- Kleingartenwesen
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Ein Baustein der Grundversorgung
Kleingartenanlagen gehören zur Daseinsvorsorge wie Sportvereine
Foto: Roemer
Mit Daseinsvorsorge werden in der politischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion die Güter und Leistungen umschrieben, die für ein menschliches Dasein notwendig sind und die Grundversorgung sicherstellen. Dazu gehören z.B. öffentliche Einrichtungen wie das Verkehrs- und Beförderungswesen und die Ver- und Entsorgung (z.B. Gas, Wasser, Elektrizität, Abwasserbeseitigung). Dazu zählen aber auch Bildungs- und Kultureinrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Spielplätze, Jugend- und Senioreneinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe, Bäder usw.
Wo aber steht das Kleingartenwesen in dieser Daseinsvorsorge? Seine gesellschaftspolitische Bedeutung ist seit Langem anerkannt. Das Bundeskleingartengesetz als Pacht- und Kündigungsschutzgesetz ist unumstritten. Auch der Deutsche Städtetag hat den Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung des Kleingartenwesens zugestimmt. Nun ist es an der Zeit, dass Städte und Gemeinden Kleingärten zum Bestandteil ihrer Daseinsvorsorge machen.
In heutiger Zeit erlangen soziale Aspekte eine immer größere Bedeutung bei dieser Daseinsvorsorge. Die Belastung unserer Gesellschaft durch Leistungsstress, die Überalterung infolge der demografischen Entwicklung und die Notwendigkeit, Menschen aus anderen Kultur- oder Leistungsbereichen in unsere Gesellschaft zu integrieren, fordern Staat und Gesellschaft, stellen ihnen immer neue Aufgaben.
Kleingärtner verstehen sich als Teil dieser Gesellschaft und nehmen hier mit ihren über vier Millionen Mitgliedern und Angehörigen eine maßgebliche Rolle ein. Bewusst und unbewusst tragen sie zur Bewältigung vielfältiger Aufgaben bei.
Nicht nur unsere Funktionäre, sondern zunehmend Politiker, Führungskräfte der Verwaltungen, Sozial- und Naturschutzverbände, aber auch Ärzte und Therapeuten betonen, dass das Kleingartenwesen eine entscheidende Bedeutung für eine soziale Stadt hat, für Miteinander und Integration, für Klima- und Umweltschutz, für Gesundheit und Wohlbefinden der aktiven und passiven Nutzer.
Da wäre der nächste Schritt nur konsequent: die Anerkennung und Einbeziehung der Kleingärten und der Gartenfreundinnen und Gartenfreunde in die Daseinsvorsorge der Städte und Kommunen.
Privat organisierte Wohlfahrt
Staatliche Daseinsvorsorge kann durchaus privat organisiert werden. Wir haben uns heute aber daran gewöhnt, nach staatlichen Leistungen zu rufen. Der „Gewährleistungsstaat“, der alle Leistungen sichert, ist jedoch nicht finanzierbar und auch nicht sinnvoll. Staatliche Aufgabe ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, in der sich eine soziale Gesellschaft sozial engagieren kann.
In den vielen Epochen des Kleingartenwesens haben wir uns den jeweiligen gesellschaftspolitischen Herausforderungen angepasst. Wir haben zu Beginn Kindern das Spielen im Grünen ermöglicht, ihren Eltern einen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen der Industrialisierung geschaffen. In Notzeiten haben wir zur Versorgung der Bevölkerung beigetragen, später zur Integration von Flüchtlingen und dann der Migranten. Wir bieten Raum für das Erleben von Natur und aktive Beschäftigung im Alter. Damit ist das Kleingartenwesen mehr als alle anderen sozialen, kulturellen und sportlichen Angebote ein zeitgemäßes Angebot für jedermann.
Anerkennung einfordern
Wir haben das Recht, Politik und Verwaltung hieran immer wieder zu erinnern und unseren Platz in der Gesellschaft einzufordern. Dazu gehört vorrangig die Sicherung des Kleingartenbestandes. Das Bundeskleingartengesetz sieht hierfür die Ausweisung als Dauerkleingärten nach dem Baugesetzbuch vor. Es ist unverständlich, warum viele Anlagen diesen Schutz noch immer nicht erhalten, sondern stattdessen behandelt werden wie Baulandreserven.
Der Bedarf an Kleingärten muss von den Kommunen über Kleingartenentwicklungspläne gesichert werden. Dabei darf eine momentane Bestandsaufnahme (Leerstände etc.) oder die Betrachtung einer Entwicklung unter ungünstigen Voraussetzungen (z.B. Stadtfluchttendenzen, Naturentfremdung der nachwachsenden Generation) für die Bedarfsermittlung nicht ausschlaggebend sein. Insbesondere attraktive, langfristig gesicherte und zeitgemäß ausgestattete Anlagen, fußläufig in Wohnungsnähe gelegen, eingebunden in das Grünordnungskonzept der Kommune, müssen Ziel städtebaulicher Entwicklung sein.
Sozialen Beitrag leisten
Wenn wir Gartenfreunde solche Forderungen aufstellen, müssen wir Gegenleistungen anbieten und erbringen. Unser Beitrag für die Gesellschaft darf sich dabei nicht an dem bemessen, was wir sowieso bereit sind zu tun, sondern an dem, was die Gesellschaft von uns erwarten kann. Wenn der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde in seinem Positionspapier zum Verbandstag 2011 die Leistungen des Kleingartenwesens im städtebaulichen, ökologischen und sozialen Bereich, zum Klimaschutz und zur Gesundheitsvorsorge unterstreicht, dann ist es Aufgabe aller Verbände und Vereine mit ihren Mitgliedern, diese Leistungen auch zu erbringen.
Anlagen müssen als öffentliches Grün gestaltet und uneingeschränkt offen sein. Gärten müssen allen Menschen, ungeachtet ihrer geografischen oder sozialen Herkunft, offen stehen. Wir müssen Raum bieten für Alt und Jung, Angebote schaffen durch Spielplätze, Ruhezonen, aber auch gemeinschaftliche Veranstaltungen im Jahresverlauf. Und wir müssen unsere Gärten und Anlagen nach ökologischen Kriterien umweltschonend und nachhaltig bewirtschaften.
Förderung wie Sportvereine
Wir leisten unseren Beitrag vielfach ohne öffentliche Zuwendungen. Wenn wir aber im Sinne der Daseinsvorsorge öffentliche Leistungen erbringen – so durch die Pflege öffentlichen Grüns, durch Leistungen zum Umwelt- und Klimaschutz, für eine soziale Stadt –, dann müssen wir auch ein Anrecht auf eine institutionelle Förderung haben. So wie Sportstätten und kulturelle Einrichtungen seit Jahrzehnten unbestritten regelmäßig öffentliche Zuwendungen für ihre Leistungen zum Wohle der Gesellschaft erhalten, müssen auch wir Kleingärtner hier eine entsprechende Anerkennung für unsere Leistungen in der Gesellschaft erhalten.
Unsere Städte und Kommunen wären ohne das Kleingartenwesen sehr viel ärmer. Die öffentliche Hand müsste viele Leistungen mit hohem Aufwand – personell und finanziell – selbst erbringen. Erinnern wir die Vertreter unserer Räte und Verwaltungen immer wieder daran, und zeigen wir ihnen unsere Leistungen, die wir auch in Zukunft erbringen wollen.
Joachim Roemer,
Vizepräsident des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde