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Gärten ohne Grenzen

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Gute Nachbarschaft braucht weder Zaun noch Hecke / Besucher genießen freien Blick


Ungehindert EinblickFoto: Roemer Zur Freude aller Spaziergänger gewährt dieser schöne Garten im Kgv. „Heidberg“ (Braunschweig) ungehindert Einblick Als Vorsitzender meines Vereins führte ich interessierte Gartenfreunde durch meine Anlage und zeigte ihnen freie Gärten. Sie waren angetan von der Lage des Vereins und von der Nähe zur Stadt. „Es ist wunderbar hier“, schwärm­te der junge Mann, „nur eins stört mich, die Zäune. Müssen die Abgrenzun­gen so sein, oder gibt es auch Gärten ohne Grenzen?“

Mich überraschte die Frage damals. So lange ich mich erinnern konnte, hatten die Gärten in meiner Anlage einen Maschendrahtzaun ringsherum: vorne eingewachsen in eine Hecke, damit er nicht so auf­fiel, zu den Seiten war er niedri­ger.


Sicherheitsgründe stehen im Vordergrund

Ich hielt einen Zaun für wichtig: um die Kaninchen abzuhalten. Und er gab mir auch ein Gefühl von Si­cherheit, dass mir keiner unbefugt in den Garten kommt. Allerdings hat er Einbrecher in all den Jahren nie abgehalten, und Kaninchen fan­den auch einen Weg hinein, wenn sie an mein Gemüse wollten.

Auch zur Sicherheit meiner Kinder war mir der Draht wichtig. Mein Nachbar hatte als Biotop einen Teich gebaut. Da sollten sie nicht hineinfallen. Und dann war es mir natürlich auch wichtig, dass ich auf meiner Seite sauber machen konnte.


Ein Blick in die Gartenordnung

Über Alternativen machte ich mir damals keine Gedanken. Unsere Gartenordnung ließ das auch nicht zu: Der Zaun zum Weg gehört zum Vereinsvermögen. Einen Meter hoch muss er sein, und ich habe ihn zu unterhalten. Der rechte Zaun zu meinem Nachbarn gehört mir: 80 cm hoher Ka­nin­chen­draht.


Wettbewerbe zeigen Möglichkeiten auf

Dass es auch anders geht, erlebte ich zum ersten Mal beim Landeswettbewerb 2001. Eine Anlage in Aurich präsentierte sich grenzenlos. Ich war überrascht.

Inzwischen sind mir häufiger Anlagen mit Gärten ohne Abgrenzungen aufgefallen. Keine Zäune, nicht einmal Hecken!

In Mönchengladbach, Braunschweig, Syke und an anderen Or­ten besichtigte ich Klein­gar­ten­an­la­gen, in denen man die Gärten scheinbar ungehindert betreten oder von einem Garten zum anderen wechseln konnte. Es war faszinierend. Die Parzellen wirkten großzügig. Der Blick in die Tiefe des Raumes vermittelte mir den Eindruck, dass jeder Kleingarten alles andere als ein kleiner Garten war. Und die Pächter wussten genau, wo ihr Garten zu Ende war.


Was sagen die Vereine?

Die Beispiele sind eine gute Gelegenheit, einmal „über den Gartenzaun“ zu schauen und die Vereinsvorstände nach ihren Erfahrungen zu fragen. Einige habe ich angeschrieben, und sie haben Folgen­des geantwortet:

Helmut Meyer vom Kgv. „Friede­holz“ in Syke bei Bremen schreibt, dass der Pachtvertrag seit Gründung des Vereins 1954 regelt, dass keine Zäune und Hecken gezogen werden dürfen. „Durch die offenen Gärten ist die Nachbarschaft hervorragend, kann man doch besser zusammen schnacken, und man sieht sofort, wenn der Nachbar mal Hilfe braucht.“ Vandalismus kommt dem­nach nur selten vor, und die Bevölkerung nimmt die Anlage am Rande der Stadt sehr gut an.

Ohne Zaun und doch klar begrenztFoto: Roemer Ohne Zaun und doch klar begrenzt: Gärten im Kgv. „Rheydt-Güdderath“ in Mönchengladbach Auch Achim Jacob vom Kgv. „Erholung Ost“ sieht es positiv. Zwischen 1980 und 1990 wurde ein Großteil der Zwischenzäune in der gut 82-jährigen Anlage in der säch­sischen Stadt Baut­zen abgebaut. Nachts ist die Kolonie allerdings von außen verschlossen.

Seit 1920 besteht die Anlage „Kamp Morgensonne“ mit 29 Gärten, 1500 m vom Zentrum der nie­dersächsischen Stadt Aurich entfernt. Hier können die Mitglieder selbst bestimmen, ob sie einen Zaun ziehen. Viele tun es nicht. Auch in diesem Verein spielt Van­da­lis­mus keine große Rolle, berichtet Walter Hellwig, Vorsitzender des Klein­gar­ten­bau­ver­eins für Aurich und Umgebung e.V.

Die gleichen Erfahrungen wurden im Kgv. „Rheydt-Güdderath“ in Mönchengladbach gemacht. „Die gute Nachbarschaft macht Zäune und Hecken überflüssig“, sagt der Vorsitzende Alfred Birkenheuer.

Die Anlage Kgv. „Heidberg“ liegt in einer Braunschweiger Parkanlage. Auch hier wurde bei Gründung des Vereins 1971 im Pachtvertrag und in der Gartenordnung festgelegt, dass Hecken und Zäune nicht erlaubt sind. Groß ist hier das Interesse der Bevölkerung, denn der Verein lockt mit Streuobstwiese, Bienen- und Kräuterlehrpfad. Das nachbarschaftliche Miteinander unter den 65 Mitgliedern ist sehr gut, betont der Vorsitzende Hans-Peter Krebs.

„Alles in Ordnung“, schreibt auch Norbert Winterhoff vom Kgv. „Schwa­nensee“ in Peine. Auch die­ser Verein war von Anfang an gren­zenlos. Auf die Frage, ob seitens der Mitglieder der Wunsch besteht, Hecken zu pflanzen oder Zäune zu ziehen, gibt es ein kurzes „Nein.“

Grenzenlos im Grünen wandelnFoto: Roemer Auch im Kgv. „Friedeholz“ in Syke kann man grenzenlos im Grünen wandeln In der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Garding liegt der gleich­namige Verein mit 50 Gärten. Gün­ter Schlicht berichtet, dass zur na­hen Bundesstraße eine Hecke als Lärm­schutz gepflanzt wurde. Zwischen den Gärten gibt es keine Zäune. „Es besteht hier kein Bedarf“, so Schlicht, „Wir haben reine Nutzgärten. Anpflanzungen dürften nur im Einvernehmen mit dem Gar­ten­nach­barn erfolgen, da unterbleiben sie gleich ganz. Vandalismus und Einbrüche sind bislang glücklicherweise unbekannt, obwohl die Anlage immer frei zugänglich ist.“

Gute Erfahrungen kommen auch vom Kgv. „Wildwux“ in Hamburg. Maria Tazber leitet den kleinen Verein im Stadtteil Eimsbüttel. „Wir haben einen großen gemeinsamen Garten mit zugeteilten Par­zel­len. Ohne Zäune gibt uns das Ge­lände ein Gefühl der Weite, und schließlich sind wir zum Schrebern hier und nicht, um uns mit einem Mäuerchen zu umgeben“, schreibt sie. „Kinder brauchen immer ein we­nig Zeit, um die Grenzen zu erkennen, die durchaus durch Wege und Pflanzen markiert sind. Solange nichts kaputt geht, dürfen sie auch über alle Parzellen laufen.“


Die Erfahrungen sind positiv

Diese Beispiele, die sich sicherlich noch fortführen ließen, zeigen: Gär­ten ohne Grenzen sind kein Einzelfall, und die dortigen Pächter haben kaum andere Probleme als in Anlagen mit eingezäunten Parzellen. Im Gegenteil: „Wenn ein gu­tes Einvernehmen herrscht, braucht man sich nicht ab- oder einzugrenzen“, so Maria Tazber.

Ein guter Grund, darüber nachzudenken, ob wir unsere Anlage auch grenzenlos gestalten sollten – für eine gute Nachbarschaft und um unseren Besuchern einen attraktiven Kleingärtnerverein zu präsentieren.

Joachim Roemer,
Vizepräsident des Landes­verbandes Niedersächsischer Gartenfreunde