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Apfel- und Birnbäume sachgerecht schneiden
Foto: Wachtmann „Welcher Zeitpunkt ist der richtige, um meinen Obstbaum zu schneiden?“ Diese Frage stellen sich viele Kleingartenbesitzer, gerade dann, wenn im Garten sonst nichts mehr zu tun ist und das herabfallende Laub immer mehr „nackte“ Krone freigibt.
Um diese Frage aber richtig beantworten zu können, muss man sich mit der Biologie des Obstgehölzes näher beschäftigen. Genauer gesagt muss man wissen, was im Inneren des Baumes passiert.
Im Sommerhalbjahr befinden sich die sogenannten Wuchsstoffe im gesamten Baum. Diese sind verantwortlich für das Wachstum der Äste, Zweige und Wurzeln. Im Herbst ziehen sich diese Wuchsstoffe großteils in Stamm und Wurzeln zurück.
Der richtige Zeitpunkt eines Obstbaumschnittes richtet sich nun nach dem Ziel, welches mit dem Schnitt erreicht werden soll.
Winterschnitt gerne bei „alten“ Bäumen
Bei einem normalen Winterschnitt (Verjüngungsschnitt) werden die Wuchsstoffe nicht großartig entfernt, da sie sich ja nicht im Astbereich befinden, sondern im Wurzel- und Stammbereich. Im Frühjahr nach dem Winterschnitt wird der Baum kräftig durchtreiben. Dies wird vor allem bei älteren Bäumen gewünscht, um einen neuen Kronenaufbau zu erzielen.
Etwas nachteilig für den Winterschnitt ist, dass die meisten Wunden über das Winterhalbjahr offen liegen und vom Baum selbst nicht schnell verschlossen werden können. Die Wundheilung ist also im Frühjahr und Sommer deutlich besser, die Wunde liegt nicht lange offen und wird durch die Selbstheilungskräfte des Baumes schnell verschlossen (siehe Kasten).
Frühjahrsschnitt als „Wuchsbremse“
Wird der Schnitt in das späte Frühjahr gelegt, erzielt man eine Wuchsbremse. Denn dabei werden die bereits langsam von Wurzel und Stammbereich bis in jede kleine Astpartie fließenden Wuchsstoffe mit weggeschnitten – der Baum wird in seiner Wuchsvitalität „ausgebremst“. Je weiter man den Schnitttermin nach hinten schiebt, umso besser für einen geschwächten Neuaustrieb (d.h. es bilden sich nicht so viele Wasserschosser).
Auch der Sommerschnitt bei Kernobst sollte mehr Beachtung finden. Durch leichte Schnittmaßnahmen fällt zur Reifezeit mehr Licht ins Innere (zu den Früchten). Ebenso wird der Pilzbefall minimiert, da durch mehr Luftbewegung die Blätter schneller abtrocknen können.
Ein Sommerschnitt wird allerdings nur empfohlen, wenn durch regelmäßige Schnittmaßnahmen der Baum bereits eine fachgerechte Krone aufgebaut hat.
Bei allen genannten Zeitpunkten ist die oberste Schnittregel zu beachten: Je stärker ich einen Baum zurückschneide, umso stärker ist der Neuaustrieb, vorausgesetzt, der Obstbaum ist grundsätzlich vital und gesund.
Vorsicht: Fruchtholz schützen
Foto: Themenbild Wie oft soll mein Kernobst geschnitten werden? Auch hierzu muss man sich mit den biologischen Gegebenheiten auseinandersetzen.
Die Blüten beim Kernobst befinden sich meist am drei- und vierjährigen Holz. Dies gibt uns Auskunft, wie häufig wir schneiden müssen. Denn wer dieses „Fruchtholz“ schützen will, sollte nur alle drei Jahre schneiden. Ausnahme: Wer bei einem solchen Rückschnitt stark in den Kronenaufbau seines Kernobstes eingreift, muss im darauffolgenden Jahr erneut zur Schere greifen, um stark gewachsene einjährige Triebe (Wasserschosser) einzukürzen oder einen Teil davon komplett zu entfernen.
Zur Technik des Schneidens
Der Schnitt sollte mit einer scharfen Schere leicht schräg durchgeführt werden und stets knapp über einem Auge erfolgen. (Augen sind Knospen an den grünen, beblätterten Trieben. Sie sind beim Kernobst mehrere Jahre lebensfähig.) Der „Saft“ steigt nämlich nur bis zu einem Auge hoch. Wird zu weit vom Auge weg geschnitten, trocknet der Zweig bis zum Auge zurück.
Beim Sägen stärkerer Äste gilt ebenfalls, das der Saft nur bis zu einem Auge steigt. Demzufolge sollte der Ast entweder am Stamm oder auf einer Ableitung eines jungen Triebes abgesägt werden (siehe unten).
Der Schnitt sollte auch grundsätzlich auf Astring erfolgen. Dies bedeutet, dass am Stamm noch ein kleiner Ring (kein Stummel!) stehen bleibt. Wichtig: Es wird also nicht in den Stamm geschnitten. Ebenso wichtig: Der stehen bleibende Ring enthält teilungsfähige Zellen, die zur Überwallung (Schließen der Wunde) führen.
Die gewünschte Kronenform führt die Schere
Foto: Wachtmann
Jetzt zum eigentlichen Schnittablauf von Kernobst, deren wichtigste Vertreter der Apfel und die Birne sind. Zuerst sollte ein kritischer Blick aus der Ferne das Gesamterscheinungsbild (Habitus) und ein weiterer aus der Nähe (um ggf. kranke Stellen an Zweigen und Ästen zu erkennen) klären, ob geschnitten werden muss und wenn ja, an welchen Stellen.
Der Schnitt der Bäume sollte dann möglichst von oben begonnen werden. Jetzt wird entweder ein Haupttrieb, wie bei jeder Pyramidenkrone, festgelegt oder zwei oder mehr Haupttriebe, wie sie bei einer Hohlkrone gebildet werden.
Der Schnitt des Terminaltriebes (oberster Haupttrieb) bestimmt die weitere Höhe und Form des Baumes. Der Haupttrieb kann bei einem stärkeren Rückschnitt auf einen jüngeren Trieb abgeleitet werden („alten“ Haupttrieb heraussägen und jüngeren Trieb zum neuen Haupttrieb erklären), wodurch sich die Gesamthöhe des Baumes reduzieren lässt.
Jetzt gehen Sie Stück für Stück in die darunterliegenden Etagen und lichten diese aus. Konkurrenztriebe (ähnlich starke Triebe) sowie parallel laufende und tote Triebe sollten komplett entfernt werden. Jeder Etagenast sollte wie ein gesamter Baum verstanden werden. Auch hier suchen Sie sich den stärksten Ast aus (Ast 1. Ordnung), legen die Länge fest und kürzen die anderen Äste (2., 3.,..Ordnung) ein.
Auch sehr dicht untereinanderliegende Etagenäste sollten bis zum Stamm entfernt werden. Als Richtmaß ist mind. 30–40 cm Abstand der Etagenäste ideal.
Nach dem angestrebten Aufbau (Pyramiden- oder Hohlkrone) des Baumes richtet sich der Schnitt der Etagenäste. Dies lässt sich mit einem Blick von Weitem erneut am besten beurteilen. Grundsätzlich sollte ein Baum als Ganzes gesehen und geschnitten werden.
Physiologisches Gleichgewicht älterer Bäume
Foto: Bannier Oft findet man in Gärten alte Obstbäume. Ein häufiges Problem bei älteren, lange ungeschnittenen Bäumen ist, dass sie zu viele zu kleine Früchte tragen – wenig schmackhaft und unattraktiv für die Ernte und für die Verarbeitung. Bei diesen Bäumen stimmt oft das physiologische Gleichgewicht (das richtige Verhältnis von Früchten und Blättern) nicht mehr. Es überwiegen die Früchte, und es sind zu wenige Blätter für die Ernährung der Früchte vorhanden.
Bei diesen Bäumen sollte viel altes Fruchtholz (kleine Kurztriebe) entfernt werden, sodass sich über drei bis vier Jahre (s.o.) neues Fruchtholz bilden kann. Ebenso empfiehlt es sich, einen stärkeren Rück- und Verjüngungs- schnitt vorzunehmen, um neues Triebholz zu fördern. Auf Basis solcher Schnittmaßnahmen wird der Baum verstärkt Triebholz ausbilden mit Blättern, die es dann schaffen, die – einige Jahre später ansetzenden – Früchte gut auszubilden und zu ernähren.
Stoffwechsel junger Bäume beeinflussen
Bei jungen Bäumen sollte ein Pflanz- und Aufbauschnitt erfolgen. In dieser Phase überwiegen die Blätter- und Triebbildung. Um einen jungen Baum schneller zum Fruchten zu bringen, werden junge Triebe in die Waagerechte gebracht. Dadurch wird der Stoffwechsel verändert und die Stoffproduktion für die Fruchtbildung gefördert.
Foto: Bannier
So viel zu den theoretischen Grundlagen. Praktisches Wissen zum Obstbaumschnitt kann man sich durch Angebote von sachkundigen Gartenfachberatern aneignen.
Sven Wachtmann,
Stellv. Landesgartenfachberater
des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde