- Kleingartenwesen
Kleingärten für alle?
Gartennutzung und Parzellen für jeden Bedarf
Foto: Thomas Wagner, BDG
„Gärten für alle! Jeder, der will, soll einen Garten bewirtschaften können.“ Das ist unsere Maxime. Aber können wir dieser auch gerecht werden? In der Oktoberausgabe 2014 unserer Verbandszeitschrift „Gartenfreund“ wurden im Editorial und in der Rubrik „Kleingartenwesen“ Gedanken und praktische Beispiele zu diesem Thema entwickelt und geschildert. Was verbirgt sich aber hinter diesen Ausführungen?
Genauso vielschichtig wie die Gesamtbevölkerung ist unsere Gartengemeinschaft. Es gibt Junge, Alte, Arbeitende, Arbeitsuchende, Rentner, wirtschaftlich und sozial Starke und Schwache, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund oder auch Flüchtlinge. Alle sollen Platz und Raum in unseren Gärten finden!
Jede dieser Personen hat ganz persönliche Vorstellungen von seinem Garten und dem Leben im Garten. Leben im Kleingarten bedeutet aber immer auch Zusammenleben in einer Gemeinschaft. Dies erfordert in einem gewissen Umfang Regeln, vor allem aber Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme. Eine wichtige Rolle spielen hierbei die Gartengröße, die Gartengestaltung sowie die Gartennutzung, die sich aus der persönlichen Situation ergibt.
Ein junges Paar, beide berufstätig – ohne feste Arbeitszeiten –, fragt: „Wann soll ich den Garten bearbeiten?“ Einfach wäre es nun zu sagen: „Wenn ihr Zeit habt!“ Das aber beeinträchtigt vielleicht die Nachbarn, die nach einem oft langen, anstrengenden Berufsleben ihren Ruhestand genießen wollen.
Rücksicht durch Gartengeräte
Welche Möglichkeiten bieten sich nun? Ich lege einen Rasen an, dann habe ich weniger im Garten zu tun, muss aber noch den Rasen mähen. Zum Ausruhen, als Sitz- und Liegemöglichkeit genügt oft eine kleine Fläche, die ich mit einem mechanischen Handrasenmäher kurz halten kann. So verschaffe ich meinem Körper Bewegung und vermeide Lärm. Ein Teil der Rasenfläche kann extensiv als Blumenwiese gestaltet werden. Neben einer Arbeitsersparnis schaffe ich so auch noch ökologisch wertvollen Lebensraum. Der notwendige Anbau von Obst und Gemüse kann und muss weitestgehend ohne negative Auswirkungen auf die Nachbarschaft erfolgen.
Frei wachsende Sträucher können, genauso wie Obstgehölze, mit einer normalen Rosenschere und Handsäge geschnitten werden. Eine mit Benzinmotor oder elektrisch betriebene Heckenschere ist nicht nötig. Lärm wird vermieden, und auch hier habe ich Bewegung an der frischen Luft. Die Pflanzen danken es mit einem reichen Blütenflor, im Gegensatz zu den leider oft unnatürlich (möglicherweise rund) geschnittenen Sträuchern.
Eine Formhecke am Hauptweg kann ich z.B. ebenfalls mit einer Hand-Heckenschere schneiden. Ist die Hecke zu lang und möchte ich ein motorbetriebenes Werkzeug verwenden, muss ich mich selbstverständlich an die Ruhezeiten halten.
Foto: Gardena
Für jeden Bedarf ein Garten
Familien mit Kindern sind in unseren Gärten willkommen, auch wenn Kinder Lärm verursachen. Für Kleinkinder sind der Aufenthalt und das Spielen im Garten selbstverständlich. Für sie müssen kleine Geräte und Spielmöglichkeiten vorhanden sein. Hierzu können dem Kindesalter entsprechende Spielgeräte für eine gewisse Zeitspanne aufgestellt werden.
Größere Kinder nutzen schon die Gesamtanlage und die dort vielfältig vorhandenen Spielbereiche. Sie finden dort Gemeinschaft, Erfahrungsraum, Naturerlebnisse und dürfen auch einmal Fehler machen. Die hierbei vielleicht auftretenden „blauen Flecke“ sind zu verschmerzen und gehören zur Lebenserfahrung.
Ein älterer, alleinstehender Gartenfreund möchte oder kann seinen Garten nicht mehr so bewirtschaften, wie er es sich wünscht und wie es auch erforderlich ist. Er benötigt nicht mehr so viel Obst und Gemüse wie früher. Er möchte den Garten im guten Zustand halten und sich im und am Garten erfreuen.
Gibt es in der Anlage einen Menschen mit ähnlichen Wünschen und in ähnlicher Situation? Was spricht dagegen, dass sich diese beiden einen Garten teilen? Vielleicht kann man auch die Gartenflächen verkleinern, weil z.B. das Vogelschutzgehölz oder der Bienengarten erweitert werden soll. Sucht der Verein evtl. nach einer Gemeinschaftsfläche, die er für die Gymnastikgruppe nutzen will?
Ein Garten kann auch so verkleinert oder geteilt werden, dass zwei kleinere Gärten entstehen, die dann an zwei Interessenten vergeben werden können. Ein Garten behält die vorhandene Laube. In dem anderen Teil kann eine neue Laube errichtet werden. Es besteht auch die Möglichkeit, eine vorhandene Laube so aufzuteilen, dass sie von zwei Personen genutzt werden kann. Ideen sind gefragt.
Eine Gruppe junger Menschen sucht einen Garten, den sie gemeinsam nutzen kann, um gesundes Gemüse und Obst anzubauen. Sie möchten ihre Lebensphilosophie „Ich will wissen, was ich esse, und das muss gesund sein“ umsetzen. Eine Person ist als Pächter verantwortlich und der Ansprechpartner des Vorstandes. Hiermit öffnen wir uns einer neuen Interessengruppe. Vielleicht wird in der Anlage ein Garten frei, und eine Person dieser Gruppe sagt: „Darauf habe ich gewartet. Ich möchte eine größere Gartenfläche für mich und meinen Partner und übernehme den frei gewordenen Garten.“
Mit Vielfalt in die Zukunft
Drei wichtige Gesichtspunkte müssen aber bei allen Überlegungen Berücksichtigung finden:
- Die ökologische Gartenbearbeitung und Gartenpflege ersetzt nicht die Gartenarbeit. Wenn wir aber auf die ökologischen Zusammenhänge von Bodenbearbeitung, Pflanzenauswahl, Pflanzenpflege oder den natürlichen Helfern Rücksicht nehmen, erleichtern wir uns die Arbeit. Hier ist auch die Fachberatung gefordert.
- Das Zusammenleben im Garten verlangt auch Regelungen. Die müssen überzeugend an die Gartenfreunde herangetragen und kontrolliert werden. Hier sind alle Vorstandsmitglieder/Vereinsmanager gefordert.
- Die Rahmenbedingungen des Bundeskleingartengesetzes als Schutzgesetz müssen erhalten werden und dürfen nicht aufgeweicht werden. Sie bilden ausreichend Spielraum für die geschilderten Möglichkeiten, den wir mit unseren Ideen ausfüllen müssen.
Dies sind Anregungen für die Weiterentwicklung und Zukunftsfähigkeit unseres Kleingartenwesens. Vieles braucht Zeit, manches auch viel Zeit. Denken wir nur einmal an die Umsetzung der ersten ökologischen Vorhaben.
Was heute für uns kaum vorstellbar ist, ist übermorgen möglicherweise Wirklichkeit. Unsere Gärten werden sich verändern. Sie werden bunter und vielfältiger. Wenn wir uns darauf einlassen und die Eckpfosten des Bundeskleingartengesetzes beibehalten, dann haben wir wirklich Kleingärten für alle.
Wilhelm Spieß
Vorsitzender des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner