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Multitalent Boden
Foto: Laubkötter Stadtböden sind von der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft und dem Bundesverband Boden zum „Boden des Jahres 2010“ ausgerufen worden. Ein nicht geringer Anteil dieser durch Siedlung und Industrie erschlossenen Böden präsentiert sich davon als Gärten.
Basis für Blütenwunder und reiche Ernte
Wenn sich vom Frühjahr bis zum Herbst viele dieser Gartenflächen bunt blühend und reich an verschiedenen Pflanzen zeigen, dann muss wohl der ernährende Boden die erste Ursache für Wachstum und Gedeihen sein. Der Boden scheint – so betrachtet – ein Multitalent zu sein.
Doch was stellt diese meist braunschwarze Erdmasse eigentlich dar? Ist der von uns immer wieder gründlich gepflegte Gartenboden eine ganz besondere Erde? Warum wächst aber dennoch nicht jede Pflanze überall gleich gut? Und wie sollte eine naturnahe, nachhaltig ausgerichtete Bodennutzung und -pflege im Garten betrieben werden?
Der Boden – das unbekannte Wesen
Über so elementar Wichtiges wie den Boden wissen viel zu viele Menschen erschreckend wenig. Selbst manch erfahrener Hobbygärtner kann seine eigene Erdscholle hinsichtlich der Entstehung und ihres heutigen Wesens kaum richtig beschreiben und beurteilen.
Ursprüngliche Bodentypen kennen oft nur noch studierte Bodenkundler – selbst die so einfach unterscheidbaren Bodenarten können nur wenige Bodennutzer vor Ort im Garten sicher unterscheiden. Es wäre schon sehr bodenfreundlich, wenn jeder Gärtner zumindest die typischen Eigenschaften seines kultivierten Bodens kennen würde, damit er seine Bodenpflege daran orientiert.
Boden selbst besteht erst einmal zu einem Viertel aus Wasser, zu einem weiteren Viertel aus Luft, 3–10 % sind organische Masse (Wurzeln, Mikroben, Tiere, Humus), und den Rest liefern die Mineralien des Ausgangsgesteins.
Im Laufe der Zeit verändert sich lebendiger Boden durch dynamische Wechselwirkungen. Je nach ortsgebundenem Ausgangsgestein (z.B. Kalkstein, Silikatgestein) entwickeln sich schwere, fette Böden mit hohem Tonmineralanteil oder nährstoffarme, grobsandige, leichte Böden. Die goldene Mitte zwischen diesen extrem unterschiedlichen Böden liefert Erdreich mit ausgeglichenen Eigenschaften. Solche Böden sind für Landwirtschaft und Garten ideal zu nutzen.
„Echte Typen“ von Menschenhand verändert
Foto: Laukötter Foto: Laukötter
In Mitteleuropa kommen mehr als 50 unterscheidbare Bodentypen vor. Davon sind die Braunerde, der Podsol, der Pseudogley, der Ranker und die Rendzina am ehesten bekannt.
Acker- und Gartenböden zeigen durch langjährige und oft tiefgründige Bearbeitung kaum noch Strukturen der früheren Bodenentwicklung. So werden alle Gartenböden inzwischen als ein von Menschenhand stark veränderter eigener Bodentyp, das Hortisol (Hortus = Garten, Solum = Boden), klassifiziert.
Kennzeichnend für den Gartenboden sind v.a. folgende Eigenschaften: sehr hoher Humusgehalt gleichmäßig verteilt bis in tiefe Schichten, gute Krümelstruktur und Durchwurzelbarkeit, hohe Nährstoffgehalte und gute kontinuierliche Wasserversorgung. Meist werden die ungünstigen Faktoren des ursprünglichen Bodentyps durch ausgleichende Pflegemaßnahmen dauerhaft verbessert.
Mit Fingerspitzengefühl die Bodenart erkennen
Foto: Laukötter Ob der Boden sand-, lehm- oder tongeprägt ist, lässt sich durch eine einfache Fingerprobe ermitteln. Wenn Sie Boden zwischen Daumen und Zeigefinger reiben, fühlt der Ta(e)ster von sandigen Böden grobe, scharfkantige Körner. Diese Probe schmirgelt die Haut und lässt sich niemals zu einer festen „Wurst“ formen.
Sehr tonreicher Boden ist dagegen geschmeidig, lässt sich bestens formen, und die in der Hand gerollte feste „Wurst“ glänzt an der Oberfläche. Eine Mischung aus Sand, Schluff (mittlere Korngröße) und Ton führt zu lehmigen Bodenarten. Lehm haftet an den Fingern als mehliger Staub. Der Sandanteil ist noch spürbar. Die Bodenmasse lässt sich kneten, ist aber in ihrer Konsistenz noch leicht brüchig.
Wer seine Gartenerde in einem zylindrischen Deckelglas mit Wasser kräftig aufschüttelt und danach die Partikel nach ihrer Schwerkraft absinken lässt, der kann an dieser Aufschichtung ablesen, wie hoch die Anteile von Sand, Schluff und Ton sind und wie viel sehr leichtes organisches Material sich als Humus oben auf der Schüttelprobe absetzt.
Bei Maßnahmen zur Gartenbodenverbesserung können sehr wasserdurchlässige Sandböden mit Ton- und Gesteinsmehl und wasserstauende Tonböden mit reinem Sand so vermischt werden, dass sich z.B. günstigere Wasserverhältnisse im Boden einstellen.
Hauptsache fruchtbar und vielseitig nutzbar
Foto: Laukötter Durch Pflügen, Graben, Fräsen, Grubbern und sonstige Kultiviermethoden wird der bearbeitete Boden radikal verändert und seiner gewachsenen Struktur beraubt. Aus einem vormals den Bodentyp charakterisierenden Bodenprofil wird eine mehr oder weniger homogenisierte Bodenmasse, die in der gesamten Bearbeitungstiefe oft gleiche Eigenschaften aufweist.
Alle Ansätze, den Boden – zumindest gewisse Ausgangsmerkmale – wieder herzustellen, werden mit dem nächsten Spatenstich wieder zunichte gemacht. Der so entstandene Gartenboden weist kaum noch unterscheidbare Merkmale auf, ist aber für nahezu alle gewünschten Nutzungsformen sehr gut geeignet.
Für sehr viele Pflanzen bietet er ziemlich optimale Wachstumsbedingungen. Im Vergleich zum natürlichen Waldboden bleiben jedoch grundlegende Unterschiede.
Nackt ist unnatürlich
Wer durch Wälder wandert, kann oft endlos über einen weichen Teppich von Laubresten laufen. Moospolster und morsches Totholz sind noch weitere Kennzeichen auf solch einer Wegstrecke. Allenfalls ein Maulwurf befördert vorübergehend etwas sichtbare Erde an die Oberfläche.
Natürliche Böden besitzen immer eine „Haut“ aus unterschiedlich weit abgebautem organischem Material. Hinzu kommen noch (zeitweise) Pflanzen und Pilze.
Meist wird nur eine wenige Zentimeter dicke Auflage des Bodens so gestaltet. Darunter ist der Abbau der organischen Substanz schon so weit fortgeschritten, dass feiner Humus mit Bodenpartikeln eine innige Verbindung eingeht.
Jede Menge Pflanzenwurzeln und etliche Wurmgänge sind weiter unten die auffälligsten Erscheinungen in einem strukturierten Bodenkörper. Der ist oft in der Tiefe heller gefärbt, weil sich die Humusstoffe noch nicht so tief nach unten verlagert haben.
Beim Gartenboden fehlt an vielen Stellen die besondere „Haut“ des Bodens, oder sie wird künstlich durch Mulchmaterial wieder ergänzt. Besonders Gemüsebeete sind vom Herbst bis zum Frühjahr häufiger nackt.
Der beim Waldboden belebteste Anteil des Oberbodens fehlt hier. Das ständige Umgraben beseitigt bodenökologische Ordnungen und verringert den Artenreichtum des aktiven Bodenlebens.
Sanft gärtnern mit Sauzahn und Kultivator
Foto: Laukötter Wer den natürlichen Boden als Vorbild für seinen Gartenboden nimmt, überlegt, welche Gartenbereiche generell nicht mehr umgegraben werden müssen und wo natürlicher Bestandsabfall bewusst liegen bleiben kann. In diesem bedeckten Ruheboden können unzählige Bodenorganismen Pflanzenreste zu nährstoffreichem Humus umwandeln.
Unter Bäumen, Hecken und Sträuchern kann der Boden so sein Eigenleben bewahren. Aber auch Wildblumenwiesen und dauerhafte Rasen- und Hochstaudenflächen, Kräuterbeete und von Bodendeckern ständig bewachsene Areale eignen sich für naturnahe Bodenentwicklung. Selbst intensiv genutzte Böden (Saatbeete, Gemüsekulturen) benötigen keine radikalen Bearbeitungsmethoden. Das Bodenmaterial, das obenauf gelegen hat, kann durch den Einsatz von Sauzahn oder Kultivator nahezu vollständig oben verbleiben. Hinreichend lockerer Boden lässt sich auch ohne Umgraben erreichen.
Damit sich in keiner Phase der Boden nackt präsentiert, sollten alle freien Flächen gemulcht oder mit Zwischensaaten und Gründüngungen bestellt werden. Halbreifer Kompost oder u.U. auch Rindenmulch lassen sich gut als Deckschicht des Bodens verwenden.
Gemulchte Bodenflächen sind vor Austrocknung und Winderosion geschützt. Sie reichern das Bodenleben stark an und liefern beim Abbau Nährstoffe. Außerdem verhindern mulchgedeckte Gartenflächen übermäßiges Auskeimen unerwünschter Beikräuter.
Typenerhalt erwünscht
In manchen Gärten sollen mitunter sehr unterschiedliche Kulturen auf kleinem Raum nebeneinander wachsen. An ein Heidebeet grenzt ein Moorbeet. Und ein kleines Alpinum mit steinigem Milieu ist die nächste Herausforderung. Im Gemüsegarten sind Teilbereiche nicht frisch gedüngt, damit Leguminosen (z.B. Bohnen und Erbsen) sich wohlfühlen, während Gurken und Kürbisse reichliche Düngergaben erhalten.
Mancher Gartenbesitzer schafft es tatsächlich, Sandböden für Heidekraut, Ginster und Grasnelke, Moorböden für Torfmoose, Wollgräser und Rhododendron, Kalkböden für Christrosen, Erdbeere und Mangold, saure Böden für Farne, Stechpalme und Hortensie und Mischböden für den Rest der Kulturen bereitzustellen.
Wer sich als naturnaher Gärtner versteht, wird die wesentlichen Merkmale seines Bodens erhalten wollen. So werden in lehmigen Böden nicht reine Sandbereiche eingebunden. Optimierungsmaßnahmen, vor allem zur Verbreiterung der Nutzpflanzenpalette, sind aber durchaus zu empfehlen.
Der Garten sollte aber als Ganzes seine Bodentypenherkunft nicht verleugnen. Vor allem die altbewährten Kulturpflanzen der Bauerngärten sind beste Anzeiger dafür, welche Pflanzen zum heimischen Boden passen. Wer allerdings mit vielen fremdländischen Pflanzen sowie mit anspruchsvollen Züchtungen seinen Garten bereichern will, der überfordert dann sogar ein Multitalent, wie es unser Boden ist.
Dr. Gerhard Laukötter,
Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW