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Buntes Gemüse – gesund und dekorativ
Foto: Stein Viele alte Gemüse aus Großmutters Garten sind besonders dekorativ und farbenfreudig. Das fördert den Appetit und spricht für gutes Aroma. Davon angeregt haben auch Züchter mit den enthaltenen Pflanzenfarbstoffen experimentiert und daraus einen interessanten Gesundheits-Trend entwickelt.
Von „abartig bunt“ zu „farbenfroh gesund“
Es begann um 1960 an amerikanischen Universitäten. Dass Blumenkohl auch gelb oder violett aussehen könnte, Radieschen weiß oder gelb und Möhren schwarzpurpur statt einförmig orange, wurde damals als abartig und nicht ansprechend empfunden. Die Entwicklung beweist uns inzwischen das Gegenteil.
Der neue Farbenreigen bei zahlreichen Gemüsen brachte viel Abwechslung in den Garten und auf den Teller, steigerte die Lebensfreude und damit auch den Genuss. Und nicht zuletzt bereicherten die „neuen“ Inhaltsstoffe sogar den gesundheitlichen Wert der Gemüse. Dazu trugen auch Ernährungswissenschaftler bei, die nicht nur die Funktion der Vitamine erforschten, sondern sich auch mit den Geheimnissen der Pflanzenfarbstoffe wie Anthocyan (purpur), Carotin (orange) oder Lycopin (leuchtend rot) beschäftigten. Diese sogenannten sekundären Pflanzenstoffe sind äußerst wichtig, helfen sie doch den Pflanzen (und damit indirekt auch uns Menschen) vorbeugend bei der Abwehr von Krankheiten, indem sie schädliche „freie Radikale“ bekämpfen. Sie werden bioaktiv genannt, weil sie eine gesundheitsfördernde Wirkung haben und positiv mit dem Körper interagieren.
Es gibt noch nicht viele für Hobbygärtner geeignete bunte Gemüsesorten, doch ihre Zahl wächst.
Bunte „Klassiker“ wiederentdeckt
Um 1880 hielten namhafte Samenhäuser, wie z.B. Benary, Sperling, Suttons Seeds oder Vilmorin, mehr als 5000 unterschiedliche Sorten bereit, die Pflanzenjäger voller Entdeckungsfreude aus der ganzen Welt zusammengetragen hatten.
Darunter befanden sich auch viele überzeugende farbige Sorten, z.B. der bunte Stiel-Mangold, die milde weiße Salatgurke ‘White Wonder’, die gelbschalige Azia-Riesengurke oder die blauhülsige Kapuzinererbse aus Friesland (heute wieder als ‘Blauwschokker’ erhältlich). Auch die grün-rot geflammten Hülsen der italienischen Borlottibohnen (Feuerzungen) gab es damals schon, deren halbreife Körner durch ihren herrlich nussigen Geschmack noch heute jeden Liebhaber der kaum mehr servierten Palbohnen-Gerichte begeistern.
„Eingewanderte“ Geschmacksrichtungen begeistern
Foto: Gärtner Pötschke
Gänzlich andere Geschmacksrichtungen als heute üblich finden wir auch bei den Roten Rüben. Neben gelben, weißen und orangen Farben bei amerikanischen Sorten ist es besonders die alte italienische Spezialität ‘Chioggia’ aus der Umgebung von Venedig, die meist mit dekorativen weißen Ringen als süß schmeckende Rohkost in Erscheinung tritt. Denn genau diese Ringe haben die übrigen Züchter mühsam beseitigt, weil sie nur eine gleichmäßig tiefdunkelrote Innenfarbe für erstrebenswert hielten. Das ganze Farbspiel erhält man heute mit Mischungen wie z.B. „Hula Hoop“ (von Gärtner Pötschke, siehe Titelbild, Tel. 01805/517213, gebührenpflichtig, www.poetschke.de).
Farbe nicht immer „kochfest“
Ein gutes Aroma ist auch bei Busch- und Stangenbohnen mit der violettblauen Farbe verbunden, die allerdings beim Kochen verschwindet und normalem Grün Platz macht.
Mit den Stangenbohnen ‘Blauhilde’ (violette, fleischige Hülsen) und ‘Hildora’ (mit gelben, knackigen Hülsen) kann Schwaben erhaltenswerte Gartenschätze präsentieren, zu denen sich auch der saftig fleischig zarte Rettich ‘Hilds Blauer Herbst und Winter’ gesellt.
Auch bei Radieschen hat die Vielfalt wieder zugenommen mit weißen, violettfarbenen und gelben Sorten. Zarter, ertragreicher und oft auch schmackhafter als grüne Sorten präsentieren sich gelbe Zucchinisorten.
Gesunde Vielfalt bei Kürbissen
Foto: Stein
Mit Kürbisgewächsen kann man wahre Farborgien herbeizaubern, so groß ist die Auswahl, die wir aktuell bei dem bis in die 80er Jahre noch wenig geschätzten Gemüse vorfinden.
Das Fleisch variiert von spaghettiartig bis tieforange beim Muskatkürbis, während die Farben der Schale fast die ganze Palette abdecken von Weiß über Gelb, herrlichem Orange bis Feuerrot, von geflecktem Weiß-Grün beim Feigenkürbis bis zum verwaschenen Blau beim amerikanischen ‘Blue Hubbard’. Die Krone setzen mit orientalisch anmutendem Dekor die bunten Bischofsmützen und Turbankürbisse auf, die nicht nur zur Zierde dienen, sondern zudem ausgezeichnet schmecken.
Auch beim Kürbis-Aroma hat das Entdecken von Spezialitäten die Spreu vom Weizen getrennt. Als klarer Favorit gilt inzwischen der orangerote, birnenförmige Hokkaido-Kürbis, der durch seinen hohen Gehalt an Carotin und seinen nussigen Geschmack besticht. Zudem lässt sich der nur mittelgroße, handliche Tausendsassa ohne jedes Schälen backen, schmoren, pürieren, zu Suppen verarbeiten und obendrein den ganzen Winter hindurch auch zum Dekorieren verwenden.
Tomaten: Rot hat Konkurrenz bekommen
Foto: Stein Appetitliche Farben kennzeichnen auch das riesige Tomatensortiment, das durch alte, halb vergessene Sorten in allen möglichen Formen gewonnen hat. Zu den vom Aroma her empfehlenswerten Tomaten zählen gestreifte wie ‘Tigerella’ oder ‘Green Zebra’, die erst mit der vollen Reife von Grün nach goldbraun Gestreift wechselt.
Längst haben Züchter das Erbgut der interessantesten Oldies in moderne, krankheitsresistente Sorten eingekreuzt. Manche von ihnen wurden auch mit solchen Elternlinien kombiniert, die mehr vom augenfreundlichen Farbstoff Carotin enthalten (wie bei der orangegelben, fruchtigen ‘Bolzano’) oder vom zellschützenden Lycopin (z.B. bei ‘Maranello’, ‘Flavance’ oder der neuen Cocktail-Tomate ‘Prolyco’ von Kiepenkerl, Bruno Nebelung GmbH, Tel. 02661/9405284, www.nebelung.de).
Gefragt sind zurzeit auch rosafarbene Fleischtomaten wie ‘Pink Brandywine’ oder ‘Pink Wonder’ mit großen, leicht gerippten Früchten und die fruchtig schmeckenden Schokoladentomaten (z.B. ‘Chocolate Cherry’) mit ungewöhnlichem Braun. Wer nicht viele Samentüten erstehen möchte, findet zur Selbstanzucht eine Auswahl in Form der Saatplatte „Bunte Mischung“ (von Sperli, Tel. 02582/670-900, www.sperli.de).
Wenn scharfe Schoten es bunt treiben ...
Paprika und Chili können Sammlerleidenschaften entfachen. Nicht nur, weil sie bis zu dreimal soviel Vitamin C wie Zitronen oder Orangen enthalten können, sondern rote und gelbe Paprika sind zudem noch reich an Carotinoiden, die vor freien Radikalen schützen. Der hohe Kalziumgehalt wirkt sich auch positiv auf Knochen und Gelenke aus.
Foto: Stein Den Geschmack der Früchte kann man nur durch Probieren ermitteln, ob mild-süß oder höllisch scharf, ist von außen nicht zu erkennen. Paprika und Peperoni eignen sich auch als nützliches Ziergemüse, mit dem man größere Gefäße auf Balkon und Terrasse bepflanzen kann und die zudem eine leckere Ernte bringen.
Da man gewöhnlich nicht mehr als eine Pflanze benötigt, bietet sich eine kleine Kollektion von unterschiedlichen Formen und Farben an, von rund über spitz bis blockförmig. Praktisch: Sie können schon fruchtende Pflanzen im Juni im Gartenmarkt kaufen oder mildwürzige Sorten in Gelb, Orange, Rot, Grün und Violett-Schwarz selbst anziehen aus der Samentüte ‘Paprika Mix’ (von Pötschke).
Möhren – erst die Ernte offenbart das Farbspektrum
Foto: Bakker Holland
Pflanzliche Farbstoffe spielen auch eine bedeutende Rolle bei Möhren, die besonders reich an wertvollem Carotin sind. Beta-Carotin, die Vorstufe für Vitamin A, ist wichtig für die Sehkraft. Es schützt die Zellen vor schädlichen Umwelteinflüssen, indem es freie Sauerstoffradikale abfängt, und wirkt sich dadurch positiv auf das Herz-Kreislaufsystem aus.
Ein hoher Gehalt davon zeigt sich schon äußerlich im beliebten Dunkelorange vieler Sorten wie der im Bio-Anbau geschätzten Spät-Sorte ‘Rothild’ oder den neueren ‘Sugar Snax 54’ (früh, sehr süß) und ‘Nutri Red’ (mittelspät).
Ebenfalls gut für Herz und Gefäße ist der violette Farbstoff Anthocyan, der in besonders hoher Menge in der „Ur-Möhre“ ‘Purple Haze’ vorkommt, die an arabische Ursprünge erinnert. Er ist für die bei Möhren ungewöhnliche dunkelviolettblaue Färbung verantwortlich. Anthocyan strafft das Bindegewebe und wirkt der Zellalterung entgegen. ‘Purple Haze’ wurde trotz der „unmöglichen“ Farbe zu einem großen Erfolg. Mit ihren orangeroten Herzen sehen Scheibchen davon sehr dekorativ aus. Hinzu kommt ein ausgezeichneter süßer Geschmack.
Viel Abwechslung bringen richtig bunte Mischungen auf den Tisch wie die ‘Rainbow-F1-Hybrid’-Mischung (z.B. von Bakker Holland, Tel. 04102/499111, www.bakker.de) oder die „Harlekin-Mischung“ (von Sperli), denn sie bieten alle erhältlichen Farbtöne von Cremeweiß über Gelb, Purpur und natürlich Orangerot.
Siegfried Stein