- Gartengestaltung
Gärtnern in Etagen
Anbauen und ernten auf mehreren Ebenen
Grafik: Verlag W. Wächter
Wenn wir über moderne Formen des Gärtnerns sprechen, fällt unweigerlich auch der Begriff „Waldgarten“. Ein Waldgarten versucht, die Bedingungen eines Waldrandes nachzuahmen, etwa das besondere Kleinklima, den Schattenwurf und die Wasserhaltefähigkeit. Der Waldgarten ist eine sehr gute Möglichkeit, um die biologische Vielfalt zu fördern. Außerdem können dort eine Vielzahl von Ertragspflanzen wachsen: Obst, Nüsse, Beeren und Kräuter sind die Klassiker. Der Boden soll sich durch natürliche Kreisläufe selbst mit Nährstoffen versorgen, und die Mulchschicht erhält die Bodengesundheit.
Dennoch ist er nur ein Lösungsansatz, um den Herausforderungen der Zukunft, speziell in Bezug auf die stetige Erwärmung unseres Klimas, entgegenzuwirken. Nein, der Waldgarten ist nicht die Methode, die nun in unseren Gärten umfassend eingesetzt werden soll.
Im Haus- oder Kleingarten müssen wir dieses Konzept etwas kleiner denken und an unsere Bedingungen anpassen. Das Gärtnern in Etagen ist ein ähnlicher Ansatz, bei dem wir die Vorteile des Waldgartens nutzen können. Etagengärtnern erfüllt auch die Funktionen eines Waldgartens, auch wenn eine Etage fehlt. Diese Form des Gärtnerns benötigt aber noch immer unser fachliches Zutun, um die Kreisläufe zu vervollständigen.
Die sechs Etagen des Gartens
Von welchen Etagen oder Stockwerken sprechen wir? Mit einem Haus verglichen ist der Keller der Boden mit der Wurzelzone, das Souterrain ist mit bodenbedeckenden Pflanzen versehen, das Erdgeschoss sind Gemüse und Kräuter, das erste Obergeschoss ist die Strauchschicht, das Treppenhaus bilden Kletterpflanzen, und die Nieder- und Halbstämme gründen das Dachgeschoss. Es sind also sechs Etagen, die wir herstellen können. Auf die siebte wie im Waldgarten, gekennzeichnet durch hochstämmige Bäume, müssen wir zumindest im Kleingarten verzichten, weil nur bestimmte Baumhöhen erlaubt sind.
Ein Dach aus Obstbäumen
Die Funktionen der Etagen sind recht unterschiedlich: Das Dach bietet neben Schatten auch Schutz vor Schäden durch Wind, Starkregen oder Hagel. Pflanzen, die unter dem Dach wachsen, bekommen keinen Sonnenbrand, der Wind wird gebrochen, das Dach gibt dem Garten Struktur. Es ist ein wichtiges Stockwerk für viele Gartenvögel, die hier ihre Nester bauen oder die Höhe als Ansitz nutzen, um von dort auf Nahrungssuche zu gehen. Schmetterlinge verschiedener Arten nutzen diesen Raum, um Eier abzulegen, ihre Raupen entwickeln sich hier zur Puppe und zum Imago.
Foto: Flora Press/Thomas Dupaigne
Das Dach ist damit eine wichtige Etage, die die Artenvielfalt im Garten erhöht. Bäume sind sehr gute Kohlenstoffspeicher und Sauerstofflieferanten. Das Laub, das im Frühjahr und Sommer wächst, können wir durch Kompostieren in wertvollen Humus verwandeln und dem Stoffwechselkreislauf wieder zuführen. Die Wurzeln der Großgehölze ergründen tiefe Bodenschichten, brechen mögliche Verdichtungen auf und transportieren Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche. Ein Garten mit einem Dach ist kühler und somit auch im Hochsommer ein Ort der Erholung. Unser Dach bilden Obstgehölze, wie Äpfel, Birnen, Kirschen oder Zwetschen. Und auch mal eine zierende Art kann dabei sein oder ein abgestorbener Baum, als Lebensraum für Insekten und Tiere. Wichtig ist, die Gehölze so zu pflegen, dass die im maximal erlaubte Wuchshöhen eingehalten werden.
Im Treppenhaus
Foto: focus finder/Adobe Stock
Fruchtertrag, Ästhetik und Lebensraum: Diese Ebene gibt uns wertvolle Möglichkeiten zur Gestaltung und zur Vernetzung der Etagen. Denn das Treppenhaus verbindet alle Ebenen durch vertikalen Bewuchs. Schling- und Kletterpflanzen verschiedenster Arten können Sie hier nutzen. Meine Empfehlung für hellere Plätze im Garten sind fruchttragende Gattungen, etwa Tafeltrauben, Kiwi, Rankbohnen oder in wärmeren Regionen gern auch mal eine Passionsfrucht. Die Auswahl an blühenden Schlingern ist groß: Die Waldreben (Clematis) sind blühfreudige Kletterpflanzen, die im Halbschatten sehr gut zurechtkommen. Die Art Clematis tangutica blüht gelb und hat einen auffällig schönen Fruchtstand. Die offene Blüte ist beliebt bei Insekten. Die Amerikanische Trompetenwinde (Campsis radicans) bietet mit ihrem reichen Vorrat an Nektar nicht nur Hummeln ein Paradies.
1. OG: die Strauchschicht
Foto: nd700/Adobe Stock
Das erste Obergeschoss bildet die Strauchschicht. Sofort denken wir an das Beerenobst, wie Johannis-, Heidel-, Him- und Fliederbeeren, oder an Haselnüsse. Doch auch hier können wertvolle Zierpflanzen den Garten für Insekten und Vögel interessant machen, im Randbereich etwas Wildobst wie einen Schlehdorn oder eine Aronia, dazu einen Zierapfel oder eine Hundsrose. Mit den breitgestreuten Blühzeiten sind die Pflanzen wertvoll für Bestäuber und die Früchte sind für viele Tiere im Garten eine wichtige Nahrungsquelle.
Krautiges im Erdgeschoss
Foto: beerfan/Adobe Stock
Im Erdgeschoss finden wir eher krautige Pflanzen. Unser Gemüse gehört dazu. Die klassischen Gemüsearten wie Möhre, Zwiebel, Kohl oder Bohne mögen es sonnig. Im Schatten gedeihen Rhabarber, Spinat, Kohlrabi, Mangold, Rote Bete oder Waldmeister, Bärlauch, Sauerampfer, Schnittlauch und Petersilie. Der Boden sollte möglichst ganzjährig mit Pflanzen bedeckt sein, das schützt ihn vor starker Erosion.
Viel los im Souterrain
Foto: Trygve/Adobe Stock
Das Souterrain, der Bereich unter der Krautschicht und über dem Boden, ist ein wichtiger Lebensraum mit hoher Diversität. Totholz und Wasserstellen als wesentliche strukturbildende Elemente, dazu Steine als Versteck und niedrige Pflanzen und Moose zur Förderung und zum Erhalt des Lebens befinden sich in diesem Horizont. Käfer, Asseln, Tausendfüßler, Spinnen und Regenwürmer sind hier zu Hause. Sie sind die fleißigsten Mitarbeiter im Garten, sie zersetzen organische Masse, bilden Humus und leisten damit einen wichtigen Teil im natürlichen Kreislauf.
Im Keller wimmelt es
Im Boden, dem Kellergeschoss, lebt eine Vielzahl an Pilzen, Bakterien und Mikroorganismen. Mit ihrer Hilfe entstehen aus der zersetzten organischen Masse wieder pflanzenverfügbare Nährstoffe. Der Kreislauf ist geschlossen. Nur ein gut gepflegter Boden kann dieses leisten.
Foto: Holger T. K./Adobe Stock
Ein Garten, der durch eine Vielzahl an Arten nicht einseitig ausgelaugt wird, kann sich selbst versorgen. Das Gärtnern in Etagen bietet uns eine von der Natur abgeschaute Methode, die zukunftssicher ist. Betrachten Sie in Ruhe Ihren Garten und versuchen Sie sich mal an der Methode: Schritt für Schritt. Gestalten Sie die komplexen und verschiedenen Pflanzenbeziehungen und Wuchsetagen nach und nach.
Thomas Kleinworth
Bundesfachberater, Geschäftsführer und Fachberater
des Landesverbandes der Kleingartenvereine Schleswig-Holsteins