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„Unkraut“ ist nicht gleich „Unkraut“
Wildkräuter bereichern den Garten – einige sind jedoch zu bekämpfen
Foto: Nataliya Evmenenko/Colourbox.de
Kaum jemand sagt heute noch „Unkraut“. Viele Gartenfreunde verwenden lieber freundlichere Begriffe wie „Wildkraut“ oder „Beikraut“, die jedoch weniger prägnant sind. Aus der Perspektive des Gartenfreundes ist der Begriff „Unkraut“ in vielen Fällen aber durchaus berechtigt.
Was sind Unkräuter?
„Unkräuter“ sind Gewächse, die Kulturpflanzen bedrängen und unterdrücken können, zum Teil so stark, dass sie kaum noch Ertrag bringen oder völlig „untergehen“. Sie konkurrieren mit unseren Kulturpflanzen um Licht, Raum, Wasser und Nährstoffe. Oft gehen sie aus diesem Kampf als Sieger hervor, denn viele „Unkräuter“ entwickeln sich früher und schneller, wachsen kräftiger und höher als Gemüse und Feldfrüchte.
Neben den Ackerunkräutern fallen viele Vertreter der sog. Ruderalflora in die Kategorie „Unkraut“. Diese Pflanzen siedeln an Weg- und Straßenrändern, auf Bahngeländen und auf Schutt- oder Erdhaufen.
Im Garten begegnen uns die Ackerwildkräuter im Gemüsebeet, die Ruderalpflanzen in Staudenrabatten, auf Beerenobstflächen und Baumscheiben, im Rasen, auf Wegen und an der Garageneinfahrt. Die Grenze zwischen Ackerwildkraut und der Ruderalpflanze ist oft fließend.
Heilkräuter und Delikatessen
Foto: Christiane Großbongardt/Pixelio.de
Die wichtigsten Heilkräuter sind oft viel geschmähte „Unkräuter“ – allen voran Brennnessel, Löwenzahn und Schafgarbe. Da ist es gut, wenn man einen Grundbestand im Garten hat und Heilpflanzen ernten kann.
Foto: Anna E/Fotolia.com Auch das Kochen mit „Unkräutern“ boomt. Kein Wunder – bei so ungewöhnlichen Geschmacksnuancen wie der kresseartigen Schärfe des Behaarten Schaumkrauts oder dem mild nussigen Geschmack der Vogelmiere. Einige „Unkräuter“ haben es sogar in die gehobene Küche geschafft: Brennnessel, Giersch, Melde und Taubnessel gelten vielen Feinschmeckern als Delikatesse. Hobby- und Profiköche bereiten mit ihnen schmackhafte Salate, Suppen, Aufläufe, Strudel und Soufflés zu.
Ökologisch wertvoll
Vielfältig gestaltete Gärten, in denen auch „Unkräuter“ wachsen dürfen, sind Lebensräume für Pflanzen und Tiere, die hier Nahrung, Brut- und Rückzugsmöglichkeiten finden.
Honig- und Wildbienen naschen gern Nektar und Pollen der Wildkräuter und „Ungräser“. Einige „Unkräuter“ blühen und fruchten fast das ganze Jahr über: Persischer Ehrenpreis, Gewöhnliches Greiskraut, Einjähriges Rispengras, Rote Taubnessel und Vogelmiere. Sie spenden Insekten, die wie Hummeln auch in der kalten Jahreszeit unterwegs sind, sogar im Winter Nahrung.
Foto: Flora Press/Martin Hughes-Jones
Honigbienen bedanken sich für die Nektarquellen mit der Befruchtung von Obstgehölzen und schenken uns Honig. Auch die nützlichen Schwebfliegen fliegen auf „Unkräuter“, vor allem auf Doldenblütler und Korbblütler wie die Goldrute.
Viele „Unkräuter“ sind auch für die beliebten Tagfalter und deren Larven wertvolle Nahrungspflanzen, so ist die Brennnessel z.B. die wichtigste Fraßpflanze für viele Schmetterlingsraupen.
Fruchtende „Unkräuter“ bieten zudem Vögeln Nahrung. So picken Distelfink und Dompfaff gerne Samen aus den Fruchtständen der Korbblütler. Tierfreunde lassen sie aus diesem Grund nach dem Abblühen stehen. Manche Vertreter, z.B. Goldrute, können dies jedoch für eine schnelle Ausbreitung nutzen. Wägen Sie also im Einzelfall ab, ob und welche Wildstauden in Ihrem Garten Samen bilden dürfen.
Differenzierte Betrachtung
Viele Gartenfreunde dulden um ihre Pflanzen herum nur den bloßen Boden. Andere möchten auf dem ihnen anvertrauten Land auch etwas für die Natur tun und gewähren Wildkräutern bewusst Freiräume. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Haltung der Gartenfreunde zum „Unkraut“ – in Kleingärtnervereinen kann das zu Konflikten führen.
Da hilft eine differenzierte Betrachtungsweise: Sehen wir einen Garten als Mosaik aus verschiedenen Nutzungs- und Lebensbereichen für Pflanzen. Hier gibt es Gemüse- und Sommerblumenbeete, Stauden- und Rosenrabatten, Wege und Wegränder, einen Kompostplätz, einen Sandkasten, Rasen und Schotter- oder Pflasterflächen sowie vertikale Elemente wie Zäune.
Überall herrschen eigene Bedingungen, und so siedeln an diesen Standorten Wildkräuter mit verschiedenen Lebenszyklen, aus denen sich unterschiedliche Bekämpfungsstrategien ergeben. Aber auch der Handlungsbedarf ist unterschiedlich: Unter Hecken dürfen wir weniger streng sein als im Gemüsebeet. Ausläufer bildende Unkräuter mit starkem Ausbreitungsdrang gilt es überall konsequent zu bekämpfen, andere können wir dulden und profitieren von ihren positiven Eigenschaften.
Einjährige Unkräuter im Beet
Auf Gemüsebeeten, im Gewächshaus und auf Sommerblumenbeeten haben wir es vor allem mit den einjährigen „Unkräutern“ zu tun, die ihren Entwicklungszyklus in nur einer Vegetationsperiode abschließen – vom Keimen, Blühen und Fruchten bis hin zum Absterben. Auf den genannten Flächen sollten sie nicht groß werden, da sie mit unseren Kulturpflanzen konkurrieren und den Ertrag schmälern. Mit normalen Hackarbeiten lassen sich diese Unkräuter regulieren. Auch eine gute Bodenvorbereitung, Mulchen und Gründüngungen drängen sie zurück.
Ausdauernde Unkräuter
Foto: Flora Press/Botanical Images/BJORN SVENSSON
Staudenrabatte, Rosenbeete und Gehölzstreifen werden nicht so häufig bearbeitet wie Gemüsebeete. Unter Hecken und größeren Gehölzen bleibt der Boden meist unbearbeitet. So können sich hier neben den einjährigen auch ausdauernde „Unkräuter“ ansiedeln und ausbreiten.
Zudem gibt es, gerade auf größeren Grundstücken, stets Bereiche, die nicht so intensiv gepflegt werden können – auch hier findet die natürliche Vegetation eine Nische. Das kann aus gestalterischer Sicht sehr reizvoll sein, denn die Schönheit vieler Wildpflanzen kann es mit der unserer Zierpflanzen durchaus aufnehmen. Warum also nicht Gundermann oder Weiße Taubnessel mit ihrem schönen Blattwerk auf Baumscheiben als Bodendecker wachsen lassen? – Oder Rainfarn und Acker-Glockenblume als Blütenpflanzen am Wegrand?
Foto: tompet80/Fotolia.com Foto: Bross-Burkhardt
Anders ist es mit „Unkräutern“, die sich unterirdisch (Giersch und Quecke) oder oberirdisch (Kriechender Hahnenfuß und Kriechendes Fingerkraut, auch Fünffingerkraut genannt) mit Ausläufern stark ausbreiten. Ihre Ansiedlung und Ausbreitung ist unbedingt zu verhindern.
Wurzelunkräutern rücken Sie am besten mit der Grabegabel zu Leibe. Warten Sie dafür günstige Bodenverhältnisse mit leicht feuchter und krümeliger Erde ab. Daraus können Sie die Rhizomstränge von Giersch oder Quecke mit Geschick und Glück am Stück herausziehen. Ausgetrockneter, schwerer Boden lässt sich kaum lockern – da reißen Wurzelstücke leicht ab. Für eine erfolgreiche Bekämpfung ist es jedoch wichtig, jedes Rhizomstückchen herauszulesen.
Acker-Schachtelhalm und Acker-Winde dringen mit ihren Rhizomen so tief in den Boden vor, dass wir ihren Bestand nur durch Mulchen und häufiges Ausreißen, eventuell auch durch eine sehr tiefe Bodenlockerung in einem erträglichen Rahmen halten können.
Foto: Bross-Burkhardt
Grünflächen und Trittflächen
Auf Trittflächen, zwischen Pflastersteinen, auf Schotter und Randstreifen behaupten sich robuste Vertreter der Ruderalflora. Sie vertragen starke Sonneneinstrahlung, Hitze und Trockenheit ebenso wie Fußtritte und kommen auf steinigen Böden mit wenigen Nährstoffen gut zurecht.
Pflanzen dieser Gruppe drücken sich bei Trittbelastung an den Boden, andernfalls wachsen sie aufrecht. Wer genau hinschaut, entdeckt außer dem bekannten Löwenzahn an solchen Standorten auch Gänseblümchen, Habichtskraut, Portulak, Einjähriges Rispengras, Hornfrüchtigen Sauerklee, Vogelknöterich und Breit-Wegerich.
Auf Gemüsebeeten und gepflegten Rabatten sind diese Kräuter nicht erwünscht, auf Trittflächen und an Randstreifen ist gegen ihre Ausbreitung kaum etwas einzuwenden.
Fazit
Ein Loblied also auf das „Unkraut“? Nicht ganz! Ackerwildkräuter und Ruderalpflanzen dürfen nicht die Regie übernehmen. Ein Garten ist keine Wildnis, sondern kultiviertes Land.
Sich gärtnerisch zu betätigen, bedeutet immer auch, dem Wildwuchs entgegenzuwirken. Das andere Extrem, ein völlig unkrautfreier Garten, ist aber aus ökologischer Sicht auch nicht wünschenswert.
Aber auch unabhängig von ihrem Nutzen und ihrer Schönheit: Wildpflanzen verdienen unsere Wertschätzung auch um ihrer selbst willen. Sie sind Teil des ökologischen Gefüges der Erde, Teil unserer Lebensgrundlage, die es zu schützen und zu erhalten gilt.
Dr. rer. agr. Brunhilde Bross-Burkhardt
Freie Fachjournalistin, Publizistin