- Tiere im Garten
Wildbienen – Staatsbürger und Vagabunden
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Wildbienen sind keine wild lebenden Honigbienen, wie viele Menschen noch immer denken. Es handelt sich vielmehr um eine Gruppe von Insekten, die in Deutschland mit etwa 560 Arten, in Europa mit rund 2000 Arten und weltweit mit mehr als 20.000 Arten eine erstaunliche Vielfalt an Bestäubern hervorbringt. Und im Gegensatz zur Staaten bildenden Honigbiene sind sie – abgesehen von Hummeln – meist als Einzelgänger unterwegs.
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Gemeinsam stark
Hummeln werden in Echte Hummeln und Schmarotzerhummeln eingeteilt. Letztere legen ihre Eier bei den Echten Hummeln ins Nest und lassen ihre Brut großziehen. Wie bei Honigbienen gibt es bei Echten Hummeln eine Königin und einen Hofstaat. Allerdings umfassen ihre Völker nur maximal 600 Individuen.
Die Jungkönigin übersteht den Winter im Gegensatz zur Königin der Honigbiene jedoch alleine, ohne von ihren Arbeiterinnen gewärmt zu werden. Das geht nur dank eines Winterschlafs, der dennoch Energie verbraucht. Deshalb benötigt die junge Königin an ihren ersten Tagen im Frühling dringend Pflanzen, die ihr Nektar und Pollen spenden.
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Auch ihren Hofstaat muss sie im Frühjahr erst einmal aufbauen. Dafür sucht sie sich eine geeignete Stelle, z.B. ein Mauseloch (Erdhummel) oder einen hohlen Stamm (Baumhummel), und beginnt, ihre kleine Nestkugel mit Pflanzenmaterial auszukleiden. Dann formt sie aus Wachs, das sie aus speziellen Drüsen ausscheidet, kleine Töpfchen. Einige davon dienen als Sammelbehälter für Nektar, von dem die Königin sich während ihrer Aufzuchtzeit ernährt.
Die Mehrzahl an Töpfchen aber ist für die Brut selbst bestimmt und dient als Eiwiege. Hinein kommt jeweils ein Pollen-Nektar-Gemisch. Darauf legt die Königin wenige Eier, die sie anschließend so lange bebrütet, bis die ersten Arbeiterinnen schlüpfen und die weitere Brutpflege übernehmen.
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Einsiedler und Spezialisten
Die meisten anderen Wildbienenarten ziehen dagegen als Einzelgänger durchs Leben, weshalb sie häufig auch als Solitär- oder Einsiedlerbienen bezeichnet werden. Ihr Aktionsradius ist auch sehr viel geringer als der von Honigbienen. Zudem ist etwa ein Drittel der Wildbienenarten auf ganz wenige Pflanzenarten spezialisiert. Wo diese Pflanzen fehlen, kommen die daran angepassten Bienen nicht vor.
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In der jeweiligen Paarungszeit einzelner Arten von Frühjahr bis Sommer begatten die kleineren Männchen die größeren Weibchen meist am Boden oder auf Pflanzen sitzend. Die Männchen sterben bald, während die Weibchen in ihrer meist vier- bis sechswöchigen Lebenszeit für 20–40 Nachkommen sorgen. Im Gegensatz zu ihren Staaten bildenden Verwandten betreiben solitäre Bienen keine Brutpflege, sondern überlassen die Nachkommen sich selbst.
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Typischerweise richten die Tiere für jedes einzelne Ei eine Nistzelle her. Diese wird bei wenigen Arten mit Pflanzenmaterial ausgekleidet, außerdem wird in die Zelle ein Gemisch aus Nektar und Pollen als Reservoir hineingelegt. Dabei werden die weiblichen Nachkommen mit einer größeren Portion und einer größeren Zelle bedacht als die männlichen. Grund: Die Weibchen benötigen für die spätere Ausbildung der Eierstöcke mehr Protein.
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Männchen trifft Weibchen
Doch wie finden nun Männchen und Weibchen solch winziger Lebewesen mit geringer Nachkommenschaft und kleinem Aktionsradius in der offenen Landschaft zueinander? Die Männchen können ja nicht wie Vögel durch lautes Rufen die Weibchen locken.
Die Antwort: Wildbienen organisieren den Nist- bzw. Schlupfplatz so, dass die Männchen zeitlich vor den Weibchen aus den Nistkammern schlüpfen und nach draußen fliegen. Bei den in Holz und Stängeln nistenden Wildbienenarten funktioniert das beispielsweise so:
Die Weibchen legen zehn bis 15 Eier in hintereinanderliegenden Hohlräumen ab, die sie durch selbst eingezogene, dünne Zwischenwände voneinander trennen. Die vorderste Brutkammer ist nach außen durch einen Deckel aus kleinsten Steinchen, Lehm oder Pflanzenstückchen verschlossen. Die Jungbiene, die dem Ausgang am nächsten ist, muss demzufolge den vordersten Deckel aufbeißen und als Erste den Weg ins Freie bahnen. Danach beißt sich das nächstfolgende Tier durch die Nistkammerwand, kriecht durch das nun freie erste Zimmer und fliegt hinaus in die offene Landschaft und so weiter, bis die letzte Nistkammer leer ist.
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Dabei werden in die hintersten Kammern in der Regel die befruchteten Eier, aus denen sich die Weibchen entwickeln, gelegt. In die vorderen Kammern kommen die unbefruchteten Eier, aus denen die männlichen Bienen dann automatisch einige Tage vor den Weibchen nach draußen fliegen und an Ort und Stelle auf das Erscheinen der Weibchen warten. Nach wenigen Tagen hat das Ausharren ein Ende, und die Männchen stürzen sich auf die Weibchen, die gerade aus ihrer dunklen Höhle ins Sonnenlicht fliegen und daher noch etwas orientierungslos sind. Beliebte Kopulationsplätze sind jedoch auch die von der jeweiligen Art bevorzugten Blütenpflanzen, an denen die Weibchen auf ihrem ersten Flug gerne Nektar trinken.
Dr. Corinna Hölzer, Cornelis Hemmer
Blümchen rüttle dich
Hummeln haben eine ausgefallene Weise, Pollen zu sammeln. Sie schütteln die Blüten förmlich durch, Vibrationsbestäubung oder „buzzing“ genannt, und erhalten so große Ladungen an Blütenstaub, der sich über ihr Haarkleid verteilt. Anschließend kämmen sie den Pollen mit Vorrichtungen an ihren Beinen zu Pollenhöschen zusammen. Auf diese Weise können sie etwa 20 % ihres Körpergewichtes an Pollen zum Nest – und natürlich zu anderen Blüten – transportieren. Aufgrund dieser Effizienz werden Dunkle Erdhummeln auch häufig zur Bestäubung von Obst- und Gemüsekulturen in Gewächshäusern eingesetzt.