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Der Sommerschnitt bei Obstgehölzen
Unterschiede im Kronenaufbau
Foto: Vetter Während bei vielen Gartengehölzen der Schnitt dazu dient, dem Gehölz eine Form zu geben, wie z.B. bei den Formhecken, dient er bei den Obstgehölzen dazu, einen hohen und anhaltenden Ernteerfolg zu erzielen. Die Form des Baumes spielt bei den Obstgehölzen nur eine untergeordnete Rolle. Bei Buschbäumen oder Halbstämmen mit Gerüstaufbau erhält der Obstbaum bereits ab dem Jugendstadium durch den Pflanz-, Erziehungs- und Erhaltungsschnitt ein Astgerüst, das aus der Stammverlängerung mit dem Mitteltrieb, den Seitenleitästen, den Zweigen und Fruchtruten besteht.
Die heute vermehrt gepflanzten und erzogenen Spindelbüsche erhalten kein Astgerüst, die fruchttragenden Triebe entspringen direkt dem Mitteltrieb (wie bei einer Spindel). Ein solcher Baum ist klein und benötigt weniger Platz, sodass man auf einer Gartenfläche, auf der sonst wenige große Obstgehölze stehen würden, mehrere kleine Bäume pflanzen kann, die auch früher fruchten. Die Schnittmaßnahmen sind überschaubar und meist auch ohne Leiter möglich.
Schnittmaßnahmen zu jeder Jahreszeit
Die Praxis in den Obstanbaubetrieben zeigt, dass zu jeder Jahreszeit Schnittmaßnahmen bei Obstbäumen durchgeführt werden können. Der Winterschnitt erfolgt in der Regel im zeitigen Frühjahr vor dem Austrieb, der klassische Sommerschnitt, der auch als Johanni-Schnitt bezeichnet wird, schließt sich Ende Juni an, er kann sich aber bis Ende Juli erstrecken.
Der Belichtungsschnitt zur Qualitätsverbesserung beim Kernobst wird ab August vor der Ernte durchgeführt. Die Schnittmaßnahmen beim Steinobst erfolgen nach oder während der Ernte.
Für stärkere Korrekturmaßnahmen, die mit der Säge durchgeführt werden müssen, kommt die vegetationslose Zeit in den Monaten Dezember und Januar infrage. Dann sind an frostfreien Tagen die entsprechenden Schnitte durchzuführen.
Alle genannten Schnittmaßnahmen dienen dazu, ein ausgeglichenes Triebwachstum zu erhalten, man spricht von einem physiologischen Gleichgewicht, bei dem die Bildung neuer Triebe, die Anlage von Blütenknospen und der Fruchtbehang gleichermaßen gefördert werden.
Auswirkung des Sommerschnitts auf Wuchs und Ertrag
Im Juni bildet der Obstbaum seine größte Blattmasse mit einer hohen Assimilationsrate, die für eine enorme Wuchskraft sorgt. Daher ist jetzt der günstigste Zeitpunkt für den Sommerschnitt.
Zwei Hauptziele können wir dabei erreichen: Zum einen lässt sich das Triebwachstum begrenzen, wodurch die Bildung von Blütenknospen gefördert wird, zum anderen kann der Baum die Nährstoffvorräte besser ausnutzen, wenn Sie unerwünschte Neutriebe, die spätestens beim Winterschnitt beseitigt würden, frühzeitig entfernen.
Der klassische Sommerschnitt bei Formgehölzen, der so genannte Grünschnitt, der auch speziell beim Obstspalier unerlässlich für die Formgebung und Fruchtholzbildung ist, findet heute nur noch selten Beachtung. Die Obstspaliere sind in den Gärten fast ausgestorben, sie sind zu arbeitsaufwändig beim Schnitt und bei der Pflege.
Während der Winterschnitt oftmals zu einem verstärkten Triebwachstum („Holzfabrik“) führt, was sich negativ auf die Blütenknospenbildung auswirken kann, dämpft der Sommerschnitt eine anschließende Neutriebbildung, indem die Blattmasse und damit auch die Assimilationsrate reduziert werden. Speziell bei der Erziehung kleiner Baumformen sollte es unser Ziel sein, einen ruhig gestellten Baum zu schaffen, bei dem sich durch minimale Schnitteingriffe die Trieb- und Ertragszonen ausgeglichen verhalten.
Der richtige Zeitpunkt für den Sommerschnitt
Einen Termin für den Sommerschnitt hat die Natur selbst vorgegeben. Von Anfang Mai bis Anfang Juni wird das Längenwachstum der Triebe gefördert. Ab Mitte Juni verlangsamt es sich und wird durch das anschließende Dickenwachstum abgelöst. Nach dem Abklingen der ersten Wachstumsphase um Johanni (24. Juni) ist der geeignete Schnittzeitpunkt.
Wasserschosse und Konkurrenztriebe entfernen
Foto: Vetter Was gilt es jetzt zu schneiden? Haben sich im oberen Kronenbereich vermehrt senkrecht stehende Neutriebe, die so genannten Wasserschosse, gebildet, müssen Sie diese möglichst schon bei einer Länge von 20–30 cm komplett entfernen. Die noch unverholzten Triebe reißen Sie mit der Hand einfach aus der Rinde, man spricht daher auch vom Sommerriss.
Wer vorsichtiger zu Werke gehen möchte, der drückt den jungen Trieb mit den Fingern zunächst an die Basis, bis es geknackt hat, und danach in die entgegengesetzte Richtung: So löst sich der Trieb leicht von der Rinde. Sind die Triebe bereits leicht verholzt, müssen Sie sie schneiden. Die Schnittmaßnahmen können Sie auch noch im Juli vornehmen.
Wichtig ist es weiterhin, die Konkurrenztriebe zu entfernen. Schneiden Sie die Triebe ab, die zu dicht und zu steil stehen, die nach innen wachsen, die sich kreuzen, die andere Triebe beschädigen und die krank sind. Von Mehltau befallene Triebspitzen sind durch ihren weißen, pudrigen Belag und die leicht eingerollten, silbergrauen Blätter jetzt gut zu erkennen und leicht zu entfernen. Sie können die befallenen Triebe kompostieren, weil der Pilz nur am lebenden Material existieren kann.
Einer Überbauung ist durch einen gezielten Auslichtungsschnitt entgegenzuwirken, denn aus Schattenfrüchten lässt sich kein Qualitätsobst erzielen. Seitentriebe (oder Zweige) sollten möglichst nur halb so stark sein wie der Ast, von dem sie sich verzweigt haben.
Das Fruchtholz richtig behandeln
Foto: Vetter Zum Sommerschnitt gehört aber auch das Formieren, bei dem steil stehende Triebe in die Waagerechte heruntergebunden werden, um sie zur Bildung von Blütenknospen anzuregen. Eine wichtige Regel lautet: Fruchtholz, d.h. Fruchtsprosse, Fruchtspieße und Fruchtruten, dürfen niemals angeschnitten werden. Wenn Sie zu lange Ruten einkürzen wollen, empfiehlt es sich, diese auf Seitentriebe abzuleiten oder auf Blütenknospen zu begrenzen.
Beim klassischen Fruchtholz-„Schnitt“ des Obstspaliers werden die krautartigen Jungtriebe an den Seitenästen, die noch keinen Triebabschluss haben, eingekürzt. Entspitzen (pinzieren) Sie die 20 bis 30 cm langen Triebe auf zwei bis drei Blätter, um die Blütenknospen für das nächste Jahr anzuregen. Vereinzelt ist ein mehrmaliges Entspitzen erforderlich, sodass sich diese Schnittbehandlung bis Ende Juli hinziehen kann.
Die gesamten Sommerschnittmaßnahmen sind so angelegt, dass durch sie das unproduktive Holz in der Krone reduziert wird. Die verbliebenen Knospen, Triebe und Früchte profitieren von besserer Belüftung, mehr Licht und einem optimalen Nährstoffangebot.
Helmut Vetter
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