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Neozoen: Kirschessigfliege, Citrusbockkäfer und Co.
Neue und bekannte Schadorganismen
Foto: Julius-Kühn-Institut
Das Klima ändert sich. Das ist allgemein bekannt. Wie weit aber der Klimawandel Schuld ist am erhöhten Aufkommen von Schadorganismen, darüber – so sagen Wissenschaftler vom Julius Kühn-Institut (JKI) – lassen sich vielfach keine wirklich belastbaren Aussagen treffen. Oft sind es einfach nur saisonale oder geografische Besonderheiten, die Schadorganismen in Schach halten oder zu ihrer explosionsartigen Vermehrung führen.
Einige Schädlinge treten neu auf, weil der weltweite Handel mit Pflanzen auch „illegale Einwanderer“ mit sich bringt. Bei einigen Schädlingen lässt sich sicher sagen, dass sie kommen, weil es hier wärmer wird. Und einige heimische Schädlinge vermehren sich stärker als früher. In Einzelfällen haben auch Resistenzen gegen oder der Wegfall von Pflanzenschutzmitteln Auswirkungen auf Populationen.
Weitere Informationen
Die Verlinkungen in diesem Text führen direkt zu den Faltblättern mit Fachinformationen zu den einzelen Schadorganismen, die das Julius Kühn-Institut auf seiner Website www.jki.bund.de bereitstellt.
Klimawandel – zu komplex für pauschale Aussagen
"Von Klimawandel sprechen wir normalerweise, wenn wir die Jahresmittelwerte ansehen“, konkretisiert Dr. Gritta Schrader vom JKI Braunschweig das Problem. „Ein extrem kaltes Frühjahr und ein richtig heißer Sommer, wie wir es dieses Jahr hatten, können jedoch Auswirkungen auf die Populationen von Schadorganismen haben, ohne dass sich die Jahresmittelwerte abweichend von der Norm verhalten.“
Wie weit Wetterextreme als Zufall oder unter dem Aspekt „Klimawandel“ zu bewerten sind, auch dazu gibt es bislang noch keine belastbaren Daten. „Die natürliche Verbreitung von Schadorganismen, ihren Wirtspflanzen und gegebenenfalls auch ihren Überträgern verschiebt sich aber generell Richtung Pole.“ Das würde die Einschleppung und Ausbreitung von Schadorganismen sicher unterstützen.
Früher gab es stabilere Klimabarrieren wie längere Perioden mit tiefen Minusgraden im Winter oder zu niedrigen Temperaturen im Frühjahr und Sommer. Auch Gebirge wie die Alpen stellten oft ein Hindernis für migrierende Schädlinge dar.
Foto: Julius-Kühn-Institut
Foto: Julius-Kühn-Institut
Mit pauschalen Aussagen müsse man daher vorsichtig sein, so Dr. Hella Kehlenbeck, ebenfalls vom JKI. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind sehr komplex, und es liegen durchaus Wechselwirkungen mit anderen Faktoren wie Anbauverfahren, Pflanzenschutzbestimmungen, Globalisierung des Handels, Veränderungen in der Landnutzung oder Zerstörung und Zerstückelung von Lebensräumen vor. Es ist daher schwierig festzustellen, ob die Ursache für Veränderungen allein auf den Klimawandel zurückgeführt werden kann.“
Einig sind sich die Forscher aber, dass Pflanzen zunehmend mehr Stress durch Hitze, Kälte, Trockenheit oder Nässe ausgesetzt werden. „Diese Wetterextreme allein können schon zu erheblichen Ertragsausfällen führen, besonders wenn sie in der Blühphase oder zur Samenbildung eintreten“, sagt Dr. Schrader. Hinzu kämen noch Pflanzenschutzprobleme durch neu eingeschleppte Schadorganismen wie etwa die Kirschessigfliege. In Einzelfällen könnte auch der Befallsdruck durch bislang unauffällige heimische Schadorganismen steigen, wie das beim Eichenprozessionsspinner in den vergangenen Jahren zu beobachten war.
Heimischer Schädling profitiert vom Klimawandel
Foto: Wagenhoff, FVA
Der wärmeliebende Eichenprozessionsspinner breitet sich vermehrt auch außerhalb des Waldes im öffentlichen Grün und im Garten aus. „Massenvermehrungen wurden bei diesem heimischen Schädling auch in der Vergangenheit beobachtet. Allerdings dauert die derzeitige schon länger als die erwarteten drei bis fünf Jahre, und ein Ende ist noch nicht in Sicht“, weiß Dr. Nadine Bräsicke vom JKI. Die Eichen überleben den Kahlfraß und treiben neu aus. Hier sind es die gesundheitsgefährdenden Brennhaare, die eine Bekämpfung erforderlich machen (siehe Kasten „Weitere Informationen“).
Illegale Einwanderer sind schon ans Klima angepasst
Foto: Julius-Kühn-Institut Vor ganz andere Probleme stellen Neubürger unter den Schädlingen die Pflanzenschützer. Teilweise kommen sie per Schiff oder Flugzeug, Auto oder Zug, gut versteckt im Substrat, an oder in der Pflanze oder im Holzverpackungsmaterial und nicht selten im Handgepäck von Urlaubsreisenden oder mithilfe des Internethandels.
Die offiziellen Importwege im Pflanzenhandel werden relativ gut überwacht. So wurde der mit Baumschulware eingeschleppte Rundköpfige Apfelbaumbohrer 2008 auf der Insel Fehmarn entdeckt und rasch von den Landesbehörden bekämpft. Der Käfer wandert punktuell aus Nordamerika und Kanada ein und kommt mit dem Klima in Europa bestens zurecht. Sein Wirken kann derart bestandsbedrohend sein, dass er als Quarantäneschädling (siehe Kasten S. 3) eingestuft wird.
Foto: Julius-Kühn-Institut
Das gilt auch für die beiden in Asien beheimateten Holzschädlinge Asiatischer Laubholzbockkäfer (ALB) und Citrusbockkäfer. Sie können sich von vielen heimischen Laubgehölzen ernähren und kommen ebenfalls mit dem Klima hier gut zurecht. Die Larven des ALB fanden versteckt in Holz, das zwischen Granitplatten als Bruchschutz diente, den Weg nach Deutschland. Inzwischen muss Verpackungsholz behandelt werden.
Der Kiefernholznematode, ein Fadenwurm, stammt ebenfalls aus Nordamerika. Er wurde vor 100 Jahren bereits nach Japan eingeschleppt. 1999 wurde er erstmals in Europa, konkret in Portugal, nachgewiesen. Seither wird alles unternommen, um die weitere Verbreitung in Europa zu verhindern. Der Fadenwurm braucht als Überträger Bockkäfer.
Globaler Handel und die Gefahr für Hobbygärtner
Foto: Julius-Kühn-Institut
Ein wirklicher Nutznießer des globalen Handels ist die Andromeda-Netzwanze. Sie ist schon gut zehn Jahre in Deutschland anzutreffen. Sie kommt aus Asien und saugt beispielsweise an Rhododendron und Lavendelheide. Wenn diese Gruppe von Schadorganismen auch nicht zwingend im Zuge des Klimawandels hier Fuß gefasst hat, so erlauben für sie angenehme Temperaturen in der Regel doch mehrere Generationen, verkürzte Entwicklungszeiten und bessere Überlebenschancen im Winter.
Foto: Julius-Kühn-Institut
Zu den invasiven Arten aus dem asiatischen Raum, mit denen Hobbygärtner künftig rechnen müssen, zählen der Buchsbaumzünsler und die Kirschessigfliege. Letztere ist eine Verwandte der hier heimischen Obstfliege. Die Weibchen sind mit einem sehr wirksamen Legestachel ausgestattet, mit dem sie auch die Schalen von gesunden Beerenfrüchten und Weinbeeren durchdringen. Sie können so alles weichschalige Obst schädigen. In Süddeutschland richtet die Kirschessigfliege bereits Schäden an.
Ihr Populationsaufbau im Frühjahr ist abhängig von der Überlebensrate der Fliegen im Winter. Punktuell auftretende günstige Witterungsbedingungen können also das Zünglein an der Waage sein, ob sich der Schädling in der Region ausbreitet oder nicht.
Foto: Julius-Kühn-Institut
Der Buchsbaumzünsler kam vor rund sieben Jahren im Zuge des globalen Handels nach Europa. Und das Ei ist gelegt! Bei der Bekämpfung des Schädlings wirkt die biologische Waffe Bacillus thuringiensis sehr gut, sodass der Wegfall bestimmter Insektizide (z.B. Thiacloprid) keine größeren Probleme bereiten dürfte. (Der Bacillus wird in Wasser gelöst gespritzt.) Auch mit Naturprodukten wie Neemöl und natürlich mit Handarbeit (Raupen ablesen) können Hobbygärtner, die möglichst natürlich arbeiten wollen, den Schädling bekämpfen. Und das sollte man auf jeden Fall tun, da es sonst zum Totalausfall bei Buchsbaum kommt.
Foto: Julius-Kühn-Institut
Neue Schadorganismen als Nutznießer des Klimawandels
Foto: Julius-Kühn-Institut Der Pinienprozessionsspinner ist ein wärmeliebender Falter, dessen Raupen – ähnlich wie beim Eichenprozessionsspinner – allergene Wirkung für uns Menschen haben. Auch er ist auf dem Vormarsch nach Norden, wo er auch mit „normalen“ Kiefern vorlieb nimmt. Der Graue Lärchenwickler fliegt immer höher die Berge hinauf und wird auch diesseits der Alpen erwartet.
Die Ausbreitung einer Rebkrankheit immer weiter nach Norden ist wohl auch teilweise wärmeren Durchschnittstemperaturen geschuldet. Die Esca-Krankheit wird von einem Pilz verursacht und kann ggf. über viele Jahre schleichend verlaufen. Sie kann aber auch akut ganze Rebstöcke vernichten. Auch die Schwarzholzkrankheit kommt mit wärmeren Temperaturen nach Mitteleuropa. Die Vergilbungskrankheit der Rebe wird bislang ausschließlich von der wärmeliebenden Winden-Glasfügelzikade übertragen.
Chemische Pflanzenschutzmittel im Garten unnötig
Wann immer sich Schädlinge ungewohnt stark vermehren, wird gern der Klimawandel als (Mit-)Verursacher herangezogen. Tatsächlich vermehren sich Insekten besser, wenn es länger warm ist, das bestätigen Forscher unisono. Es bleibt dann Zeit für eine weitere Generation im Jahr. Doch es gibt auch andere Gründe. Ein Problem sei der einseitige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, sagt Dr. Stefanie Hahn vom JKI. Werden Mittel mit denselben Wirkmechanismen angewendet, werden Unkräuter, Insekten oder Pilze resistent.
Seit Oktober 2013 dürfen neonicotinoidhaltige Pflanzenschutzmittel mit den Wirkstoffen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam nicht mehr eingesetzt werden (siehe dazugehörige Meldung). Damit fallen auch im Haus- und Kleingartenbereich Mittel gegen Insekten und Schädlinge weg. Doch im heimischen Garten sollte die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ohnehin die Ausnahme sein. Hobbygärtner sollten zudem die Ratschläge zu Kauf, Anwendung und Lagerung von Pflanzenschutzmitteln beherzigen, die im Faltblatt für Hobbygärtner der zuständigen Zulassungs- und Verbraucherschutzbehörde nachzulesen sind und als pdf heruntergeladen werden können unter www.bvl.bund.de/pflanzenschutzmittel_garten
Lexikon:
Quarantäneschaderreger
Als Quarantäneschaderreger oder Quarantäneschadorganismus werden Organismen eingestuft, deren Eindringen in neue Gebiete verhindert werden soll, weil sie in der Regel in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet große Schäden in der Land- oder Forstwirtschaft verursachen. Es wird befürchtet, dass die Schaderreger in neue Regionen verbracht werden, in denen sie bisher nicht auftraten, obwohl entsprechende Wirtspflanzen vorhanden wären.
Gegen Quarantäneschaderreger gibt es wenige direkte Bekämpfungsmöglichkeiten, weshalb alle Maßnahmen darauf abzielen, die Einwanderung und Ausbreitung zu verhindern. Bei der Ausbreitung spielt die Einschleppung durch den Menschen eine besondere Rolle.
Gitta Stahl