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Veredeln: Erste Hilfe und neue Sorten für Obstbäume
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Nicht selten kommt es an Stämmen von Obstbäumen zu größeren Schäden – sei es durch Mäuse- und Hasenfraß, Krebsbefall, mechanische Verletzungen oder durch Frostrisse. Man kann es der Vitalität des Baumes überlassen, ob er den Schaden übersteht oder nicht. Passionierten Gärtnern fällt das aber schwer, und so suchen sie nach Möglichkeiten, dem Baum zu helfen.
Vereinfachtes Tittelpfropfen und seitliches Einspitzen
Zwei relativ einfache Methoden der ersten Hilfe, mit der man mit einer Art Bypass größere Wunden am Stamm überbrücken kann, sind das vereinfachte Tittelpfropfen und das seitliche Einspitzen. Die Bypässe überbrücken die Wunde und sorgen nach dem Anwachsen dafür, dass die blockierten Transportwege im Stamm zumindest teilweise wieder hergestellt werden. Je nach Größe der Wunde sind eine oder mehrere über die Wunde gelegte Brücken möglich und sinnvoll.
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Beide Techniken gelingen nur dann, wenn die Rinde des Baumes löst. Die Zeit kurz vor oder während der Blüte ist dafür gut. Auch eine Sommerveredelung, etwa im August, ist möglich. Während man bei der Frühlingsvariante kalt gelagerte Edelreiser benötigt, kann man bei der Sommervariante einjährige gut entwickelte Reiser direkt vom Baum schneiden, entblättern und dann unmittelbar nach dem Schneiden einveredeln. Ideal ist der mittlere Teil des Reises.
Die Länge des Veredelungsreises ergibt sich aus der Größe der Wunde. Die Veredelung erfolgt ins gesunde Holz, ca. 5–8 cm über und unter der Wundfläche. Da das Reis beim Einsetzen leicht gebogen wird, sollten einige Zentimeter dazugegeben werden.
Wenn nach einigen Wochen das Edelreis und der Stamm verwachsen sind, kann man vorsichtig damit beginnen, das Veredelungsband zu lösen.
Manchmal verheilen größere Wunden nach einigen Jahren von selbst, sodass die Überbrückungen (= Ammen) wieder entfernt werden können. Sie können aber auch bleiben und verwachsen dann oft mehr und mehr mit dem Baum zu einer Einheit.
Wichtige Grundregeln und Tipps für das Veredeln
Veredeln macht nur mit einem guten Messer Sinn und Spaß. Am besten ist ein Veredelungsmesser. Eine leichte Hippe hat eine etwas gekrümmte Klinge, ein Kopuliermesser eine glatte Klinge. Ist kein Veredelungsmesser vorhanden, eignet sich auch ein stabiles Taschenmesser ohne gewellten Schliff. Ein Pflasterverband am Daumen und dem ersten Finger der linken Hand (bei Rechtshändern) schützt besonders am Anfang vor Schnittverletzungen.
Foto: Neder Foto: Neder Alle Schnitte sollten sauber und fest mit einem scharfen Messer durchgeführt werden, damit die Rinde auch vollständig durchtrennt ist. Bei schon etwas dickerer Rinde ist hierzu etwas Kraft nötig. Mit Hilfe des Messers oder eines Holzstöckchens lässt sich die Rinde lösen. Es gibt auch Okuliermesser mit einem Rindenlöser auf der Klinge. Eine exakte Schnittführung erscheint auf den ersten Blick vielleicht recht schwierig, kann jedoch mit etwas Übung an weichen Weidenästen schnell erlernt werden. Übung macht auch hier den Meister.
Obwohl sich die moderne Baumpflege gegen den Einsatz von Wundverschlussmitteln ausspricht, greifen erfahrene Obstbauberater noch immer auf Wundverschlussmittel (mit Fungizid) zurück.
Wer sich nach dem Mond richten will, wählt die Zeit des zunehmenden Mondes, am besten in der Nähe des Vollmondes und an einem Fruchttag.
Reiser werden zur Zeit der absoluten Saftruhe (je nach Witterung von Mitte Dezember bis ca. Ende Januar) geschnitten und bis zum Zeitpunkt der Veredelung feucht-kalt (z.B. im Felsenkeller oder luftdicht in einer Folie eingewickelt im Kühlschrank bei 3–5 °C) aufbewahrt. Viele Vereine, Obstbauinstitute oder Lehrgärten bieten einen Reiserservice an. Hier können optimal gelagerte Reiser bestellt werden. Wer diese Möglichkeit nicht nutzen kann und Sorten des eigenen Gartens ohne Lagerung verwenden möchte, kann auf die Sommervariante des Rindenpfropfens ausweichen.
Neue Sorten veredeln: Pfropfen hinter die Rinde
Auf einen älteren Baum weitere Sorten oder einen Duo-, Trio- oder Mehrsortenbaum veredeln – das klappt am besten mit dem Pfropfen hinter die Rinde. Möglich ist z.B. die Kombination von Sommer-, Herbst- und Winterapfelsorten auf einem Baum, auch bei Kirschen kann eine frühe Sorte mit einer späten kombiniert werden. Auf eine Zwetschenunterlage lassen sich Aprikose, Mandel, Mirabelle, Pflaume und Zwetsche setzen.
Bei dieser Veredelungsmethode ist die Unterlage deutlich dicker als das Edelreis. Voraussetzung ist auch hier, dass sich die Rinde gut löst, was von Ende April bis Ende Mai zur Blütezeit der Fall ist. Beim Ansetzen des Messers am Pfropfkopf kann man dann ein deutliches Knacken vernehmen. Löst sich die Rinde schlecht oder nur unvollständig, wartet man noch einige Tage. Das Propfen ist, je nach Lösen der Rinde, auch im August und bis Anfang September noch möglich.
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Vor dem ersten Veredelungsschnitt muss die Krone des zu veredelnden Baumes gekappt (= abgeworfen, zurückgesetzt) werden, um geeignete Schnittstellen zum Einsetzen der Reiser zu erhalten. Wird nur ein Teil des Baumes veredelt, schneidet man nur einige Astpartien ab. Wirft man den Baum komplett ab, erfolgt dies am besten in pyramidaler Form. Einige sogenannte Zug-Äste müssen erhalten bleiben. Wenn nötig schneidet man unsaubere Schnittstellen mit einem Messer sorgfältig nach.
Der Pfropfkopf wird mit Veredelungsbast, Kunstbast oder Veredelungsband verbunden und anschließend rundum dünn mit einem Veredelungswachs (z.B. von Maywax) verstrichen. In gleicher Weise kann auch das Edelreis ganz verstrichen werden, zumindest aber die freiliegende obere Schnittfläche. Bei Veredelungsbast oder Kunstbast muss nach dem Anwachsen des Veredelungsreises der Bast mit einem scharfen Messer durchtrennt werden.
Chip-budding – Veredeln für Könner
Diese Methode wird auch Spanveredelung genannt. Der Chip bezeichnet ein Auge mit Holzschildchen, das genau passend zurechtgeschnitten in die ebenfalls zurechtgeschnittene Unterlage gesetzt wird. Veredelt wird auf einen jungen Wildling. Die Dicke des Wildlings sollte an der Veredelungsstelle (in etwa 20 cm Höhe) die Stärke eines Bleistiftes oder eines Kugelschreibers haben. Bei dickeren Unterlagen wählt man zum Veredeln besser die Variante des Pfropfens hinter die Rinde.
Foto: Neder Foto: Neder Foto: Neder Die Chip-Veredelung kann sowohl im Frühjahr (April/Mai) auf das treibende Auge als auch im Sommer auf das schlafende (d.h. nicht mehr austreibende) Auge angewandt werden.
Wer Unterlagen bestellt, kann sie entweder auf einem Beet auspflanzen oder auch eintopfen. Mit getopften Unterlagen gehen die Schnitte anfangs etwas leichter von der Hand. Werden die Unterlagen im Frühjahr bestellt, lässt man die Unterlagen am besten zunächst einwachsen und veredelt dann im Juli/August. Bei einer Frühjahrsveredelung z.B. im Mai treibt das Auge nach einigen Tagen oder Wochen an und bildet einen zügig wachsenden Trieb aus.
Bei der Veredelung im Sommer muss man auf den Austrieb bis zum nächsten Frühjahr warten.
Ist der Trieb etwa 10 cm lang, wird die Unterlage bis auf einen kurzen Stummel über der Veredelungsstelle abgeschnitten. Hieran kann man den neuen Trieb der Edelsorte anheften. (Vorsicht: Er bricht leicht!) Wird der Trieb größer, kann man ihn zusätzlich stäben. Im nächsten Jahr, wenn der Neuaustrieb aus eigener Kraft seine erwünschte Stellung beibehält, kann diese Stützhilfe direkt über der Veredelungsstelle entfernt werden.
Bezugsquellen
für Veredelungszubehör:
Hermann Meyer
Tel. 0 41 01/49 09-0
www.meyer-shop.de
Unterlagen und Zubehör:
Baumschule Wagner
Tel. + Fax 0 84 46/3 60
info@veredelungsunterlagen.de
Thomas Neder
Kreisfachberater im Landratsamt Coburg