rügen’ verbergen sich Monatserdbeeren. Sie schmecken zwar auch hocharomatisch, eignen sich aber weniger gut als Bodendecker, da sie keine Ausläufer bilden. Eine dichte Pflanzung ist also erforderlich, und der Bestand verjüngt sich nicht von selbst.
Die Blätter der Wald- und Monatserdbeeren eignen sich – im Gegensatz zu denen der Gartenerdbeere – für wohltuende Teeaufgüsse. Außer heilwirksamen Ellag-Gerbstoffen und Flavonen enthalten sie ein nach Zitrone riechendes ätherisches Öl, das dem Tee ein angenehmes Aroma verleiht.
Waldheidelbeeren
Foto: Buchter-Weisbrodt Die 30 cm hohe heimische Heidelbeere, mancherorts auch Blaubeere genannt, ist nicht näher mit der meterhohen Kulturheidelbeere verwandt als Kirsche mit Pflaume oder Pfirsich. Die kleinbeerigen kugeligen Waldheidelbeeren haben intensiv dunkelrot gefärbtes Fruchtfleisch, die flachrunden Beeren der Kultursorten sind unter der hellblau bedufteten Schale reinweiß.
Beide Arten wollen aber humosen, sehr sauren Moor- oder Sandboden, ähnlich wie Rhododendron. Bei solchen Standortbedingungen ergibt die Kombination von Kulturheidelbeeren mit Waldheidelbeeren als gut schattenverträgliche Bodendecker im Garten einen interessanten Blickfang mit hohem Fruchtnutzen im Sommer.
Foto: Buchter-Weisbrodt Die aus den USA stammenden Kulturheidelbeeren bevorzugen sonnige, windgeschützte Lagen. Die älteren Sorten ‘Berkeley’, ‘Dixi’ und ‘Bluecrop’ erreichen Strauchhöhen von 3 m. Inzwischen sind auch ‘Elliot’ und ‘Goldtraube’ verbreitet. Die Früchte reifen je nach Sorte von Juli bis September, also nach den Waldheidelbeeren. Holz und Blüte der heimischen wie amerikanischen Heidelbeere sind sehr frosthart, Schädlinge und Krankheiten bereiten im Garten keine Probleme.
Felsenbirnen
Viele kennen Felsenbirnen nur als gänzlich anspruchslose Ziergehölze, die sich auch für kleine Gärten eignen. Sie bieten zu jeder Jahreszeit einen aparten Anblick: der rötliche Austrieb und die Blüten im Frühling, die Früchte im Sommer, das farbintensive Herbstlaub, das filigrane Geäst im Winter.
Foto: Buchter-Weisbrodt In Europa und damit auch in Deutschland ist nur die Gemeine Felsenbirne (Amelanchier ovalis) heimisch. Der 2 bis 3 m hohe Strauch blüht Ende April und liefert im Juli 12 mm große, blauschwarze, angenehm süße Früchte.
Die ebenfalls im April blühende Kupfer-Felsenbirne (Amelanchier lamarckii) stammt aus Amerika und bildet schon im Juni reife, süße Früchte. Die Sorte ‘Ballerina’ blüht besonders üppig. Ihre 12 mm großen Früchte schmecken hervorragend. Der Baum ist kaum anfällig gegenüber Mehltau. Größere Früchte hat nur die Kahle Felsenbirne (Amelanchier laevis), die im Mai blüht.
Selbst auf kargen Böden gedeihen Felsenbirnen gut. Ob Sonne oder Halbschatten, wichtig ist nur ein eher trockener Boden. Strenge Winterfröste bereiten keine Probleme. Rückschnitt ist nicht erforderlich, gelegentliches Auslichten genügt. Außer Mehltau treten keine Krankheiten auf, einzige Konkurrenten um die süßen Früchte sind Vögel. Zwar zählen Felsenbirnen zu den Feuerbrand-Wirtspflanzen, ein Befall wurde bislang aber kaum beobachtet.
Foto: Buchter-Weisbrodt Felsenbirnen schmecken frisch und verarbeitet gut. Der hohe Pektingehalt macht Felsenbirnen ausgesprochen gesund und erübrigt Gelierhilfen beim Einkochen. Ausgefallene Produkte ergeben sich in der Mischung mit anderem Sommerobst. Als Dörrobst schmecken die Früchte besonders angenehm – sie lassen sich wie Korinthen verwenden.
Kornelkirschen
Foto: Buchter-Weisbrodt Das Hartriegelgewächs besticht durch die frühe Blüte Anfang März und die olivenförmigen, glänzend roten Früchte im August. Die kräftig dunkelgrünen Blätter verfärben sich im Oktober leuchtend gelb. Die auch als Erlitze, Hornstrauch und Beinholz bezeichnete Kornelkirsche ist eine Augenweide zu jeder Jahreszeit. Deshalb ist sie in Parkanlagen und Gärten inzwischen fast verbreiteter als in wilden Hecken.
Der unbeschnitten bis zu 5 m hohe Strauch lässt sich im Jugend- stadium aufputzen und als Baum ziehen. Die anspruchslose Obstart kommt selbst mit trockenen Böden zurecht und benötigt weder Stickstoff-Düngung noch Pflanzenschutz. Legt man Wert auf reichen Fruchtansatz, sollte der Standort ausreichend sonnig sein. Ansonsten bilden die sehr langsam wachsenden Kornelkirschen dichte Hecken, die sich als Grundstückseinfassung oder Sicht- schutz beliebig zuschneiden lassen.
Foto: Buchter-Weißbrodt Normale Wildformen sind selbstfruchtend und setzen willig Früchte an. Die großfrüchtigen Sorten benötigen Wildformen als Befruchter. Die Auslese ‘Jolico’ liefert 5 g schwere Kornelkirschen mit geringem Kernanteil, die Wildform bringt es nur auf 2 g. In Österreich wird die Frucht so hoch geschätzt, dass es zahlreiche weitere großfrüchtige Züchtungen gibt. Die dort als „Dirndln“ bezeichneten Früchte lassen sich vollreif frisch naschen oder zu Gelee, Konfitüre, Kompott, Saft, eingelegt als Olivenersatz oder süßsaure Fleischbeigabe verarbeiten.
Glossar
Acker-Brombeere (Rubus caesius)
Apfelbeere (Aronia)
Arktische Brombeere (Rubus arcticus)
Berberitze (Berberis vulgaris)
Edelkastanie (Castanea sativa)
Eberesche (Sorbus aucuparia)
Elsbeere (Sorbus torminalis)
Felsenbirne (Amelanchier)
Holunder (Sambucus nigra)
Kornelkirsche (Cornus mas)
Mahonie (Mahonia)
Mehlbeere (Sorbus aria)
Mispel (Mespilus)
Moosbeere (Vaccinium macrocarpon)
Myrobalane (Terminalia)
Sanddorn (Hippophaë rhamnoides)
Schlehe (Prunus spinosa)
Schwarze Maulbeere (Morus nigra)
Speierling (Sorbus domestica)
Waldheidelbeere (Vaccinium myrtillus)
Walderdbeere (Fragaria vesca)
Waldpreiselbeere (Vaccinium vitis-idaea)
Wildrose (Rosa in Arten)
Zierquitte (Chaenomeles)
Dr. Helga Buchter-Weisbrodt