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Obst im Klimawandel
Das Wissen der Profis für den Kleingarten nutzen
Foto: Rueß
Ausgeprägtere Trockenperioden, mehr Regen in kürzester Zeit, dazu Hagel, und insgesamt wird es wärmer – der Klimawandel ist in aller Munde. Über Jahrzehnte erworbenes Wissen speziell zum Obstbau in Dauerkultur (Sträucher und Bäume) muss infrage gestellt werden. Bekannte Schäden nehmen zu und neue kommen hinzu. Andererseits gedeihen auf einmal Arten und Sorten, an deren Anbau früher gar nicht zu denken war in Deutschland, weil es ihnen hier viel zu kühl und sonnenarm war.
Auch der Hobbygärtner merkt das alles.
Die Äpfel bekommen neuerdings Sonnenbrand, Birnen schmecken auf einmal viel besser oder bilden harte Steinzellen aus. Und nicht zuletzt bieten die Baumschulen neuerdings Obstarten an, die früher nur in Italien wuchsen.
Welche Auswirkungen der Klimawandel auf den Obstanbau hat, das wird an verschiedenen Forschungsanstalten Deutschlands untersucht. Hier wird über Jahrzehnte über phänologische Merkmale wie Blühbeginn und Blühzeitraum Buch geführt, werden Schaderreger, physikalische Schäden und Wetterereignisse registriert. Hobbygärtner stehen dabei nicht im Fokus des Interesses. Die Erkenntnisse dienen dazu, dem Erwerbsobstanbauer Hilfe bieten zu können bei der Wahl von Arten und Sorten, die sich in Zukunft ertragreich anbauen lassen.
Gartenfreunde, die sich in Sachen „Obst im Klimawandel“ informieren wollen, müssen also die Ergebnisse für den Erwerbsgartenbau interpretieren lernen, zumal vorwiegend an Sorten geforscht wird, die zwar im Plantagenanbau mit hohem Pflegeaufwand funktionieren, nicht aber im Hausgarten ohne Pflanzenschutz und fachgerechten Schnitt.
Doch Erkenntnisse der Forscher, beispielsweise dass Sorten auf schwachwüchsigen Unterlagen aufgrund ihres schlechten Wasseraufnahmevermögens zunehmend Probleme bekommen können, sind auch für den Gartenfreund von Interesse. Sonnenbrand an Äpfeln – der im Erwerbsgartenbau mit „Sonnenschutzvorrichtungen“ gemildert wird – kann im Hobbyanbau am wirkungsvollsten durch stärker wachsende Unterlagen verhindert werden, auf denen die Sorten längere Triebe bilden, die die Früchte beschatten. Und wenn es auch nicht beruhigt, so ist es dennoch gut zu wissen, dass Schaderreger wie der Apfelwickler immer mehr Schaden anrichten können, weil sie in schönen Jahren ganze drei Generationen Nachwuchs produzieren können.
Vorerst bleibt uns also nichts anderes übrig, als die Erkenntnisse aus dem Profianbau deuten zu lernen.
Gitta Stahl
Aprikosen und Trauben auf dem Weg nach Norden
Foto: Rueß
Starker Hagel, Überschwemmungen oder extreme Temperaturschwankungen beeinflussen zwar unsere kurzfristige Wahrnehmung, doch derartige Extremereignisse sind auch schnell wieder vergessen. Anders als der Mensch vergessen Pflanzen jedoch nicht. Sie reagieren messbar auf veränderte Umweltverhältnisse, indem sie sich an die neuen Bedingungen gewöhnen und phänologisch anpassen.
Die Anpassung erfolgt dabei genauso wie die Klimaveränderung ganz langsam. Obstgehölze dienen bei phänologischen Studien als Bioindikatoren (Zeigerpflanzen) für die Klimaentwicklung oder zur Beurteilung der Vegetationsentwicklung des aktuellen Jahres.
Seit vielen Jahren erhebt der Deutsche Wetterdienst derartige Daten. Die Ergebnisse dieser Erhebungen werden im „Phänologie-Journal“ des DWD veröffentlicht und liefern Erkenntnisse über die Klimaentwicklung in Gesamteuropa oder geographisch größeren Gebieten.
Forscher ermitteln, wie die Natur reagiert
Als älteste Weinbauschule Deutschlands kann die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau in Weinsberg im Raum Heilbronn auf eine nahezu lückenlose Langzeit-Datenreihe bei der Apfelsorte ‘Golden Delicious’ zurückgreifen. Die Datenerhebung reicht bis 1962 zurück, die Wetterdaten sogar bis 1900.
Wie die Auswertungen zeigen, hat sich die Blüte von ‘Golden Delicious’ im Zeitraum von 45 Jahren elf Tage nach vorne verschoben im Vergleich zu den 60er Jahren. Der Erntebeginn ist im gleichen Zeitraum sogar um 23 Tage nach vorne gerückt. Das mag auf den ersten Blick unlogisch erscheinen, lässt sich aber durch die gegenüber den 60er Jahren gleichfalls höheren Sommertemperaturen erklären.
Die Temperaturansprüche der Sorte ‘Golden Delicious’ werden durch die höheren Temperaturen während der Vegetation offenbar besser befriedigt, sprich die erforderliche Temperatursumme bis zur Reife wird früher erreicht.
Wenn sich der errechnete Trend so fortsetzt, wird im Jahr 2020 der Austrieb von ‘Golden Delicious’ in der mittleren Neckarregion voraussichtlich am 23. März erfolgen, die Obstgehölze am 22. April in Vollblüte stehen und die Ernte am 11. September beginnen. Dabei kann es aber stets zu erheblichen Schwankungen um diese Mittelwerte kommen, d.h. die Ereignisse können erheblich früher, aber auch später eintreten.
Extremere Temperaturen ohne mehr Wasser
Bei der Temperaturentwicklung der letzten 60 Jahre hat es erhebliche Veränderungen gegeben. Die absoluten Minimum- und Maximumtemperaturen sind stark gestiegen (in Weinsberg um 4 °C), d.h. die Winter werden immer milder und die Sommer immer heißer.
Dagegen lassen sich bei der Niederschlagsverteilung kaum Veränderungen feststellen, zumindest nicht an der lokalen Wetterstation in Weinsberg. Das ist jedoch regional sehr unterschiedlich. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. In bergigen/hügeligen Regionen, wo sich die Wolken stauen, haben die Niederschläge mit Starkregen deutlich zugenommen.
Die Temperaturerhöhung hat bezüglich der Wasserversorgung große Auswirkungen auf die Pflanzenwelt. Bei um durchschnittlich 2 °C höheren Temperaturen im Frühjahr und Sommer müssen unsere Obstgehölze mit der gleichen Niederschlagsmenge wie vor 60 Jahren auskommen. Bei lediglich 640–740 mm Jahresniederschlagsmenge in der mittleren Neckarregion kann dies zu Versorgungsengpässen führen. Zusätzliche Bewässerung wird nötig.
„Weinklima“ auf dem Weg nach Norden?
Foto: Buchter-Weisbrodt Zur Beantwortung dieser Frage ist es zunächst einmal nötig, sich mit den Klimaansprüchen der Obstarten zu befassen. Ab einer Jahresdurchschnittstemperatur von 8,5–9,0 °C spricht man von einem „Obstklima“, bei 9,5–10 °C von „Weinklima“. 7,5 °C Durchschnittstemperatur gelten als untere Grenze für den Erwerbsanbau von Obst.
Seit 1970 hat sich die Jahresmitteltemperatur an der Wetterstation in Weinsberg um 1,5 °C erhöht. Damit hat sich auch entsprechend die Klimazone am Neckar in Richtung reines Weinbauklima verschoben. Die Anbauregion Neckar hat heute eine Durchschnittstemperatur von ca. 11 °C, liegt damit auf dem Niveau des Loiretales der 70er Jahre und nähert sich den damaligen Verhältnissen in Südtirol an.
Da sich in dem Zeitraum der Vegetationsbeginn nach vorne und das Vegetationsende nach hinten verschoben haben, bedeutet das eine Verlängerung der Vegetationszeit um drei bis vier Wochen gegenüber den 70er Jahren.
Spätsorten profitieren
Während damals der Anbau von Spätsorten wie ’Granny Smith’ noch durch das Vegetationsende begrenzt war, ist er heute kein Problem mehr. Gleichzeitig haben sich die Erntetermine bei allen Kulturen nach vorne verschoben.
Von der Klimaverschiebung profitieren alle obstbaulichen Arten mit einem hohen Wärmeanspruch. Durch die Vegetationsverlängerung ist bei späten Sorten auch ein höherer Gehalt an Inhaltsstoffen zu verzeichnen, d.h. auch die Qualität wird besser.
Birnen haben generell einen hohen Wärmeanspruch. Es zeigt sich aber, dass alte Birnensorten mit den hohen Temperaturen im Sommer und plötzlich auftretender Trockenheit Probleme haben und zu Blattverbrennungen neigen (z.B. ‘Conference’) oder stressbedingt Steinzellen und Orangenhäutigkeit ausbilden (z.B. ‘Alexander Lucas’).
Die Frage, ob diese Symptome durch Wassermangel oder schlechtere Nährstoffverfügbarkeit der Böden verursacht werden, ist dabei sekundär, da sich beides aus den veränderten Witterungsbedingungen ergibt. Im Rahmen der Sortimentsprüfung in Weinsberg ist aufgefallen, dass viele alte Sorten (sprich an unser „ehemaliges Klima“ angepasste Sorten) mit dem heutigen Klima Probleme haben, während Neuzüchtungen aus wärmeren Herkunftsländern unproblematisch sind.
Pfirsiche und Aprikosen, die auch einen höheren Wärmeanspruch haben, werden ebenfalls zunehmend anbauwürdig. Problematisch ist aber nach wie vor die Spätfrostanfälligkeit ihrer Blüten. Bei der Sortenwahl ist daher auf einen späten Blühtermin zu achten.
Walnuss als Klimaindikator
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Ebenfalls spätfrostanfällig ist die Walnuss, die deswegen früher als Zeigerpflanze für die obstbauliche Eignung eines Standorts diente. Dort, wo Walnussbäume gedeihen und Früchte tragen, ist auch eine erfolgreiche Obsterzeugung möglich. Die Spätfröste vom 4. Mai dieses Jahres haben das nach vielen frostfreien Jahren wieder deutlich gezeigt. Wo die jungen Walnusszweige erfroren waren, zeigten auch alle anderen Obstkulturen massive Schäden.
Tafeltrauben lieben es warm
Als weitere obstbauliche Kultur rückt natürlich die Tafeltraube ins Rampenlicht. Nicht umsonst spricht man von einem „Weinbauklima“, da die Rebe einen sehr hohen Wärmeanspruch hat.
Auch im Weinbau spürt man die Folgen der Klimaverschiebung. In sehr warmen Jahren fällt der Gehalt an Fruchtsäuren und Aromen im Wein zugunsten des Zucker- und damit Alkoholgehalts zurück, und in der Weiterverarbeitung entstehen dadurch schwere Weine mit mediterranem Charakter. Fruchtige Weine, wie z.B. Riesling, benötigen jedoch einen gewissen Gehalt an Fruchtsäuren zur Ausprägung ihres typischen Aromas. Dazu sollten sie langsam, aber gut ausreifen können.
Bei Tafeltrauben sind bezüglich Aromen ein leichter Muskatton und ein höherer Zuckergehalt gefragt, Eigenschaften, die durch wärmere Klimabedingungen eher unterstützt werden.
Negative Auswirkungen des Klimawandels
Starkregen und Hagel führen zu höheren Unwetterschäden, als dies früher der Fall war. Die wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die in Form von Starkregen oder Hagel regional unterschiedlich niedergeht. Gerade Vorbergzonen, wo die Bewölkung durch den Höhenanstieg bevorzugt ihre Feuchtigkeit abgibt, leiden unter Gewittern mit Hagelschlag.
Wie oben bereits dargestellt, führen die höheren Temperaturen im Sommer bei gleicher Niederschlagsmenge zu höherer Transpiration der Pflanzen, und damit auf entsprechend schlecht versorgten Standorten zu Wasserknappheit. Der Hitzesommer 2003 hat vielerorts die Obstbestände an die Grenze der Trockenheitsverträglichkeit geführt.
An diesen Standorten wurde in den Jahren danach verstärkt in Bewässerungssysteme investiert. Diese Investitionen haben sich spätestens im Frühjahr 2011 gelohnt. In den entscheidenden Vegetationsmonaten März bis Juni gab es in der Neckarregion 170 mm weniger Niederschlag als üblich.
Nur durch zusätzliche Wassergaben können derartige Trockenperioden überbrückt werden. Oft handelt es sich um wenige Wochen, die aber einen entscheidenden Einfluss auf den Ertrag und die Neigung zu Alternanz (Schwankung des Fruchtertrages im zweijährigen Rhythmus) von Obstsorten haben können.
Aufgrund der zunehmend heißen und trockeneren Sommer wird es künftig auch mehr Wandel im Anbausortiment geben, d.h. besser an das neue Klima angepasste Sorten lösen problematische ältere Sorten ab. Dieser Sortimentswandel ist bereits in vollem Gange.
Sortenwandel im Profianbau
Foto: Rueß
Beispielhaft seien bei Apfel die Sorten ‘Gala’, ‘Braeburn’ und ‘Fuji’ genannt, die in warmen Klimaten gezüchtet wurden und insofern gut angepasst sind. Im Gegenzug verschwindet ‘Cox Orange’ aus dem Handelssortiment, weil diese Sorte neben anderen Nachteilen bei Sommertrockenheit zu Fruchtrissen und zur Ausbildung von zu kleinen Früchten neigt. Ebenso werden es Sorten, die empfindlich gegenüber Sonnenbrand sind, künftig schwer haben, sofern sie nicht unter Hagelnetzen angebaut werden, die auch die Strahlungsintensität mindern.
Foto: Rueß Dasselbe gilt auch für den Bereich der Unterlagen. Unterlagen mit schlechtem Wasseraufnahmevermögen sind bei Sommertrockenheit und Hitze problematisch. Hierzu gehören nahezu alle schwachwachsenden Unterlagen, die man aufgrund ihrer kleineren Kronenform im Erwerbsanbau bevorzugt. In südlicheren und damit wärmeren Ländern Europas sind üblicherweise stärker wachsende Unterlagen im Anbau zu finden als im Norden.
Schaderreger profitieren
Warme Klimate begünstigen das Auftreten von tierischen Schaderregern. „Alteingesessene“ Schaderreger reagieren mit der Ausbildung mehrerer Generationen, wie z.B. der Apfelwickler, der in Süddeutschland nicht mehr nur zwei, sondern mittlerweile bis zu drei Reproduktionszyklen durchläuft. Bei den meisten Blattlausarten kommt es im Frühjahr zu einer deutlich schnelleren Vermehrung. Warme Trockenperioden begünstigen das Auftreten von Spinn- und Weichhautmilben.
Hinzu kommen „neue“ Schaderreger, wie z.B. die Walnussfruchtfliege, die ursprünglich in Nordamerika beheimatet war und sich nun zunehmend in den warmen Gebieten Süddeutschlands ausbreitet.
Fazit
Foto: Bakker Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Obstbau nördlich der Alpen eindeutig von der Klimaverschiebung profitiert. Durch die Vegetationsverlängerung können mehr Arten als bisher angebaut werden. Der Anbau sollte sich aber sinnvollerweise auf die Arten beschränken, die vor 30 bis 40 Jahren südlich der Alpen angebaut wurden, d.h. in der dazu passenden Klimazone. Tropische oder subtropische Arten gehören nach wie vor nicht hierher.
Innerhalb der klassischen Obstarten wird es ein breiteres Sortenspektrum von sehr frühen bis zu sehr späten Sorten geben. Für den Verbraucher bedeutet das erfreulicherweise ein verbessertes Angebot an erntefrischem Obst, d.h. es gibt früher und länger frisches Obst. Auch remontierende (mehrmals tragende) Sorten tragen zu dieser Entwicklung bei.
Die Erträge und die Qualität werden durch die Klimaerwärmung besser. Allerdings nehmen Witterungsextreme zu, die von den Obstgärtnern Investitionen erfordern, wie z.B. in Hagelschutzsysteme oder in Bewässerungseinrichtungen.
Dr. Franz Rueß
Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt
für Wein und Obstbau, Weinsberg