- Gemüse
Gemüse veredeln
Mehr Ertrag erfordert Geduld und Fingerspitzengefühl
Foto: Kleinworth
Veredelte Pflanzen sind im Zier- und Obstgarten Standard. Von Rosen, Apfelbäumen und Walnuss kennt man das: Die gewünschte Sorte wird auf die wüchsige und robuste Unterlage veredelt. Zunehmend häufiger werden auf Märkten und in Gartencentern aber auch veredelte Gemüsepflanzen angeboten. Durch die Verbindung der positiven Eigenschaften der Wurzel mit denen des Sprossteils entstehen leistungs- und widerstandsfähige Pflanzen. Die haben mit mehreren Euro pro Stück stolze Preise. Und wer hier liest, wie es geht, sagt: zu Recht. Leidenschaftliche Gartenfreunde können es dennoch auch selbst versuchen.
Unterlagen: kräftiger Wuchs und gute Gesundheit
Am Beispiel von Gurke und Tomate zeigen wir, wie man Gemüsepflanzen veredelt. Die Vorbereitungen beginnen mit der Auswahl der Sorten. Bei Gurken bieten sich als Unterlagen zum Beispiel die Wurzeln vom artverwandten „Feigenblattkürbis“ (im Veredelungsset von Kiepenkerl) oder von den Gurkensorten ‘Bodyguard’ oder ‘Security’ an.
Foto: Kleinworth
Bei den Tomaten habe ich die Sorte ‘Vigomax’ genommen, die Kiepenkerl sehr bequem im Set mit Stabilisierungsstäbchen anbietet. Alle Unterlagen wachsen sehr kräftig und bieten eine hohe Gesundheit. Die Früchte dieser Unterlagen überzeugen aber nicht im Geschmack. Nutzt man für die veredelte Sorte aber solche Wurzeln, dann steht der Spross auf kräftigen „Beinen“.
Wunschsorten, die ich veredelt kultivieren will, sind ‘La Diva’ und ‘Vesper’ bei den Gurken, und auf die Tomatenunterlagen will ich die Tomate ‘Lupitas’ veredeln. Auf Tomatenunterlagen können auch Auberginen veredelt werden, dieser Arten-Mix (beides Nachtschattengewächse) funktioniert auch.
Damit ein gutes Ergebnis erzielt werden kann, sind einige Dinge zu beachten. Gute und scharfe Messer sind das A und O, eine neue Rasierklinge tut es aber auch. Reinlichkeit beim Veredelungsvorgang verbessert die Anwachsquote deutlich.
Aussaattermine auf Wachstum abstimmen
Die Vorbereitung kann nun beginnen: Da es wichtig ist, dass die Sprosse von Unterlage und Edelreis sowohl bei Gurke wie bei Tomate zum Zeitpunkt der Veredelung ungefähr die gleiche Stärke haben, müssen die Aussaattermine angepasst werden. Die schnellwachsende Unterlage wird daher fünf bis sieben Tage nach der Edelsorte gelegt. Entwickeln Unterlage und Edelreis das erste Laubblatt, ist der Handlungszeitpunkt gekommen.
Gurke will Gegenzunge und eine ganz ruhige Hand
Foto: Themenbild Unterschiede bestehen in der Veredelungstechnik. Bei der Gurke wird mit Gegenzunge veredelt. Bei der Unterlage wird ein max. 2 cm langer Schnitt, der bis zur Mitte des Sprosses geht, unterhalb der ersten Laubblätter gesetzt. Einfacher ist es, wenn die Pflanzen dazu vorsichtig aus den Aussaatschalen genommen werden. Zur Sicherheit sollte die Edelsorte mit einem Bändchen markiert werden, damit später kein Malheur passiert. Erde oder sonstiger Schmutz dürfen nicht in die Schnittstelle gelangen.
Bei der Unterlage wird dieser Schnitt vom Blatt in Richtung Wurzel geführt, bei der Edelsorte andersherum von der Wurzel zum Blatt. Doch Vorsicht: Keine Pflanze darf ganz durchtrennt werden. Jetzt werden die Schnitte so übereinander gebracht, dass sie deckungsgleich sind. Je besser die Übereinstimmung gelingt, desto höher ist die Anwachsrate! Die Schnittflächen fixiert man entweder mit Klammern oder mit Veredelungsband (Bleifolie, siehe Bezugsquellen) so fest, dass die Verbindung hält.
Die Kombipflanze wird nun mit beiden Wurzeln wieder eingepflanzt und durch einen Stab gestützt. Anschließend feuchtet man die Veredelungsstelle gut an (am besten sprühen) und bedeckt die ganze Pflanze mit einer Plastiktüte als Verdunstungsschutz. Hohe Luftfeuchtigkeit ist der Garant für den Anwachsprozess. Der Standort muss hell und warm sein, direkte Sonneneinstrahlung sollte aber vermieden werden.
Foto: Kleinworth | Foto: Kleinworth |
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Eine Woche lang hält man den Topf nun gleichmäßig feucht, danach kann die Tüte abgenommen werden. Die Veredelungsstelle sollte jetzt verwachsen sein. Nach zehn Tagen wird das Grün der Unterlage dicht an der Veredelungsstelle abgeschnitten (also der Trieb ohne Markierungsbändchen). Wer hier aus Versehen den falschen Trieb erwischt, hat sich umsonst bemüht. Eine weitere Woche später wird dann die Wurzel der Edelsorte (mit Bändchen) abgetrennt. Die Veredelung ist abgeschlossen.
Tomaten: Keramikstäbchen geben den Halt
Foto: Buchter-Weisbrodt
Tomaten werden aufgepfropft. Auch hier wird wieder die gewünschte Sorte vor der Unterlage ausgesät, damit Unterlage und Sorte zum Zeitpunkt der Veredelung gleich stark sind. Sind die Pflänzchen so weit, kappen Sie die Unterlage oberhalb der Keimblätter mit einem scharfen Messer oder einer Rasierklinge mit einem waagerechten Schnitt. (Vorsicht: Auf den Bildern wird unterhalb der Keimblätter gekappt, aber nur, weil die Pflanzen noch zu klein waren. Richtiger ist es, zwischen Keimblatt und erstem Laubblatt zu kappen und dort zu veredeln.)
Foto: Kleinworth | Foto: Kleinworth |
Foto: Kleinworth | Foto: Kleinworth |
Ein sehr nützliches Hilfsmittel sind die Keramikstäbchen, die Kiepenkerl gleich mit dem Unterlagen-Saatgut mitliefert. Drücken Sie so eines von oben in die Mitte des Sprossteils der Unterlage. Jetzt wird von der Wunschsorte ein Kopfsteckling genommen (Schnitt richtigerweise wieder zwischen Keimblatt und erstem Laubblatt). Auch hier wird mit scharfem Werkzeug ein waagerechter Schnitt durchgeführt. Dieses Kopfstück wird nun ebenfalls auf den Keramikstab aufgesetzt und bis zur Schnittfläche der Unterlage geschoben. Es soll eine möglichst deckungsgleiche Veredelungsstelle entstehen.
Fixieren Sie die Veredelung mit Klammern an einem Stab. Jetzt wird die Pflanze mit einem Wäschesprenger befeuchtet und mit einer Plastiktüte bedeckt. Der gewählte Standort ist gleich dem der Gurken. Hat die Veredelung geklappt, können die Klammern entfernt werden. Sie würden den Wuchs nur stören.
In Ihrem Gewächshaus können die neu entstandenen Pflanzen schon deutlich vor den Eisheiligen eingepflanzt werden. Haben Sie kein Gewächshaus, müssen Sie mit der Pflanzung im Garten warten, bis keine Fröste mehr zu erwarten sind.
Veredeln ist also eine Sache des Fingerspitzengefühls, nicht immer klappt es beim ersten Versuch. Wer allerdings erfolgreich veredelt hat, wird eine deutliche Verbesserung im Wuchs, in der Gesundheit der Pflanze und besonders im Ertrag feststellen. Ich drücke die Daumen!
Thomas Kleinworth
LV-Fachberater des Landesverbandes
Schleswig-Holstein der Gartenfreunde