• Kleingartenwesen

Essbare Blüten, Kräuter und Wildobst

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Kleingärtnerische Vielfalt durch kleingärtnerische Nutzung

Vor gut 30 Jahren übernahm ich meinen Kleingarten. Von meinem Vater hatte ich gelernt, dass in einem Garten alles seine Ordnung haben muss. Das Spalierobst in Reihe, die Kartoffeln an der Schnur gepflanzt und das Gemüse wohlgeordnet im Beet. Auch die Rosen und Sommerblumen am Rand standen dort nach Maß.

Zier- und Nutzgarten - Blumen im GemüsebeetFoto: Roemer Blumen im Gemüsebeet – die Übergänge von Zier- und Nutzgarten verschwinden im bunten Nebeneinander. So streng geordnet zeigten sich damals viele Klein­gär­ten. Die Drittelnutzung war klar erkennbar, denn Obst, Gemüse, Zierpflanzen und der Rasen waren streng voneinander getrennt.

20 Jahre später, bei meinem ersten Landeswettbewerb, kam ich in einen Verein, bei dem ich einen ganz anderen Garten erlebte. Was zuerst wie verwildert aussah, entpuppte sich als Kräutergarten. Ver­schie­dens­te Kräuter standen dort einzeln oder in Gruppen verteilt, dazwischen kleine Obstbäume, Rosen und Stauden. Inmitten des bunten Nebeneinanders stand ein Stuhl – dort kreierte der Gartenfreund, ein Hobbykoch, seine Rezepte.


Blumen für den Esstisch

Inzwischen hat sich das Bild in Deutschlands Klein­gär­ten gewandelt. Was vor 15 Jahren noch zu den Ausnahmen gehörte, wird vielfach zur Regel. Angelika Feiner, Fachberaterin im Landesverband Bayern, weiß, warum: „Die Gärten sind nicht mehr wie früher, weil die Menschen nicht mehr so sind wie früher.“ Wir müssen uns auf Veränderungen einstellen und von klaren Ab­gren­zungen trennen.

Dabei gerät die kleingärtnerische Nutzung nicht in Gefahr. Die kleingärtnerische Vielfalt in unseren Gärten wird durch die kleingärtnerische Nutzung erst möglich. In meinem Garten begrünt im Frühjahr das Scharbockskraut freie Flächen. Wenn die Pflanzzeit beginnt, ist seine Zeit bereits wieder zu Ende. Dann habe ich dort Platz für Mangold oder Tagetes und andere Sommerblumen.

Der Trend, Gemüse in Blumenbeete zu pflanzen – oder umgekehrt –, hat auf vielen Gartenschauen die Besucher fasziniert. Im Küchengarten auf der Bundesgartenschau in Schwerin zierten Rotkohl, Blumenkohl und Artischocken die Blumenbänder, einträchtig neben Zinnien, Sonnenhut und Veronica.

Hartmut Brinkmann, Redakteur und Buchautor, hat seinen Garten mit Rosen gestaltet. Sein ganzer Stolz ist die Ramblerrose ‘Bobbie James’, die in seinem Kleingarten einen alten Pflaumenbaum erobert hat.

Die vielseitig verwendbare Königin unserer Zierpflanzen ist auch als Wildform eine Augenweide. Ihre Verwendungsmöglichkeiten für Marmeladen, Öle, Seifen und vieles mehr macht sie zu einer eindeutigen Nutzpflanze mit ausgesprochen hohem Zierwert.

Kleingärtner nutzen ihre Blumen heutzutage auch zur Garnierung auf dem Salat oder zur Dekoration im Softdrink. Essbare Blüten liegen im Trend. Dabei ist dies keine Modeerscheinung, sondern hat Tradition. Von vielen Kräutern wurden früher die Blüten genutzt, weil sie viel milder im Geschmack sind. Wahrscheinlich war es ein Produktions- und Kostenfaktor, dass die Verwendung der Blätter und Triebe die der Blüten ersetzten.

Auf diese Weise werden Gänseblümchen und Löwenzahn oder die Pflanzkästen mit Begonien und Pelargonien plötzlich zu dem Teil des Kleingartens, der dem Anbau von Obst und Gemüse und eben anderen Gartenbauerzeugnissen dient.


Buntes Nebeneinander

Der Garten wird zum Naschgarten. Die Zeiten, in denen ein Stück Land für die eigene Ernährung unverzichtbar war, sind für viele Menschen glücklicherweise Vergangenheit. Es gibt keine Trennung mehr von Zier- und Nutzgarten. Die Übergänge werden fließend, verschwinden im bunten Nebeneinander.


WaldmeisterFoto: Roemer Bodendecker sind eine Bereicherung für ­jeden Kleingarten – Waldmeister kann z.B. unter Süßkirschen gepflanzt werden.


So auch bei vielen Kräutern, die nur zu oft den Vornamen „Un“ tragen und sich vielseitig in der Küche verwenden lassen. Ich muss zugeben, Giersch grabe ich auch aus. Mit dem Spruch „Aufessen, nicht ausreißen“ komme ich in meinem Garten nicht mehr weiter, denn ausschließlich möchte ich mich nicht von diesem wuchernden Kraut ernähren. Also muss ich in jedem Frühjahr kräftig loslegen. Von der Vorstellung, ihn einmal aus meinem Garten zu verdrängen, habe ich mich verabschiedet.

Auch der Efeu hat ihn nicht verdrängt. Trotzdem hat sich das Pflanzen des Efeus gelohnt. Er ist nicht nur ein viel genutzter Nistplatz für meine Nützlinge. Grünfinken, Spatzen und Zaunkönig brüten hier wie in einer Geschosswohnung. Gleichzeitig trägt er zur kleingärtne­rischen Nutzung bei, denn seine Zweige dürfen bei keiner Tischdekoration fehlen.

Bodendecker sind eine gute Möglichkeit, auch die Flächen unter Bäumen und Sträuchern zu begrünen. Sie können nicht nur das „Unkraut Jäten“ ersparen und den Garten verschönern. Bodendecker können auch eine wunderbare Bereicherung sein. Waldmeister wächst etwa unter meiner Süßkirsche.

Mit dem Bärlauch hat es noch nicht so gut geklappt. Da werde ich mich noch ge­dulden müssen. Neidisch schaue ich im Frühjahr auf das Beet meines Nachbarn. Dort bildet die Pflanze einen geschlossenen Teppich, der stets eine gute Ernte und eine köstliche Bereicherung vieler Gerichte verspricht.

Im Schatten meiner Ziersträucher wächst das Maiglöckchen. Einen Nutzen hat es allemal. Das Sträußchen zum Muttertag, zur Konfirmation oder zum Pfingst­fest hat eine lange Tradition.


Wildobst für den Rand

Dass Wildobst zur kleingärtnerischen Nut­zung gehört, scheint selbstverständlich. Blüten und Früchte des Holunders sind begehrt. Sanddorn, Schlehe oder die essbare Vogelbeere liefern vitaminreiche Säfte und Marmeladen. Haselnüsse gehören auf jeden Adventsteller. Doch diese Gehölze sind eher etwas für die Randbegrünung einer Kleingartenanlage, denn sie werden nicht nur höher als die Gartenlaube, sondern vielfach auch sehr breit.

Damit nehmen sie im Kleingarten zu viel Platz ein, beeinträchtigen andere Nutzungen und können auch den Nachbarn stören. Kräftiges Schneiden geht meistens zulasten der Blüte und damit der Fruchtbildung. Wer dennoch im Garten nicht darauf verzichten möchte, muss nach schwach­wüch­si­gen Sorten suchen.


Der Nutzen als Leitmotiv

Kleingärtnerische Vielfalt zeichnet sich heute auch durch außergewöhnliche Gartenformen aus. Ein Japangarten, ein Feng-Shui-Garten oder ein klassischer Bauerngarten wird von ganz bestimmten Gestaltungselementen, Formen oder Pflanzen geprägt. Für eine Kleingartenanlage sind sie eine besondere Bereicherung. Ein spezielles Wissen ist dafür aber erforderlich, das man sich erst an­eig­nen muss.

Bei allen Trends zum individuellen Garten wird der „klassische“ Kleingarten weiterhin zu den bestimmenden Gartenformen gehören. Viele Mitglieder gestalten und nutzen ihn so, wie sie es bei ihren Eltern oder Großeltern gesehen haben. Bei aller Vielfalt müssen Kleingärtner eines ge­mein­sam haben: Sie müssen die Absicht haben, im Garten aktiv zu sein. Egal, welche Pflanzen gewählt werden, wie man sie anordnet – der Nutzen spielt dabei die entscheidende Rolle. Davon sollten Sie sich leiten und inspirieren lassen.

Joachim Roemer
Präsident des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde