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Ausländer im Kleingarten – Gartenfreunde wie Du und ich
Foto: Tamme Yousef Shabo ist heute 73 Jahre alt und kommt aus dem Irak. Als er 1999 seinen Garten übernahm, machte er drei Kreuze unter dem Vertrag. Lesen konnte er ihn nicht. Sieben Jahre später ist Yousef immer noch Gartenfreund in einer kleinen Anlage in Lüneburg.
Als Yousef im Februar anfing, seinen Garten zu bestellen, wurde ihm sofort Hilfe angeboten, die er gerne annahm. Aber es wurde auch schnell deutlich, dass Yousef selbst etwas von der Gartenarbeit versteht.
Unterstützung erhält er manchmal von seinem Enkel Steven. Auch die anderen Familienmitglieder kommen in den Garten, in dem der Anbau von Obst und Gemüse noch eine große Bedeutung hat. Abends grillen und entspannen drei Generationen in der kleinen Parzelle oder spielen Konkan, ein Kartenspiel.
Nebenan bei Edib Kemo und seiner Frau Viyan gibt es in diesem Jahr frische Auberginen, Kürbisse und Paprika. Der warme Sommer machte es möglich. „Schön scharf müssen die Peperoni sein, dann sind sie richtig.“ Er lacht, während uns norddeutschen Gartenfreunden die Tränen in die Augen steigen.
Traditionen sollen bewahrt werden
Auch bei Becir Hadzicanovic aus dem früheren Jugoslawien, der seit über 20 Jahren Kleingärtner ist, wird nach getaner Arbeit gegrillt. Wie es sich gehört, gibt es zum Fleisch einen Slibowitz.
Yousef, Edib und Becir sind drei Beispiele für Gartenfreunde, die in ihrem Verein integriert sind. Nicht immer funktioniert es so gut. Auch nicht in dem Verein, in dem die ausländischen Gartenfreunde sagen, dass hier die Nationalität keine Rolle spielt. Zu unterschiedlich ist die persönliche Lage jedes Einzelnen.
„Integration kann nur gelingen, wenn man die kulturelle Situation eines jeden Migranten kennt und verstehen lernt,“ weiß Hans Senger, Präsident des Landesverbandes Niedersächsischer Gartenfreunde.
Aufklärung in der Muttersprache
In seiner Heimatstadt Hannover sind der Bezirksverband und die Stadt Hannover einen eigenen Weg gegangen. „Interkulturelle Öffnung des Kleingartenwesens in Hannover“ heißt das Projekt, das gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt angeboten wird. Interessenten aus anderen Ländern werden über die Bedeutung des Kleingartenwesens informiert, Fragen zur Pacht und zur Nutzung beantwortet.
Über die erste Hürde hilft ein Merkblatt, das auch in Türkisch und Russisch herausgegeben wird. Neugierig gewordene Zuwanderer erhalten Beratung beim Erwerb eines Gartens und über ihre Rechte und Pflichten, Ratschläge zur Bepflanzung, aber auch Hilfe im Konfliktfall.
Wir müssen aufeinander zugehen
Jaqueline Wolf, seit über 25 Jahren Ausländerbeauftrage in Lüneburg, wäre froh über solche Aktivitäten. Natürlich kennt sie Kleingärtner und auch die Kleingartenanlagen. Aber: „Direkte Kontakte hat es bisher nicht gegeben“, bedauert sie. Sie würde sich darüber freuen, wenn gemeinsam Angebote für die Migranten in der Stadt erarbeitet würden. Migranten, das sind übrigens alle Bürgerinnen und Bürger, die aus der ganzen Welt in unser Land eingewandert sind.
Vielleicht ist es möglich, überlegt Jaqueline Wolf, dass der Bezirksvorstand einmal in die Organisationen der Türken, Iraner, Deutschrussen und der anderen Länder geht und dort für ein Miteinander in den Kleingärten wirbt.
Nur wer die Kultur des anderen kennt, kann sie verstehen
Kleingärten sind ein Ort, an dem die Mitglieder jeder für sich ein Stück persönliche Entfaltung suchen. Dazu gehört auch, die eigene Kultur zu erhalten und zu leben, grenzenlos, denn Kleingärten haben keine Mauern.
Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) hat in seinem Leitbild verankert: „Das Kleingartenwesen bietet Raum für Mensch und Natur. Das beinhaltet veränderte Lebensbedingungen, unterschiedliche Lebensentwürfe und individuelle Vorlieben des Menschen. Jeder soll sich einbringen, entwickeln und entfalten können.“ Auf unsere ausländischen Gartenfreunde trifft dieses in besonderem Maße zu.
Viele Kleingärtnervereine weisen zu Recht mit Stolz darauf hin, wie viele Nationen in ihrer Anlage vereint sind. Insgesamt sind es in Deutschland mehr als 80 Nationen!
Aber die Vielzahl sagt noch nichts aus über die Zufriedenheit und das Zusammenleben im Verein. So mancher Vorstand arbeitet gewissenhaft, aber ob ihm die Integration der verschiedenen Kulturen wirklich gelingt? Professionelle Hilfe ist auch hier wichtig, und so sollten wir uns als Verbände und Vereine nicht dem Rat von Fachleuten verschließen.
Integration ist eine Arbeit der Bürgergesellschaft
Wertvolle Tipps geben auch verschiedene Veröffentlichungen in DER FACHBERATER, der Verbandszeitschrift des BDG. Besonders empfehlenswert ist der Leitfaden des BDG „Miteinander leben – Integration im Kleingarten“, der allen Vereinen zur Verfügung steht.
In ihrem Vorwort betont die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer: „Das gemeinsame gesellschaftliche Engagement von Einheimischen und Migranten ist entscheidend für die Integration. Integration ist eine Arbeit der Bürgergesellschaft, zu der wir Gartenfreunde einen wichtigen Beitrag leisten können. Bürgerinnen und Bürger überall im Land müssen aktiv werden.“
Entscheidend ist also, dass wir in unseren Vereinen etwas tun. Und hier haben sich Wegefeste, internationale Abende und andere Aktionen bewährt. Wir geben Migranten in unseren Gärten die Möglichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes neue Wurzeln zu schlagen.
Sicherlich läuft auch in den Vereinen nicht alles reibungslos. Sprachschwierigkeiten, mangelnde Teilnahme an Veranstaltungen und natürlich auch beiderseitige Vorurteile sind Probleme, die offen diskutiert werden müssen.
Die meisten Kleingärtner empfinden das Zusammentreffen von Menschen unterschiedlicher Herkunft in den Kleingartenanlagen aber als unproblematisch. Gefragt nach spezifischen Schwierigkeiten im alltäglichen Vereinsleben sagten über die Hälfte der Befragten: „Keine“.
300.000 Migrantinnen und Migranten sind im Kleingartenwesen aktiv. Eine imposante Zahl, die uns sagt, dass wir unseren Beitrag für die Integrationsarbeit leisten!
Joachim Roemer,
Landesgartenfachberater des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde