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Braunkohl: Vom „Arme-Leute-Essen“ zur „Spezialität“
Foto: Themenbild Altes Gemüse erfreut sich großer Beliebtheit
In verschiedenen Landstrichen Deutschlands, so auch in Bremen und im Braunschweiger Raum, wird heute der Grünkohl als Braunkohl bezeichnet. Der echte Braunkohl dagegen verschwand vor vielen Jahren aus dem Anbau.
Von den verschiedenen Kohlarten ist der Grünkohl der Wildform am ähnlichsten. Als krausblättriger Krauskohl wurde er bereits vor unserer Zeitrechnung von den Griechen beschrieben. Später, bei den Römern, zählte er – als Stängelkohl bezeichnet – zu den Delikatessen in der römischen Küche.
Inzwischen ist der Grünkohlanbau über die ganze Welt verbreitet, besonders in Mittel- und Westeuropa. In Deutschland war Grünkohl früher ein „Arme-Leute-Essen“. Heute streiten sich die Regionen besonders in Norddeutschland darum, wessen „Spezialität“ der Grünkohl denn nun ist.
Foto: Vetter
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Grüner „Braunkohl“
Zur Frage, warum der Braunkohl Braunkohl heißt, obwohl er grün ist und nicht braun, sind abenteuerliche Erklärungen im Umlauf. Die Braunschweiger meinen voller Stolz, der Braunkohl komme aus Braunschweig und trage daher diesen Namen.
Die Erklärung, dass die Namensgebung Braunkohl etwas mit der Verfärbung des Kohls nach mehrmaligem Aufwärmen zu tun haben könnte, stimmt ebenfalls nicht. Gleiches gilt für die Erklärung, der Kohl verfärbt sich nach starkem Frost bräunlich. Eine schlüssige Antwort scheint es nicht zu geben.
Nachweislich hat es aber noch im 19. Jahrhundert den in Oldenburg, Bremen und Ostfriesland regional angebauten sogenannten Langkohl mit kräftig bräunlich violettfarbenen Blättern gegeben, bei dem die groben Pflanzenteile als Viehfutter verwendet wurden. Außerdem ist bekannt, dass es in Regionen in Westfalen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (hier in der Altmark) braunroten Kohl gegeben hat, man sprach vom „Roten Krauskohl“.
Wegen seiner großen Frosthärte bis zu –15 °C ist die Ernte des Grün- oder Braunkohls bis ins Frühjahr möglich. In den Gasthäusern stehen in den Wintermonaten die Grün- bzw. Braunkohlgerichte auf der Speisekarte an oberster Stelle.
Violett wieder im Kommen
Seit wenigen Jahren werden in Samenkatalogen wieder braune oder violette „Grünkohlsorten“, die in Vergessenheit geraten waren, angeboten. Besonders die Sorte ‘Redbor’ (eine F1-Hybride) ist mit ihren rötlich violett gefärbten, krausen Blättern ein sehr attraktiver Blickfang im Gemüsebeet.
Im Lehr- und Versuchsgarten des Landesverbandes Braunschweig der Gartenfreunde und im Botanischen Garten in Braunschweig wurde diese Sorte in den letzten Jahren ausgesät und angepflanzt. Im Lehrgarten waren wir vom kräftigen Wuchs dieser Grünkohlsorte sehr positiv überrascht.
Auf der Suche nach alten Braunkohlsorten ist der Landesverband bei der Firma Dreschflegel, Witzenhausen (Tel. 0 55 42/50 27 58, www.dreschflegel-saatgut.de) fündig geworden. Die Samen mit der Bezeichnung Braunkohl ‘Roter Krauskohl’ (Brassica oleracea var. sabellica) haben wir am 18. Mai 2009 im Gewächshaus ausgesät.
Diese Sorte aus dem Museumsdorf Diesdorf ist aus drei alten, aus der Altmark stammenden Sorten hervorgegangen. Sie soll der alten Braunschweiger Braunkohlsorte nahekommen. Die einzelnen Wachstumsstadien bis zur Erntereife sind in den Bildern festgehalten worden.
Gesunde Inhaltsstoffe
Der Gesundheitswert der angebauten Braunkohlsorte übertrifft den des Grünkohls. Die positiven Inhaltsstoffe sind sogar in noch höherer Konzentration vorhanden, vor allem die Mineralien Kalium, Magnesium und Calcium und die Vitamine C, D und E. In der Pflanze sind auch Flavonoide und Carotinoide, die als Radikalenfänger gegen Krebs vorbeugen sollen, in hohem Anteil enthalten.
Foto: Vetter Hoher Nährstoffbedarf
Der Grün- oder Braunkohl gehört, wie alle Kohlarten, zu den Starkzehrern, d.h. er hat einen hohen Nährstoffbedarf und benötigt viel Wasser. Ansonsten stellt er keine besonderen Ansprüche an den Standort, bevorzugt aber einen sonnigen Platz und einen kalkreichen Lehm- oder Lössboden.
Kein Frost vor der Ernte, aber kühle Temperaturen
Jetzt zu der oft gestellten Frage: „Benötigt Grünkohl Frost vor der Ernte?“ Hier sind sich alle Experten einig, den braucht er nicht. Trotzdem hört man immer wieder, dass ein Teil der im Grünkohl enthaltenen Stärke durch den Frost in Zucker umgewandelt wird und damit für einen besseren Geschmack sorgen soll.
Wichtig ist, dass der Grünkohl bei allgemein kühlen Temperaturen bis zur Ernte noch ausreichend Zeit bekommt, um durch die Photosynthese über das Sonnenlicht weiterhin genügend Traubenzucker aufzubauen. Durch die kühlen Temperaturen verlangsamen sich die Stoffwechselvorgänge in der Pflanze, was dazu führt, dass der Zuckergehalt in den Kohlblättern ansteigt.
Der Natur ein Schnippchen zu schlagen und die kühlen Temperaturen oder Frostgrade durch die Kühltruhe zu erzeugen, um den Geschmack des Grünkohls zu verbessern, funktioniert nicht. Nur die lebende Pflanze kann den Traubenzucker im Grünkohl anreichern, sodass er seinen typischen Geschmack erhält.
Vergessene Pflanzen erfreuen mit gelber Blütenpracht
Wenn Sie im Winter oder Frühjahr Pflanzen Ihres Grünkohls vergessen haben zu ernten, lassen Sie sie stehen und erfreuen Sie sich an ihrer wunderbaren gelben Blütenpracht im Frühling. Sollten Sie die Pflanze dann noch zur Samenreife kommen lassen, kann es Ihnen passieren, dass Sie im Sommer viele neue Kohlpflänzchen im ganzen Garten verteilt vorfinden.
Helmut Vetter,
Landesfachberater des
Landesverbandes Braunschweig der Gartenfreunde e.V.