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Methoden der Pflanzenzüchtung

Von Auslese bis Gen-Revolution

Schlagworte zu diesem Artikel:
  • Pflanzenzüchtung
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  • Gentechnik
  • Hybridzüchtung
  • CRISPR
  • Cas-System

PflanzenzüchterFoto: BASF SE Mit einer Vielzahl von Methoden entwickeln Pflanzenzüchter neue Sorten: Kontrolle von ­genetisch veränderten Rapssprossen.


Die meisten Pflanzen, die in unseren Gärten wachsen, sind Züchtungen, also Sorten, die von Züch­tern in mehr oder weniger aufwändigen Prozessen entwickelt wurden. Die Methoden, mit denen die Züchter dabei ans Werk gehen, sind höchst unterschiedlich. Mal vertrauen sie auf den Zufall und versuchen Mutationen auszulösen, mal selektieren sie über Jahre Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften. Immer mehr setzen sie auch auf gentechnische Methoden.


Auslese der Besten

Die Auslesezüchtung stellt die älteste Form der Pflanzenzüchtung dar. Hier werden über Jahre immer wieder Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften ausge­lesen und untereinander vermehrt. Die Massenauslese von Pflanzen kommt bei der Entwicklung neuer Sorten heute kaum noch zum Einsatz. Sie ist relativ arbeits- und flächenintensiv, und die Züchter ha­ben das Problem, die Pflan­zen nur nach dem äußeren Erscheinungsbild beurteilen zu können. Pflanzen, die gleich aussehen, haben aber nicht immer dieselben Erbanlagen.

Da die Auslesezüchtung aber ohne besondere technische Voraussetzungen möglich ist, bietet sich die Auslese besonders beim Erhalt von alten Sorten oder für Kleingärtner mit züchterischen Ambitionen an.


RapssamenFoto: BASF SE Rapssamen werden schock­gefrostet, damit die Forscher analysieren können, ob eine ­gewünschte genetische Verän­derung funktioniert hat.



Klassisch kreuzen

Mit Anfang des 20. Jahrhunderts setzten immer mehr Züchter auf die Kreuzungszüchtung, also die Kreuzung von Pflanzen derselben Art. Sie ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, denn in den Nachkommen vermischen sich die Erbanlagen der Elternpflanzen unkontrolliert und zufällig. So können durch Kreuzung einer bekannten Sorte mit einer pilz­re­sis­tenten Wildpflanze zwar die Re­sis­tenz­ei­gen­schaf­ten auf die Kultursorte übertragen werden, gleichzeitig können aber auch un­er­wünsch­te Eigenschaften, wie bit­terer Geschmack, weitergegeben werden. Bei der Kreuzungszüchtung können so bis zu 30 Jahre vergehen, bis eine neue Sorte auf den Markt kommt.

Heute beschleunigt der Einsatz moderner molekularbiologischer Methoden das Verfahren. Mit dem SMART-Breeding (Prä­zisionszüchtung durch markergestützte Selektion) können die Pflanzen auf das Vorhandensein spezifischer eingekreuzter Gene untersucht werden, die im posi­tiven Fall weiterkultiviert werden. Der Züchter ist nicht mehr darauf angewiesen, die Pflanzen anhand von äußeren Merkmalen zu beurteilen, die sich mitunter erst nach Jahren zeigen. Er kann bereits bei ganz jungen Pflanzen prüfen, ob die gewünschte Gen-Kombination vorliegt.


Selektion von HaferkeimlingenFoto: dpa Selektion von Haferkeimlingen



Die Hybridzüchtung

Bei Auslese und Kreuzung entstehen mehr oder weniger einheitliche Sorten, die beständig sind und vermehrt werden können. Sie stehen den Hybridsorten (F1-Hybriden) gegenüber. Diese sind zwar auch einheitlich, übertragen aber ihre Eigenschaften nicht vollständig auf ihre Nachkommen.

Die Hybridzüchtung verbreitete sich ab ca. 1920. Bei ihr werden zwei reinerbi­ge Elternlinien mit einem herausragenden Merkmal miteinander gekreuzt. So entstehen die F1-Hybriden (1. Fi­lial­ge­ne­ra­tion), die z.B. robuster oder ertragreicher sind als ihre Eltern. Werden die F1-Hybriden un­ter­ein­an­der gekreuzt, geht in der Folgegeneration (F2) das vor­teilhafte Merkmal z.T. wieder verloren.


ZuckerrübenpflanzenFoto: dpa – Report Zuckerrübenpflanzen werden auf ihre Schossfestigkeit getestet.



Mutanten gesucht

Züchter behandeln seit den 1970er Jahren Pflanzen auch mit Röntgenstrahlen oder mit be­stimm­ten Chemikalien, um in diesen zufällige Mutationen auszulösen. Die genetisch veränderten Pflan­zen müssen danach analysiert und auf die gewünschten Merkmale hin überprüft werden. Bei Pflanzen, die z.B. eine gewünschte Blütenfarbe aufweisen, muss der Züchter unerwünschte Mu­ta­tio­nen aus­schließen, bevor er sie in den Handel bringt. In der Vergangenheit sind beispielsweise Kartoffeln mit schädlichen Inhaltsstoffen als Folge ungewollter Mutationen entstanden.

Kleine Auswahl

Von weltweit ca. 390.000 be­kann­ten Pflanzenarten finden etwa 160 in größerem Umfang Verwendung als Kulturpflanzen in der Pflan­zen­züch­tung. Ca. 95 % der pflanz­li­chen Nah­rungs­mit­tel­pro­duk­tion für die Welternährung basieren auf rund 30 Nutzpflanzenarten, allen voran Reis, Weizen, Mais und Soja.


Veränderungen des Erbgutes

Seit 20 Jahren werden Methoden entwickelt und diskutiert, mit denen die Züchter das Erbgut von Pflanzen zielgerichtet verändern können, indem sie z.B. Mutationen in der Pflanzenzelle präzise und punktgenau auslösen. Die vielfältigen mo­le­ku­lar­bio­lo­gi­schen Techniken dafür werden unter dem Begriff Genome Edi­ting zusammengefasst.

Mit der Cisgenetik (Gentechnik innerhalb der Art­gren­zen) können die Züchter etwa ein Resistenz-Gen gezielt in eine Pflanze einbringen. Dazu nutzen sie – analog zur klassischen Kreuzungszüchtung – eine artverwandte Pflanze mit ei­nem entsprechenden Resistenz-Gen. Dieses Gen isolieren sie und „bauen“ es mithilfe von Bakterien in das Erbgut einer Pflanze ein. Dabei greifen sie direkt in das Erbgut der Empfängerpflanze ein. Den genauen Ort, an dem das Gen in das Erbgut der Pflanze eingefügt wird, können die Züchter aber nicht gezielt ansteuern.

Mit dem zurzeit vielfach diskutierten CRISPR/Cas-System können Züchter relativ einfach mit verschiedenen Werkzeugen punktgenau Veränderungen der Erbsubstanz vornehmen. Mit einer „Sonde“ (CRISPR) können sie DNS-Bausteine punktgenau ansteuern und mit einer molekularen „Schere“ (Cas9) den DNS-Strang an der angesteuerten Stelle durchtrennen. Und mit einer „Verkopplungs-RNS“ können sie den zuvor erzwungenen Bruch reparieren und eine neue Erb­in­for­ma­tion einfügen.

CRISPR/Cas wird die Pflanzenzucht grundlegend verändern. Die Züchter werden immer mehr Sorten mit immer ungewöhnlicheren Eigenschaften entwickeln. So wird zurzeit daran gearbeitet, ein Re­sistenzgen der Gerste über ein Bakterium in eine Weizen-Zelle einzuschleusen und damit eine neue, mehltauresistente Weizensorte zu entwickeln. Vor Kurzem wurde auch eine samenlose (parthenokarpe) Tomate gezüchtet, die ertragsstabiler ist, da sie nicht bestäubt werden muss.


Kiefern-Sämlinge im ZuchtbetriebFoto: mauritius images/MaXx Images/RonSangha Kiefern-Sämlinge im Zuchtbetrieb.



Wohin geht die Reise?

Mit den neuen gentechnischen Verfahren treten verstärkt ethische Fragen in den Fokus, die noch geklärt werden müssen, z.B. inwiefern es etwa problematisch ist, dass mit dem CRISPR/Cas-System auch artfremde Gene in ein Genom eingeschleust werden können und die natürliche Schran­ke zwischen den Arten so durchbrochen wird (Transgentechnik). Fraglich sind auch die langfristigen Folgen der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen, die gesundheitlichen Folgen durch den Verzehr gentechnisch veränderter Lebens­mittel und wer für mögliche Fehlentwicklungen die Verantwortung trägt. Außerdem ist grundsätzlich noch zu klären, ab wann eine Pflanze oder ein Organismus als gentechnisch verändert gilt und somit unter das Gentechnik-Recht fällt.

Besonders für die Nahrungsmittelproduktion hat die Pflanzenzüchtung eine große Bedeutung. Dabei beschränkt sich die Züchtungsarbeit heute im Wesentlichen auf wenige große Firmen, die neue Sorten in aufwändigen Verfahren entwickeln und dann das Saatgut oder vegetativ vermehrte Klone produzieren. Je komplizierter und aufwändiger die Züch­tungsmethoden, desto größer wird der Einfluss einzelner Zuchtfirmen und Saatgutspezialisten.

Ulrike Brockmann-Krabbe
Landesfachberaterin des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner