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Rückblick Expertenforum 2011: Wieder da: Stängelprimel, Stielmus und Gartenmelde
Ein Meer üppig blühender Pflanzen empfing auch in diesem Jahr die Gäste, die zum fünften „Gartenfreund"-Expertenforum auf dem Kaldenhof in Münster gekommen waren. Mit dem Thema „Historisches Gemüse und Blumen – Vergessenes neu entdecken“ wollten die Firmen Volmary, Bruno Nebelung und der Verlag W. Wächter den Trend zum Traditionellen aufgreifen, der in letzter Zeit bei den Hobbygärtnern entstanden ist. Und so tauchten die Redner in die Vergangenheit ein, stellten alte, aber auch moderne Sorten vor, erklärten die Züchtungsarbeit und vieles mehr. Im ersten Vortrag drehte sich alles um die Tomate.
Foto: Verlag W. Wächter
Im Fokus: Resistenz, Wüchsigkeit und guter Geschmack
„Geliebtes Gemüse im neuen Gewand“ war das Thema von Raimund Schnecking von der Volmary GmbH. Er erläuterte, dass es alte Tomatensorten wie ‘Andenhorn’, ‘Ochsenherz’ oder ‘Schwarze Krim’ gebe, die mit interessanten Formen und Farben aufwarten würden, aber im Hinblick auf Krankheiten zum Teil problematisch seien oder vom Geschmack her nicht überzeugten.
Eine Aufgabe der Züchter sei es daher, alte Sorten weiterzuentwickeln. Ziel seien Tomaten, die gut schmecken, gut wachsen und gegen Tomatenkrankheiten resistent sind. „Man muss auch etwas ernten können“, so der Fachmann. Wenn dann noch ein besonderer Farbmix oder eine ausgefallene Wuchsform hinzukämen, wäre das ein echtes „Verkaufsplus“. Dafür werden alte Sorten z.B. mit neuen, resistenten Sorten gekreuzt, um die Merkmale beider Sorten bestmöglich zu kombinieren.
Foto: Verlag W. Wächter
Trend „Regional-Historisch“
Foto: Verlag W. Wächter
Die Bruno Nebelung GmbH hat für die kommende Saison ein neues Sortiment „Regional-Historisch“ entwickelt, das Miriam München, Produktberaterin bei Nebelung, vorstellte. „Damit wollen wir alte Sorten, die in bestimmten Regionen besonders beliebt sind, ins Blickfeld rücken“, erläuterte die Fachfrau. In das Sortiment wurden sowohl Sorten, die schon im Programm von Nebelung waren, aufgenommen als auch neue hinzugenommen. 73 Artikel umfasst die Serie, die in den Katalogen für 2012 (ab Januar erhältlich) zu finden sein wird.
Foto: Nebelung Zu den bereits bewährten Sorten gehören z.B. die Pastinake ‘Halblange Weiße’, das Stielmus ‘Namenia’, das besonders im Rheinland und in Süddeutschland beliebt ist, der Rettich ‘Runder schwarzer Winter‘ sowie der Porree ‘Bavaria’.
Neu aufgenommen wurden z.B. die Buschbohne ‘Brown Dutch’, eine traditionelle Sorte aus den Niederlanden. Außerdem dabei ist die Schalerbse ‘Blauwschokker’, eine schwarzhülsige, altbewährte Traditionssorte in Ostfriesland und den Niederlanden, die grüne Gartenmelde, die braunschalige Tomate ‘Sacher’ sowie die Akeleimischung ‘Biedermeier’.
Zierpflanzen im Wandel der Zeit
Foto: Volmary GmbH Damit befasste sich Volker Schevel, Produktberater Blumen bei Volmary. „Fast vergessene Blumenpracht – Bewährtes neu entdeckt“, lautete das Thema seines Vortrages. Er tauchte ein in die Zeit der Römer und Griechen, beschrieb die Bedeutung von Zierpflanzen im Mittelalter und landete abschließend in der Neuzeit.
Anhand zweier Pflanzengruppen erläuterte Schevel beispielhaft Veränderungen in den Sortimenten in den vergangenen gut 100 Jahren. In einem Katalog der Firma Benary, Erfurt, aus dem Jahr 1893 wurde eine Fülle von Levkojensorten vorgestellt: für den Winteranbau, für den Sommeranbau, gefüllte, weniger gefüllte … Die Levkoje war eine richtige Modepflanze. Heute findet man im Saatgutkatalog von Volmary gerade mal eine Topfsorte, eine Schnittsorte und eine Freilandsorte.
Zu einer umgekehrten Entwicklung kam es bei der Sonnenblume: Im Benary-Katalog von 1883 finden sich nur zwei Sorten, schlägt man den Katalog von Volmary auf, leuchten einem auf mehreren Seiten die vielfältigsten Sorten entgegen.
Weiterhin erläuterte Schevel z.B. die Entwicklung der Pelargonien (umgangssprachlich Geranien genannt) und zeigte, dass es – wie bei den Tomaten – wichtig ist, die Merkmale alter mit denen moderner Sorten zu verknüpfen. „Alte Sorten sind häufig viel schmächtiger als die modernen Sorten“, so der Fachmann. Er empfiehlt Nostalgikern daher: „Wählen Sie etwas Ähnliches wie die alten Sorten, z.B. statt ‘Marbacka Rose’ eine Sorte aus der Serie ‘Grandeur Classic’. Sie haben mehr davon.“
Foto: Volmary GmbH
Foto: Volmary GmbH
Am Beispiel von Primeln zeigte Schevel zudem auf, wie wichtig es ist, alte Sorten zu bewahren. „Während Kissenprimeln schon lange zum Sortiment jedes Supermarktes gehören, waren Stängelprimeln fast vergessen“, so der Fachmann. Vor ungefähr zehn Jahren hat Schevel die Gruppe wieder ins Sortiment genommen – entgegen der Meinung einiger Zweifler. Doch die Vorteile lägen auf der Hand, so Schevel: „Die Blüten schauen aus dem Pflanzgefäß heraus, sie bekommen nicht so schnell Grauschimmel, einige Sorten sind winterhart, z.B. Primula ‘Inara Fire’, und es gibt die Pflanzen mittlerweile in sehr schönen Farben.“
Gärtnern im Alter
Foto: Breder
Nicht über alte Pflanzen referierte Herbert Kleine-Niesse, Prokurist bei der Bruno Nebelung GmbH, sondern über betagte Gartenfreunde und wie sie sich das Gärtnern vereinfachen können. „Gartenglück bis ins hohe Alter“ lautete sein Vortrag. Dabei ging es um ganz praktische Dinge wie den Bau von Hochbeeten, um sich weniger bücken zu müssen, die Anlage kleinerer – und damit einfacher zu bewirtschaftender – Beeteinheiten (60–80 cm breit) mit Wegen drumherum bis hin zu Ruheplätzen im Garten für notwendige Verschnaufpausen.
Foto: Breder
Foto: Verlag W. Wächter
„Und auch mit der richtigen Pflanzenauswahl können Sie sich das Leben erleichtern“, so der Fachmann. „Wählen Sie robuste, widerstandsfähige Sorten, dann haben Sie weniger Arbeit und eine bessere Ernte“, erklärte er. Auch die Anwendung von Saatscheiben oder Saatbändern könne das Gärtnern erleichtern, da die Samen dann gleich schon den richtigen Abstand haben. Wichtig sei nur, dass die Saatscheiben oder -bänder ausreichend mit Feuchtigkeit versorgt würden, da das Papier wie Löschpapier fungiere und es nicht zu einem Austrocknen der Samen kommen dürfe.
Hat man größere Gartenflächen, die nicht mehr bewirtschaftet werden können, lassen sich dort z.B. Blumenwiesenmischungen einsäen. „Allerdings brauchen Wildblumen mageren Boden“, betonte Kleine-Niesse.
Für das Zusammenwirken in den Kleingärtnervereinen gab er noch folgende Tipps: „Schauen Sie, was Sie mit den Nachbarn zusammen machen können, teilen Sie die Arbeiten für Junge und Alte auf. Und führen Sie auch den Nachwuchs an den Garten heran.“
Historie des Gartenbaus
Um die Geschichte der Gärten und der Gartengeräte ging es in einem Vortrag von Henning Basse, Key Account Manager bei der Volmary GmbH. „Alles begann mit dem Sesshaft-Werden des Menschen“, erklärte er. Zu dieser Zeit säten die Menschen erstmals Saaten in Reihe. Die Flächen umgrenzten sie mit Gerten, woraus der Name „Garten“ entstand.
Weiterhin spannte er den Bogen vom Mittelalter bis hin zur Neuzeit. Im Mittelalter bauten Nonnen und Mönche Kräuter und Gemüse in den Klostergärten an. Es ging ihnen dabei ausschließlich um den Nutzen für die Ernährung und um die Heilkraft der Pflanzen.
Erst in der Renaissance-Zeit (15./16. Jahrhundert) wandelte sich die Gartengestaltung. Die reichen Fürsten gestalteten reine Ziergärten. In der nachfolgenden Barock-Zeit wurden z.B. die „Herrenhäuser Gärten“ in Hannover angelegt. „Die Anlage ist der größte Barockgarten Europas“, weiß Basse. Zu dieser Zeit brachten die Bauern ihre Produkte auf den Markt, es entstanden erste kleine Gärtnereien rund um die Städte. Vor 150 bis 200 Jahren seien dann die ersten Kunst- und Handelsgärtnereien aufgekommen, so Basse.
Die Erfindung der Gießkanne war für die Menschen damals eine große Erleichterung, mussten sie doch vorher alles mit Eimern gießen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden dann die ersten Kunststoffschläuche entwickelt, was die Bewässerung auch erheblich erleichterte. Dann kam der Pflanzenschutz auf. Gegen Pilzkrankheiten wurden z.B. Kupferpräparate eingesetzt, doch beim Ausbringen der Präparate waren die Menschen völlig ungeschützt. „Es kam zu vielen tödlichen Unfällen“, so Basse.
Mit der Zeit gab es immer mehr verschiedene Gartengeräte, die wir zum großen Teil auch heute noch kennen: Spitzschere, Astschere, Heckenschere, Klappmesser, Pikierholz, Buchsbaumschere, Hippe und vieles mehr … auf der folgenden Seite finden Sie weitere Bilder von den Gartengeräten aus den Beständen von Henning Basse, die er auf dem Expertenforum präsentiert hat.
Foto: Verlag W. Wächter
Foto: Verlag W. Wächter
Foto: Verlag W. Wächter
Foto: Verlag W. Wächter