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Mit Streicheleinheiten oder harter Chemie: Stauchen und Hemmen

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Stauchen und HemmenFoto: Themenbild Aster novi-belgii - im September frisch gekauft, klein und kompakt, im Hintergrund ausgewachen im Garten, 150 cm hoch Ob Gold-Zweizahn (Bidens ferulifolia), Husarenknopf (Sanvitalia), Verbene (Verbena) oder Stiefmütterchen (Viola) – so gut verzweigt, so kompakt gewachsen und so dicht mit Blüten besetzt, wie der Fachhandel das Beet- und Balkonsortiment ab April präsentiert, bekommen wir Gartenfreunde es nicht hin, wenn wir selbst säen oder stecken. Das Geheimnis der Gärtner liegt im Stauchen und Hemmen.

Dabei geht es nicht nur um Blütenfülle und Kompaktheit. Im Erwerbsgartenbau wird mit dem ganz „spitzen Stift“ gerechnet. Da zählt beispielsweise auch, wie viele Pflan­zen sich auf einem Rollcontainer verpacken lassen: Ein bisschen zu hoch, und schon passen statt der fünf Lagen nur noch vier auf so eine Transportkarre. Abgerechnet werden die Frachtkosten aber nach Stauraum für einen Container, der Preis pro gelieferter Pflanze steigt un­wei­ger­lich mit jeder Pflanze, die weniger auf eine solche Verladeeinheit passt.


Kompakte Ware immer gut in Form

Wie aber halten Erwerbsgärtner ihre Pflanzen klein? Dazu hat man die Pflanzen natürlich sehr genau untersucht. Wo werden Wachstumshormone gebildet, und wie lässt sich die Produktion ausbremsen? Wie wirken sich Nähr­stoff­über- und -unterversorgung aus? Wie genau reagieren Pflanzen auf physikalische Reize wie Tageslänge und Streicheleinheiten?

Am effektivsten – weil am besten steuerbar – hat sich für das „Kleinhalten“ der Eingriff in den Hormonhaushalt herausgestellt. Das Wachstumshormon Auxin beispielsweise wird in den frischen Triebspitzen gebildet. Schneidet man die zurück, bremst man den Pflanzenwuchs und regt gleichzeitig die Bildung von Seitentrieben an. Insgesamt blühen so behandelte Pflanzen allerdings später als unbehandelte Artgenossen.


Wachstumshormone beeinflussen

Auch durch einen Eingriff in den Gibberellinsäurehaushalt kann das Wachstum beeinflusst werden. Die Gibberellinsäure steuert – wie die meisten Phytohormone – in der Pflanze auch das Län­gen­wachs­tum.

Um den Gibberellinhaushalt durcheinander zu bringen und da­mit das Längenwachstum aus­zu­brem­sen, hat die chemische Indus­trie den Gärtnern einige Mittel an die Hand gegeben, mit denen die Produktion von wachstumsfördernden Gibberellinen gehemmt wird. Sie werden in der Regel über das Blatt gespritzt, seltener gegossen.


Fungizide bremsen Wachstum

Mehr oder weniger zufällig fanden die Gärtner und Forscher heraus, dass auch einige Pilz­be­kämpfungs­mit­tel (Fungizide) eine hemmende Wirkung auf das Pflanzenwachstum haben. Da sie in Gewächshauskulturen in der Regel sowieso zum Einsatz kommen, wird der Doppelnutzen dankend in Kauf genommen. Ausschließlich mit Fungiziden hemmt der Erwerbsgärtner aber selten, denn die erlaubte Aufwandmenge reicht nicht aus.

Ob Fungizide oder Hemmstoffe, der Einsatz lässt sich häufig nicht recht verbergen: Nicht selten finden sich Rückstände, die aussehen wie falscher Mehltau, aber Spritzbrühereste sind.


Streicheleinheiten für kompakten Wuchs

Stauchen und HemmenFoto: Koch Wofür Putzlappen nicht alles gut sind: Topfchrysanthemen werden im Zierpflanzenbau manchmal durch „Strei­chel­ein­hei­ten“ klein und kompakt gehalten. Dazu werden die Textillappen in der Regel an das Gestänge des Gießwagens montiert und in regelmäßigen Zeitintervallen automatisch über den Pflan­zen­be­stand gezogen. Doch auch ganz ohne Chemie können die Gärtner das Pflanzenwachstum ausbremsen. Neben der Belichtung nennt Dr. Elke Ueber von der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Bad Zwischenahn das „Rütteln und Schütteln“, ein Verfahren, das sich bei Tomaten und Topfchrysanthemen bewährt habe, bei Azaleen jedoch noch nicht. Auch hierbei wird Unordnung in den Hormonhaushalt der Pflanze gebracht.

Unruhe in den Pflanzenbestand können beispielsweise Ventilatoren bringen. Am gängigsten aber ist es, die au­to­ma­ti­sche Bewässerungseinrichtung mit leichten Textil-Bändern zu versehen, die dann in festgelegten Abständen automatisch über die Pflanzen gezogen werden.

Schöner Verkaufseffekt mit fragwürdigem Nutzen

Die Ware, wie der Erwerbsgärtner sie präsentiert, sieht toll aus. Doch die Wirkung der chemischen Wachstumsbremser hält in der Regel nicht lange an. Sobald sie abgebaut sind, schießen die Pflanzen ins Kraut, wachsen, wie die Natur es eigentlich programmiert hat.

Bestes Beispiel dafür sind die Glattblatt-Astern (Aster novi-belgii), die jeden Herbst als kleine, kompakte Pflanzen zum „Lückefüllen“ im Beet angeboten werden. Ein Jahr lang geht das gut, doch schon im zweiten Jahr legen die Blühwunder los und streben bis in Höhen von 150 cm; also entweder nach der Blüte wegwerfen oder an einen passenderen Standort umpflanzen.

Übrigens: Stauchen und Hemmen dient nicht nur der schickeren Verkaufsware und der optimalen Verpackungseinheit, sondern mit den Verfahren lässt sich auch der Blühzeitraum vorverlegen oder nach hinten verlegen. Damit verlängern die Erwerbsgärtner den Zeitraum, in der sie die Ware ansprechend aussehend an den Kunden bringen können. Dazu an anderer Stelle mehr.

Gitta Stahl