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Blütenökologie

Wie Blüten um Bestäuber werben

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Blütenökologie - Wie Blüten um Bestäuber werbenFoto: Dr. Roland Spohn

Wenn es um Sex geht, scheinen Blütenpflanzen benachteiligt zu sein: Ihre Blüten haben zwar mit den Staubblättern männliche und mit den Fruchtblättern weibliche Geschlechtsorgane, sie sind jedoch festgewachsen und können so keinen Geschlechtspartner aktiv aufsuchen. Aber die Lösung dieses Dilemmas ist ebenso einfach wie raffiniert: Sie lassen sich helfen – von Wind, Wasser und den unterschiedlichsten Tieren.

Viel Wirbel um den Pollen

Viele vom Wind bestäubte Pflanzen wie die Nadelgehölze und Laubgehölze wie Eiche (Quercus) und Hasel (Corylus) haben eingeschlechtliche Blüten. Ihre weiblichen Blüten bilden nach der Befruchtung nur einen – oft recht großen – Samen. Hierfür reicht jeweils ein einziges Pollenkorn, das der Wind zu­fällig auf die Narbe getragen hat. Diese Gehölze können es sich leisten, dass ein großer Teil des Blütenstaubs verloren geht.

Grundaufbau einer BlüteIllustration: Dr. Roland Spohn

Pollenkörner enthalten nicht nur Erbgut, in ihnen steckt auch viel Eiweiß, und sie stellen so für Tiere wahre Kraftpakete dar. Kein Wunder also, dass schon in Urzeiten Insekten – Käfer waren wohl die ersten – Blüten plünderten. Zufällig haben sie dabei Pollenkörner von einer Blüte auf die Narben der nächsten Blüten getragen und diese so bestäubt.

Insekten erwiesen sich in der Folge für die Blütenpflanzen als viel zuverlässigere Bestäuber als der Wind, sodass sie sich immer mehr auf diese spezialisierten und die Partner sich in einer Koevolution aneinander anpassten. Heute wirbt eine vielfältige Blumenwelt mit einem Reigen aus Farben, Mustern, Formen und vielfältigen Düften um den Besuch von Insekten.

Abspeisen mit Billigware

Um nun möglichst wenig Pollen zu verschwenden, war es für die Pflanzen naheliegend, als Belohnung andere Nahrung anzubieten. Mit dem Zucker aus der Fotosynthese steht ihnen eine praktisch unbegrenzte Quelle zur Verfügung. Unzählige Blüten bilden deshalb süßen Nektar, der nicht nur Insekten als ergiebiger Energielieferant dient. In Amerika locken Pflanzen wie Trompetenblume (Campsis radicans) und Fuchsie (Fuchsia) damit Kolibris an, in der Alten Welt Arten wie Paradiesvogelblume (Strelitzia reginae) und Fackellilie (Kniphofia) Nektarvögel.

Wühlen sich Insekten durch Blüten, können sie viel zerstören. Käfer fressen oft wahllos Blütenteile auf. Bei Pflanzen mit wenigen großen Einzelblüten, etwa jenen der erdgeschichtlich alten Magnoliengewächse (Magnoliaceae), kann dies leicht zu einem Totalausfall bei der Samenbildung führen. Deshalb entstanden zunehmend Blütenstände mit vielen kleineren Blüten.

AronstabIllustration: Dr. Roland Spohn Der Aronstab lockt Abortfliegen in seine Blütenstände 
und lässt sie erst nach einem Tag wieder frei.

Doldenblütler wie Fenchel (Foeniculum) und Möhre (Daucus) oder auch Wein­raute (Ruta graveolens) und Efeu (Hedera) präsentieren in diesen den Nektar offen auf Nektarpolstern, die von dem Zuckersaft oft richtig glänzen. Sowohl Zuckerquelle als auch Staubblätter sind hier für eine große Insektenschar von Käfern über Fliegen und Mücken bis zu Bienen und Schmetterlingen gut erreichbar.

Die Kardengewächse (Dipsacaceae) und Korbblütler (Asteraceae) haben ihre Blüten noch dichter gepackt, sodass sie eine Einheit mit großer Schauwirkung bilden. Insekten können hier auf kleinstem Raum viele kleine Blüten besuchen. Die Blüten in den Köpfchen und Körbchen öffnen sich meist nacheinander, die Blumen „blühen“ also lange – ein Grund, warum Witwenblume (Knautia), Karde (Dipsacus), Scheinsonnenhut (Echinacea), Sonnenblume (Helianthus annuus) und viele weitere als Zierpflanzen beliebt sind.

Ausleseverfahren

Mit der Zeit spezialisierten sich die Pflanzen immer mehr auf bestimmte Bestäuber und erfanden Strategien, um unliebsame Blütengäste auszuschließen. So­bald der Nektar tiefer in den Blüten verborgen liegt, können ihn in der Regel nur noch Insekten mit speziell dafür ausgebildeten Mundwerkzeugen erreichen. Im Zuge der Koevolution entstanden so verschieden lange Rüssel bei Wildbienen- und Hummelarten sowie die dünnen, langen und bieg­samen Rüssel der Schmetterlinge, die tief in Blütenröhren oder Blütenspor­ne eindringen können. Mehrere Zentimeter lange Rüssel besitzen die zu den Nachtfaltern zählenden Schwärmer. Sie fliegen vor allem auf helle, oft stark duftende Blü­ten.

Günstig für die Bestäubung ist es, wenn die Insekten immer wieder Blüten derselben Art aufsuchen. Zu diesen blüten­steten Arten gehören besonders Bienen, deren Mannigfaltigkeit sich parallel zu immer neuen Pflanzengruppen entwickelte. Sie ernten Pollen für ihre Larven sowie Nektar für diese und für sich selbst. Dabei sammelt etwa ein Drittel unserer Wildbienenarten den Pollen von nur einer oder wenigen Pflanzenarten oder nur einer Pflanzenfamilie.

Bienen fliegen Blütenstände meist von unten an. Dort befinden sich ältere Blüten, bei denen die Staubblätter oft schon leer sind und die reifen Narben den Pollen vom Insekt streifen. Bei Blüten weiter oben sind dann die Staubblätter reif und die Narben noch geschlossen. Dies erleichtert die Fremdbestäubung: Es landet vor allem Pollen anderer Individuen auf den Narben.

Weinschwärmer und LigusterschwärmerIllustration: Dr. Roland Spohn Schwärmer wie Mittlerer Weinschwärmer (l.) und Ligusterschwärmer können mit langen Rüsseln tief in Blütenröhren eindringen.

Damit Bienen beim Pollensammeln viele Blüten besuchen, reduzierten die Pflanzen die Zahl der Staubblätter in den Blüten und machten sie schwerer zugänglich. Mit Tricks erreichten sie außerdem, dem Blütengast den Pollen so aufzu­laden, dass er viel davon zur nächsten Blüte trägt.
So liegen bei Lippenblütlern (Lamiaceae) die Staubblätter meist unter der Oberlippe und bepudern das Insekt auf dem Rücken. Das Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana) verbirgt die Staubbeutel ganz in der helmartigen Oberlippe. Kräftige Hummeln heben diese an, um an den Nektar zu gelangen. Der Wiesen-Salbei (Salvia pratensis) hat seine Staubblätter zu einem Schlagbaum umgebaut, der an einem Gelenk aufgehängt ist. Dringt eine Biene oder Hummel in die Blüte ein, drückt sie eine Platte nach hinten. Jetzt schwingen die Staubbeutel auf den Rücken des Insekts und bepudern ihn.

Reklame, Duft und Wärme

Wenn außen kein Nektar glänzt und kein Pollen leuchtet, müssen Bestäuber anders auf die Blüten aufmerksam gemacht werden. Hier spielen neben der Grundfarbe und dem oft arttypischen Duft besonders Muster und Formen eine wichtige Rolle. Viele Blüten wie die von Au­gentrost (Euphrasia), Ehrenpreis (Veronica), Stiefmütterchen (Viola) und Esparsette (Onobrychis) zeigen Blütenmale – oft gelbe Striche oder Zeichnungen, die als Leitlinien zum Nektar weisen.

Roter FingerhutIllustration: Dr. Roland Spohn Punkte täuschen Staubblätter vor: Roter Fingerhut

Häufig täuschen Blüten auch mehr Belohnung vor, als sie bieten: Es entstanden Blütenkronen mit Punkten und Mustern, die an Staubblätter erinnern wie bei Rhododendron (Rhododendron), Inkalilien (Alstroemeria) oder Fingerhut (Digitalis). Andere Pflanzen imitieren Staubbeutel durch gelbe Wulste am Blüteneingang, etwa Leinkraut (Linaria), Löwenmaul (Antirrhinum) und Zimbelkraut (Cymbalaria).

Es muss auch nicht immer Nektar oder Pollen sein, den Insekten als Lohn erhalten. Gilbweiderich (Lysimachia) lockt mit einem fetten Öl Schenkelbienen (Macrolepis) an. Diese sammeln das Öl und vermischen es mit Pollen zu einem nahrhaften Larvenbrot.

Die schüsselförmigen Blüten der Silberwurz (Dryas octopetala) bündeln die Wärme der Sonnenstrahlen wie Parabolspiegel in ihrem Zentrum. Dort helfen sie Fliegen, auf Betriebstemperatur zu kommen.

Andere Pflanzen produzieren selbst Wärme. Der Aronstab (Arum) heizt den Kolben seines Blütenstandes auf, der dann fäkalienartige Duftstoffe verströmt. Weibliche Abortfliegen (Psychoda phalaenoides) finden diese unwiderstehlich. Sie finden je­doch keinen Halt am Kolben und gleiten in den Kessel zu den Blüten. Erst nach einem Tag werden sie entlassen – bepudert mit Blütenstaub.

Verlierer und Gewinner

Die manchmal auf den Fensterbänken kultivierten Aasblumen (Stapelia) täuschen mit Gestank, Farbe und Strukturen Aasfliegen (Sarcophaga) so perfekt, dass diese ihre Eier in die Blüten legen, in der Meinung, einen Kadaver gefunden zu haben. Die Eier sind somit verloren, da sich die Larven nicht entwickeln können.

Die Trollblume (Trollius europaeus) dagegen bietet tatsächlich einen Brutplatz: Blumenfliegen (Chiastocheta) dringen in die kugeligen Blüten ein und legen ihre Eier an die Fruchtknoten. In einer langen Koevolution wurden Trollblume und die Blumenfliegen dabei voneinander abhängig: Die Pflanze opfert den Fliegenlarven einen Teil ihrer Samenanlagen. Im Gegenzug bringen Fliegen Pollen mit, der mehr Samenanlagen befruchtet, als die Larven fressen.

Bei den Orchideen gibt es eine große Zahl an Täuschblumen. So sondert die Breitblättrige Stendelwurz (Epipactis helleborine) Stoffe ab, die Wespen anlocken. Sie erwarten Raupen als Beute, finden aber keine.

FenchelIllustration: Dr. Roland Spohn Doldenblütler wie Fenchel bilden Blütenstände aus vielen kleinen Einzelblüten. Mit Nektarpolstern lockt Fenchel Insekten an.

Hereingelegt werden auch die Besucher der Hummel-Ragwurz (Ophrys holosericea). Ihre Lockstoffe ähneln den Sexuallockstoffen von Langhornbienen (Eucera). Davon und von der samtig behaarten, gemusterten Lippe verführt, ver­suchen die Männchen, sich mit der Blüte zu paaren.

Andere Orchideen belohnen ihre Bestäuber immerhin mit Nektar aus ihren Spornen. Beim Besuch von Orchideenblüten bleibt jeweils der gesamte Inhalt der Staubbeutel an den Insekten kleben – diese sehen dann oft aus wie „gehörnt“. Auf der nächsten Blüte drücken sie die Pollenpakete auf die Narbe. Orchideen haben damit einen extrem effizienten Weg gefunden, riesige Pollenmengen gezielt auf eine andere Blüte tragen zu lassen. Dort können diese Tausende Samenanlagen befruchten, die sich zu den staubfeinen Orchideensamen entwickeln.


Margot Spohn (Text), 
Dr. Roland Spohn (Illustrationen; Foto)