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Wildkräuter – ein „Muss“ im Garten
Foto: Fritzsch Wildkräuter sind heimische krautige Pflanzen, die – nicht züchterisch bearbeitet – fast ganzjährig verfügbar sind und sich durch einen hohen Nährstoffgehalt, lebenswichtige Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente deutlich von unseren Kulturpflanzen unterscheiden. Viele Arten finden in der Heilkräuterkunde Beachtung.
Mönche bewahrten Kräuterwissen
In den vergangenen Jahrhunderten oblag den Klöstern eine zentrale Bedeutung zur Wahrung des antiken Kräuterwissens. Den Mönchen ist es letztendlich zu verdanken, dass die alten Kenntnisse aufbereitet, Kräuter angebaut und das umfangreiche Wissen bis in die heutige Zeit überliefert wurde. Die Kräuter dienten den Mönchen als sichere, abwechslungsreiche Nahrungsquelle.
Unsere Gärten sind die wohl älteste Form der vom Mensch geprägten Natur, Kräuter sind somit auch die ältesten Gartenpflanzen. Wer für sich und seine Familie einen eigenen Erlebnisraum –einen Garten – geschaffen hat, kann mit Recht stolz darauf sein. Dabei kommt es nicht darauf an, wie viel Materialkosten für Beton, Steine oder Holz investiert wurden, sondern wie viel Kreativität bei der Gestaltung einfließt und wie die Pflanzenvielfalt dabei genutzt wird.
Bereits im alten Griechenland hat Hippokrates (um 460–370 v. Chr.) gefordert: „Eure Nahrungsmittel sollen Heilmittel und Eure Heilmittel sollen Nahrungsmittel sein.“
Die eigene Gesunderhaltung durch aktive Gartenarbeit und bewusste Ernährung verschafft uns ein Stück Lebensqualität, fördert das allgemeine Wohlbefinden und lässt uns Kraft für den oftmals stressigen Alltag schöpfen. Was wäre unser Garten ohne die Vielfalt, ohne die Schönheit, den Duft und die Farben der Pflanzen und Kräuter?
Nur nach Bedarf sammeln
Der Pflanzenreichtum in der Natur ist unerschöpflich, wenn man grundsätzliche Regeln beim Sammeln von Kräutern an Feld-, Wiesen- oder Waldrändern beachtet. Diese Regeln sind oftmals auch in den jeweiligen Gemeindeordnungen verankert und dort nachzulesen.
Wir müssen heute nicht – wie unsere Vorfahren –beim Sammeln ums nackte Überleben kämpfen, sondern wir nehmen nur so viel mit nach Hause, wie wir für den eigenen Bedarf verwerten können. Pflanzen, die unter dem Artenschutzgesetz stehen, werden grundsätzlich nicht gesammelt!
Gesund und lecker
Als Gärtner geraten wir nur allzu oft in Zwiespalt mit der Natur. Einerseits sind wir gewillt, die Artenvielfalt zu bewahren, andererseits müssen wir den Kulturpflanzen einen optimalen Lebensraum einräumen, um Erträge erzielen zu können.
Foto: Fritzsch Wer dennoch den Wildkräutern in seinem Garten eine Chance gibt, wird mit fast ganzjährig verfügbaren, frischen, natürlichen Kräutern oder Gemüse belohnt. Im Vergleich zu den Kulturpflanzen können sie ein Vielfaches an wertvollen Inhaltsstoffen wie Vitamin C, Carotin und Reineiweißgehalt aufweisen.
Als sehr geschmacksintensive Würz- und Salatpflanzen haben Wildkräuter längst die Küchen renommierter Restaurants und Gaststätten erobert. Sie finden Verwendung als nahrhaftes Gemüse oder als essbare Dekoration in Menü oder Buffet. Und dank ihrer Vielseitigkeit finden sie auch als Teekräuter, in Salben, Badezusätzen, bei Massagen oder bei der Herstellung von Körperpflegemitteln begeisterte Anhänger.
Überlebenskünstler
Was hat man in den zurückliegenden Jahrzehnten nicht alles unternommen, um sich dieser lästigen Wild- bzw. Un-Kräuter zu entledigen? Es wurden weder Kosten für die „chemische Keule“ noch Mühen für den aktiven Vernichtungskampf gescheut, um sie aus den Gärten zu verbannen. Sie, die Verachteten, Verhassten und Zertrampelten, haben, weil sie so robust sind, dennoch gewonnen und allen zum Trotz überlebt.
Faszinierende Naturerfahrungen
Kennen Sie das bekannte Lied von Veronika Fischer „Wir lagen auf der Wiese und wir haben Gras gekaut …“? Wann haben Sie zum letzten Mal bewusst und unbeschwert auf einer kräuterreichen Wiese gelegen, ohne gleich an Zecken und Co. denken zu müssen?
Wann haben Sie Ihren Kindern oder Enkeln geholfen, farbenfrohe Blumenkränze zu binden?
Foto: Breder Wann haben Sie mit Bewunderung die Samen des Löwenzahns (Pusteblume) als Fallschirme auf die Reise geschickt? Wann haben Sie mal in aller Ruhe die Schönheit einer Gänseblumenblüte betrachtet oder gar eine gegessen?
Haben Sie gewusst, dass die Wegwarte bereits gegen Mittag ihre Blüten wieder schließt? Oder dass es Zeiten gab, in denen die Brennnessel fast ausgestorben war, weil man ihre Stängel noch zu strapazierfähigem Stoff verarbeitete?
Man könnte hier noch unendlich viele Fragen stellen. Doch wir wollen Sie hier nur zum Nachdenken anregen und Sie ermuntern, rechtzeitig – nicht erst in einer gesundheitlichen Notsituation – Kenntnisse vom Wert und Nutzen unserer essbaren Wildpflanzen sowie von der Artenvielfalt unserer heimischen Pflanzenwelt zu erwerben.
Frühlingsboten beleben Körper und Seele
Wer sehnt sich nach den langen Wintertagen nicht nach wärmende Sonnenstrahlen und den ersten mutigen, grünen Pflänzchen, die aus dem noch kargen, kalten Boden sprießen? Es sind die Wildkräuter und -früchte, die uns mitteilen, dass der Frühling nun bald Einzug hält.
Foto: Fritzsch Ist es bei den Wildfrüchten die Kornelkirsche (Cornus mas) mit ihren zarten gelben Blüten, so sind es bei den Kräutern das Gewöhnliche Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), das Gänseblümchen (Bellis perennis), die Vogelmiere (Stellaria media), das Scharbockskraut (Ranunculus ficaria), die Brunnenkresse (Nasturtium) und der Wiesen-Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia), um nur ein paar Vertreter zu nennen. Und gerade die jungen Blätter und Triebspitzen unserer Frühlingskräuter haben es in sich. Sie sind wahre Vitaminbomben, sie kurbeln den trägen Stoffwechsel an, bringen die Verdauung und die Blase auf Trab. Inhaltsstoffe wie Gerb- und Bitterstoffe, Senfölglycoside und ätherische Öle machen Frühjahrsputz in unserem Körper.
Hohes Artenschutzpotenzial in den Gärten
Die erst vor kurzem vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) veröffentlichte Studie zur Artenvielfalt in unseren Kleingartenanlagen weist immerhin schon auf 80 verschiedene Arznei- und Gewürzpflanzen in unseren Gärten hin (Informationen zur Studie siehe „Gartenfreund“ 12 / 2008, S. 254). Die reinen Wildkräuter haben hier allerdings noch keinen festen Platz.
Je nach Standortbedingungen kann der Bestand an Wildkräutern völlig verschieden sein. Unter ihnen sind z.B. sogenannte Zeigerpflanzen, die auf die Bodenverhältnisse hinweisen. So zeigen z.B. zahlreich wachsende Brennnesseln und Vogelmieren stickstoffreichen Boden an.
Artenschutz und Artenvielfalt bedingen einander. Eine „gute“ Wiese zeichnet sich durch eine hohe Vielfalt an Blüten und Fruchtständen aus. Sie schafft zudem ein natürliches Kleinklima, Nahrung und Lebensraum für Insekten, Vögel und Kleintiere.
Die Ergebnisse der o.g. Studie weisen schon jetzt auf ein gewaltiges Potential zur Erhaltung der Artenvielfalt in unseren Gartenanlagen hin. Neue Kenntnisse in Forschung und Medizin werden einen spürbaren Nachholbedarf an Wildkräutern auslösen.
Wildkräuter haben weitaus mehr positive Eigenschaften als hier genannt wurden. Wer sich darüber hinaus informieren möchte, findet in Bestimmungsbüchern oder anderer Literatur zu Wildkräutern noch viele Anregungen (siehe auch nebenstehende Literaturtipps).
Wichtig ist jedoch immer, dass Sie nur solche Pflanzen sammeln, die Sie mit Sicherheit kennen oder bestimmen können, um sich selbst und andere nicht in Gefahr zu bringen. In den nächsten Ausgaben vom „Gartenfreund“ werden wir Ihnen zu ausgewählten Wildkräutern Hinweise zum Sammeln und Aufbereiten sowie Rezepte vorstellen.
Elke Fritzsch