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„Wir kriegen das wieder hin!“

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Wiederaufbau nach dem Juni-Hochwasser 2013


Juni-Hochwasser 2013Foto: privat Wie hier in Halle wurden deutschlandweit ca. 20.000 Kleingärten überflutet.


Langsam, aber unaufhaltsam begräbt die braune Brühe der Elbe die Parzelle von Daniela Philipp unter sich. Dabei hatte sie ihren Garten erst neu angelegt –  farbenfrohe Pflanzen und ein kleiner Teich machten aus ihrem Garten ein kleines Paradies. Nur einen Sonntag lang kann die Verkäuferin das genießen. Dann kommt das Wasser.

„Als ich sah, wie meine Parzelle unter Wasser stand, musste ich weinen“, erinnert sich Daniela Philipp. Die 36-Jährige will aufhören, alles hinschmeißen und ihren Kleingarten abgeben. Immerhin ist sie jetzt in elf Jahren das vierte Mal Opfer von Hochwassern geworden. Schon nach der Flut 2002 musste sie ihre Laube komplett neu aufbauen.

Dass die Parzelle von Daniela Philipp heute schöner aussieht als vorher, das ist nicht nur der Liebe zu ihrer Parzelle zu verdanken, sondern auch einer Welle der Hilfsbereitschaft, die sich im Juni 2013 unter den Gartenfreunden ausbreitete.


20.000 zerstörte Kleingärten

Wie Daniela Philipp erging es vielen Gartenfreunden – nach Schätzungen des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde (BDG) wurden insgesamt  ca. 20.000 Kleingärten überflutet. Zerstörte Lauben, unterspülte Wege, eingegangene Pflanzen – alles bedeckt von einer Schlammschicht: Wie schon beim „Jahrhundert­hoch­wasser“ 2002 mussten viele Pächter wieder bei Null anfangen.

Auch Carola Spitzl, Fachberaterin des KGV „Elbaue“ in Heidenau bei Dresden: Die gelernte Gärt­ne­rin hat sich in mühevoller Arbeit einen prächtigen Kleingarten geschaffen. Ihr besonderer Stolz: ein Beet mit alpinen Stauden. Um diese Rari­täten im schweren Boden der Elbauen an­zuziehen, musste sie den Boden verbessern und sogar eine Drainage verlegen.

Bereits 2002 wird sie dann das erste Mal Opfer des Hochwassers, seitdem weiß sie, bei welcher Pegelhöhe ihre Parzelle in Gefahr ist.


Retten, was zu retten ist

Trotzdem: Zwei Tage vor dem Hochwasser im Juni 2013 denkt sie noch nicht daran, dass sie erneut der Flut zum Opfer fallen könnten. „Wir hatten Stadtfest, auch die Kleingärtnervereine stellen sich dort vor, über das Wasser habe ich mir keine Gedanken gemacht“, erzählt Spitzl.

Das ändert sich, als sie und ihr Ehemann Peter am nächsten Morgen von ihrem Ra­dio geweckt werden. „Dort sagten sie die Pegelstände der Elbe durch. Da bin ich hochgeschreckt, und ich habe zu meinen Mann gesagt: Wir müssen was tun!“

Da ihr Mann zur Arbeit muss, helfen Bekannte, die Laube auszuräumen. Sie hat Glück, findet einen Platz, wo sie ihr Inventar unterstellen kann.

Einen Tag später, am 4. Juni, kommt es – zuerst dringt Grundwasser durch den Boden. „Es tat mir weh, als ich sah, wie die Stauden absaufen.“ Nach zwei weiteren Tagen steht die Elbe 2,15 m hoch auf ihrer Parzelle.

300 km weiter nördlich, bei Daniela Philipp in Tangermünde (Sachsen-Anhalt), sieht es nicht viel besser aus: Hier steht die Elbe fast 2 m hoch auf der Anlage des Vereins „Im Tangergrund“. Auch Daniela Philipp hat noch das Glück, ihre Habseligkeiten aus der Laube retten zu können. Doch das Kostbarste ist ihre Laube, und die kann man nicht mitnehmen.

Im „Tangergrund“ werden 50 der 52 Par­zellen überflutet. Wie in Heidenau steht auch hier das Wasser tagelang auf der Anlage  – für die Pächter eine zermürbende Warterei. Nur langsam weicht es Zentimeter für Zentimeter zurück.


Schwarzer Rasen


HochwasserFoto: Spitzl Die Parzelle der Familie Spitzl nach dem Hochwasser, die grauen Verfärbungen zeigen, wie hoch das Wasser stand.


„Die Laube war zerstört. Der Rasen war schwarz, die neuen Blumen, die Koniferen, das Gemüse – alles war kaputt, alles musste raus. Allein hätte ich die Flinte ins Korn geworfen“, berichtet Daniela Philipp. Doch der  Vereinsvorsitzende Tom Schnur macht ihr Mut: „Wir kriegen das wieder hin!“ – und er sollte recht behalten.

Denn die Gartenfreunde im „Tangergrund“ helfen sich gegenseitig dabei, aus dem Chaos wieder eine grüne Oase zu schaffen. „Es ging Hand in Hand, wenn einer nicht weiterkam, hat der andere geholfen“, so Philipp. Gemeinsam werden erst die höher gelegenen Parzellen, von denen das Wasser schon abgelaufen ist, in Angriff genommen: Schlamm wird weggespült, Sperrmüll ge­sam­melt. Gemeinsam folgt man dem zurückweichenden Wasser, um Tag für Tag, Parzelle für Parzelle, die Spuren des Hochwassers zu beseitigen.

Auch im  KGV „Elbaue“ lassen sich die Kleingärtner nicht entmu­ti­gen. Kurz nach der Flut gibt es eine außerordentliche Mitglieder­versammlung: Der Vorsitzende Rainer Neumann fragt die Mit­glie­der, ob sie überhaupt weitermachen wollen. „Als sofort alle die Hand gehoben haben, das hat mich beeindruckt“, erinnert er sich. Nur ein paar Pächter geben auf, die anderen wollen weitermachen. Zu sehr hängen sie an ihren Gärten, Lauben, Nachbarn und Freunden. Gemeinsam rücken die Gartenfreunde die weggespülten Lauben wieder an ihren Standort. Pflanzen werden ge­setzt, Lau­ben saniert, Wege neu gemacht. „Jeder kennt jeden und jeder hat geholfen“, so Neumann.

Carola Spitzl will erst aufgeben, doch ihr Mann ermutigt sie: „Wir schaffen das!“ So macht das Ehepaar weiter - zu sehr hängen sie an ihrer Scholle. „Der Kleingarten ist mein Seelenheil, man vergisst alles um sich herum, wenn man dort ist, außerdem sind mir die sozialen Kontakte wichtig.“


Schöner als vorher

Das Wasser ist noch nicht ganz abgelaufen, da machen sich die Spitzls ans Aufräumen. Müll und Schlamm müssen weg, der Zaun neu gesetzt, die Laube gedämmt und das Dach neu verlegt werden. „In Gummistiefeln haben wir Geschirr mit Grundwasser und Desinfektionsmitteln ab­ge­wa­schen.“ Anschließend werden die Pflanzen zurückgeschnitten. Zwei Monate später blühen als erstes die Rosen. „Es wurde wieder grün, das war schön.“

Auch bei Daniela Philipp ist mittlerweile der Garten wieder herge­stellt. „Es sieht schöner aus als vorher, da haben wir aus der Not eine Tugend gemacht!“ Die Laube soll im Frühjahr fertig renoviert werden.

HochwasserFoto: spitzl Die Laube der Familie Spitzl nach dem Wiederaufbau.

 

Angst vor der nächsten Flut

Nach dem Hochwasser müssen einige Pächter ihre Gärten auf­ge­ben, Daniela Philipp stellt sich den Schwierigkeiten des Wieder­auf­baus. Sie möchte nicht auf ihren „Ruhepol“ verzichten, Trotzdem: Sie hat sie Angst davor, dass das Wasser wiederkommt. „Fünf Jahre Ruhe, da wäre ich schon zufrieden.“

Auch Cornelia Spitzl blickt wenig optimistisch in die Zukunft: „Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass das Wasser wiederkommt. Ich möchte das nicht wieder haben, trotzdem bauen wir dann wieder auf“, sagt sie. Und dafür hat sie vorgesorgt: Zusammen mit ihren Ehemann hat sie ihre Laube so kons­tru­iert, dass sie nach einer Überschwemmung jetzt einfacher und schneller wieder aufgebaut wer­den kann.

sök

Über den Neuanfang eines Vereins nach einem Hochwasser 2011 in Rostock berichten wir unter www.gartenfreunde.de/flut-mv