- Gartenpflege
Obstgarten im Klimawandel
Wie Sie Ihren Obstanbau anpassen
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Dass Halbschattenlagen einmal die begehrtesten Standorte im Nutzgarten sein würden, stand bis zur Jahrtausendwende noch nicht im Fokus der Gartenplanung. Meist gab es zu wenige vollsonnige Gartenbereiche. Doch haben die vergangenen Sommer gezeigt, dass es nun eher an vor der Mittagshitze geschützten Beeten fehlt.
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Bei kurzlebigen Gemüsekulturen können Sie leichter reagieren, etwa durch Beetwechsel, Art- und Sortenanpassung, Beschattung und weitere Kulturverfahren. Bei langlebigen Kern- oder Steinobstbäumen und Beerensträuchern gestaltet sich das Ausprobieren, was am besten wohin passt, schwieriger. Anders als bei Arten, die nur wenige Monate vom Pflanzen bis zur Ernte brauchen, ist es auch nicht möglich, früher mit der Kultur zu starten, um die Winterfeuchtigkeit und die niedrigeren Frühlingstemperaturen zu nutzen, oder verstärkt Herbst- und Winteranbau zu betreiben.
Daher sollten Sie vorab klären, welche Art wie viel Hitze verträgt, wenig Wasser braucht, auch an schattigeren Plätzen Früchte ansetzt oder weniger unter Sonnenbrand leidet.
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Wasser sparen
Die Klimaveränderungen bringen höhere Sommertemperaturen, auch die Niederschläge verteilen sich anders – es gibt längere Trockenphasen. In manchen Regionen wurde das Gießwasser bereits in mehreren Sommern knapp. Diesem Mangel lässt sich auf zwei Ebenen begegnen: mit anderen Obstarten, die weniger Wasser brauchen bzw. längere wasserarme Phasen überstehen, und durch Maßnahmen, die das Verdunsten von Wasser minimieren. Spätestens jetzt muss Mulchen auch im Obstgarten selbstverständlich sein.
Klimagewinner
Wollen Sie in zunehmend heißen, sommertrockenen Regionen Obst ohne großen Bewässerungsaufwand kultivieren, rücken Arten ins Blickfeld, die bislang eher als Spezialitäten galten, etwa Quitte, Mispel und Speierling. Obstarten, die es im Sommer weniger lufttrocken und etwas feuchter bevorzugen, sind in trocken-heißen Lagen schwieriger vital zu erhalten. Dazu zählen Aronia, Haskap- oder Honigbeere, Heidelbeere und Kiwibeere.
Bei Obstarten, deren Früchte besonders unter Sonnenbrand leiden, müssen Sie erwägen, ob Sie zeitweilig beschatten oder bei Neupflanzung eine Stelle wählen können, die in der größten Mittagshitze im Schatten liegt. Stark unter Sonnenbrand leiden Stachelbeeren, Johannisbeeren, Himbeeren und Brombeeren, also die klassischen Obstarten, die ursprünglich am Waldrand wuchsen.
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Doch auch Pflaumen und etliche Apfelsorten können Verbrennungen auf der Schale zeigen. Beerensträucher lassen sich recht gut stundenweise mit großen Laken oder Vliesen beschatten, bei großen Obstbäumen sind Verluste von einigen besonders der Sonne ausgesetzten Früchten eher zu verschmerzen.
Wärmeliebende Arten
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Doch die wärmeren Winter bieten auch Chancen – Tafeltrauben gedeihen inzwischen bis Südskandinavien. Walnuss, Marone, Mandel, Aprikose, Pfirsich und Kaki können gleichfalls weiter gen Norden vordringen, in Weinbauregionen sind sie genau wie Feige und Indianerbanane bereits seit Jahren gut etabliert. An besonders günstigen Standorten können inzwischen auch Jujube, Granatapfel und Wollmispel im Freien überwintern. Viele Arten reagieren besonders in der Jugendphase empfindlich auf tiefe Wintertemperaturen, ertragen mit zunehmendem Alter aber mehr Kälte. Im Jugendstadium können Sie die Pflanzen noch mit wenig Aufwand schützen.
Ein Sonderfall ist die Aprikose mit einer Eigenschaft, die der Klimawandel noch verschärft: Die veränderten Kalt-Warm-Perioden und nicht die absolute Winterkälte werden gerade den Jungbäumen zum Verhängnis, wenn sie durch zweistellige Temperaturwerte im Januar bereits in Saftfluss kommen und danach nochmals deutliche Minustemperaturen herrschen. Solange sie noch in der Winterruhe sind, ertragen sie gut –20 °C. Erwischt der Frost die Bäume jedoch im Saftfluss, treiben sie zwar aus, sterben aber im vollbelaubten Zustand plötzlich ab. Dieses Phänomen wird Schlagtreffen oder Apoplexie genannt. Nördlich der Alpen sterben bei Neupflanzungen innerhalb der ersten zehn Jahre mehr als die Hälfte der Jungbäume an Apoplexie.
Kältebedürfnis
Infolge der zunehmend kürzeren Winter wird bei einigen Obstarten das Winterkältebedürfnis (Chilling) nicht mehr ausreichend erfüllt, sodass weniger Blütenknospen austreiben und der Ertrag zu niedrig ausfällt. Unter den Obstarten haben Süßkirschen ein besonders hohes Kältebedürfnis mit bis zu 1600 Kältestunden, wobei die Sorte ‘Schneiders Späte Knorpel’ am meisten Kälte braucht, ‘Bing’, ‘Burlat’ und ‘Lapins’ benötigen weniger als die Hälfte. Aprikosen und Pfirsiche kommen mit rund 800 Kältestunden zurecht, Pflaumen brauchen um 500 Stunden und Feige und Granatapfel gut 100. Inzwischen ist die geringere Dormanz (Austriebsruhe) ein wichtiges Zuchtziel, also, dass neue Sorten auch mit weniger Winterkältestunden gut fruchten.
Neue Krankheitserreger
Die zunehmende Erwärmung macht den Pflanzen auch im Hinblick auf Krankheiten und Schädlinge zu schaffen. Längst stimmt die Erfahrung von früher nicht mehr: „Der Winter putzt die Schaderreger weg.“ Im Gegenteil, es sind viele neue Schädlinge hinzugekommen, die bislang nur südlich der Alpen den Winter überlebten. Walnussfruchtfliege, Kirschfruchtfliege und Kirschessigfliege breiten sich kontinuierlich nach Norden aus – in Süd- und Mitteldeutschland gehören sie längst zum Obstalltag. Auch diverse Schildlaus- und Wanzenarten können immer besser überwintern und bereiten zunehmend Probleme.
Dies kann dazu führen, dass Sie Anbaumethoden und Sorten anpassen müssen. So kann die Kirschessigfliege den einfach zu kultivierenden Herbsthimbeeren derart zu schaffen machen, dass sich die Rückkehr zu den arbeitsintensiveren Sommerhimbeeren anbietet. Denn oft liegt deren Haupterntezeit noch vor dem massenhaften Auftreten der Essigfliege.
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Bei Herbsthimbeeren können Sie der Kirschessigfliege durch eine angepasste Ernteweise begegnen. Bis zu 20 winzige Maden pro Beere verflüssigen das Fruchtfleisch innerhalb eines Tages zu einer schleimigen Brühe, die Frucht wird ungenießbar. Werden jedoch täglich alle reifen Beeren gepflückt und sofort verarbeitet, verzögert das die Ei-Entwicklung. Essen Sie die Beeren in jedem Fall noch am selben Tag. Alternativen: Einfrieren oder zu Kompott, Saft oder Marmelade verarbeiten. Finden Sie bei der täglichen Ernte dennoch sichtbar befallene Früchte, ernten Sie sorgfältig alles „Verdächtige“ ab und vernichten es umgehend.
Dr. Helga Buchter-Weisbrodt