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Integration, Bildung und Gesundheit
Foto: Wagner, BDG Man sieht es ihnen auf den ersten Blick nicht an; meist macht man sich als Außenstehender auch keine Gedanken darum: Kleingärten sind eine bedeutsame Sozialeinrichtung der Städte und Gemeinden in unserem Lande. Nicht ohne Grund sind Kleingartenanlagen durch ein besonderes Bundesgesetz, nämlich durch das Bundeskleingartengesetz (BKleingG), in Bezug auf die höchstzulässige Pacht und einen besonderen Kündigungsschutz vom Gesetzgeber geschützt worden. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Artikel 14 des Grundgesetzes rechtfertigt nicht nur diese Sonderbehandlung der Kleingärten unter sozialen Aspekten, sondern sie gebietet sie.
Den Mitgliedern und der Gesellschaft verpflichtet
Aus dieser Sonderbehandlung ergeben sich für die Kleingärtnerorganisationen demgegenüber auch besondere Pflichten, die sie gegenüber ihren Mitgliedern und der Gesellschaft allgemein wahrnehmen. Gerade die Kleingärtnergemeinschaft ist dazu in ganz besonderer Weise prädestiniert. Hier entstehen durch die enge Bindung an Grund und Boden auf relativ kleinem Raum Nachbarschaften und Verbindungen, wie es sie anderswo kaum gibt. Auch der Zwang zur ständigen Bewirtschaftung des Gartens bewirkt ein wesentlich engeres Verhältnis untereinander, als dies andere Vereinsgemeinschaften zu schaffen vermögen.
Im Kleingartenwesen gibt es auch zwangsläufig die Mittel, den gestellten sozialen Aufgaben gerecht zu werden. Die Gartenfreunde unterwerfen sich den Bestimmungen des Pachtvertrages, der Satzung und der Gartenordnung. Der Zwang zur Weiterbildung durch die Fachberatung, zur Durchführung der anfallenden Gemeinschaftsarbeit und zur ordnungsgemäßen Führung aller Vereinsgeschäfte lässt nicht nur Nachbarschaften, sondern darüber hinaus auch innerhalb der gesamten Anlage Gemeinschaften entstehen, die solidarische Selbstheilungskräfte freisetzen.
Gesellschaftliche Missstände auffangen
Oberflächlichkeit, Egoismus und Kälte bestimmen zum Teil das Bild unserer Gesellschaft. Für viele Mitbürger ist die Vereinsamung inmitten von Menschenmassen die Folge. Oftmals kommt finanzielle Not hinzu. Dadurch sind viele Betroffene von vornherein von zahlreichen gesellschaftlichen Kontaktmöglichkeiten ausgeschlossen. Die Folgen sind oft weiterer wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Abstieg.
Die hohe Arbeitslosigkeit und Frühverrentung stellen u.a. auch viele jüngere Mitbürger vor das Problem, mit ihrer Freizeit sinnvoll umzugehen. Spätaussiedler oder Ausländer, zum Teil ohne ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, finden sich plötzlich in einem völlig fremden Kulturkreis und wissen sich eventuell nicht ihren engsten Nachbarn zu nähern.
Zudem gibt es junge Familien, deren Kinder inmitten der Großstädte in Betonwüsten aufwachsen müssen. Für das Wochenende im Grünen oder einen Urlaub reichen ihre Mittel nicht aus. Langeweile, Frustration und nicht selten zunehmende Gewaltbereitschaft können die Folge sein. Auch bei Alleinerziehenden, Singles und behinderten Menschen besteht die Gefahr, dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden.
Der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung steigt stetig. Wir alle wollen, dass die Lebenserwartung weiter wächst. Die Geborgenheit in Heim und Familie ist für viele Alte inzwischen die Ausnahme. Bei oftmals noch vorhandener Leistungsfähigkeit fallen einige daher ins Leere und wissen ihrem Lebensabend keinen Sinn mehr zu geben.
In all den beschriebenen Lebenssituationen erbringen die Kleingärtnervereine tagtäglich den lebendigen Beweis, dass die gesellschaftliche Ausgrenzung kein unabwendbares Schicksal ist. Der Umgang mit der Natur in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten ist durchaus geeignet, das Leben für viele Mitbürger wieder lebenswert und sinnvoll zu gestalten.
Ehrenamt im Kleingartenwesen als „Sozialarbeit“
Hier wird offenkundig, welche soziale Bedeutung das Kleingartenwesen hat. Es erspart dazu auch den Städten und Gemeinden erhebliche Aufwendungen, die für Sozialeinrichtungen aufgebracht werden müssten, wenn es die Kleingärten nicht gäbe.
Im deutschen Kleingartenwesen sind nach vorsichtigen Schätzungen etwa 80.000 Menschen als ehrenamtliche Mitarbeiter tätig. Dabei sind diejenigen, die in den Bezirks-, Stadt- und Kreisverbänden, in den Landesverbänden und auch im Bundesverband ehrenamtlich mitarbeiten, nicht einmal mitgezählt. In unserer Organisation steckt also ein riesiges Potential, sie stellt unentgeltlich ihre Freizeit zur Verfügung, um anderen zu dienen. Viele dieser ehrenamtlichen Leistungen sind dabei ohne Einschränkung als Sozialarbeit zu qualifizieren.
Wichtiges Thema: Integration
Der Bundesverband Deutscher Gartenfreunde hat in jüngster Vergangenheit einen „Leitfaden für Vereinsvorstände von Kleingärtnervereinen zur Integration von ausländischen und deutschen Einwanderern“ verabschiedet. In seinem Leitbild bekennt sich der BDG zur Integration: „Wir schaffen Raum für die Begegnung von Menschen mit unterschiedlicher Lebensgestaltung, leisten einen wichtigen sozialen Beitrag für den Dialog zwischen den Generationen und für die Integration verschiedener sozialer und ethnischen Gruppierungen“.
In den alten Bundesländern liegt der Anteil der Migranten im Schnitt bei 17 % und damit etwa 8 % über dem Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung. In einzelnen Bundesländern liegt der Anteil der ausländischen Kleingärtner mit 28 % weit über dem Durchschnitt in der Gesamtbevölkerung des jeweiligen Bundeslandes. In einzelnen Kleingartenanlagen sind sogar die Hälfte aller Gartenfreunde Ausländer oder Aussiedler.
Der BDG hat zur Förderung der Integrationsaufgabe für die Funktionsträger besondere Schulungsmaßnahmen durchgeführt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden bis in die Vereine weitergegeben. Es gibt keine andere gesellschaftlich relevante Gruppe in Deutschland, die sich dieser bedeutsamen Aufgabe mit vergleichbarem Engagement verschrieben hat.
Schulgärten und Lehrpfade
Viele Kleingärtnervereine kooperieren mit Kindergärten, Kindertagesstätten oder Schulen. Schulgärten, die von den Kindern unter der Aufsicht eines Erziehers oder Lehrers angelegt und gepflegt werden, werden von den Vereinen zur Verfügung gestellt. Kindern und Jugendlichen wird auf diese Weise der Zugang zur Natur erschlossen. Die Fachberater der Vereine unterstützen diese pädagogisch wertvolle Jugendarbeit. Die Gartenfreunde pflegen in den Ferienzeiten in Gemeinschaftsarbeit die Schulgärten. Garten- und Naturlehrpfade ergänzen das Angebot in der Jugend- und Erwachsenenbildung. Die für jeden Bürger zugänglichen Kleingartenanlagen stellen somit eine erhebliche Bereicherung des Erholungs- und Bildungsangebotes dar.
Garten und Gesundheit
Foto: Wagner, BDG Zunehmend erforscht sind auch die unmittelbaren Zusammenhänge zwischen Garten und Gesundheit. Der wissenschaftliche Beirat des BDG hat dazu aktuelle Erkenntnisse veröffentlicht. Die Kombination von Bewegung im Garten, Ernährung mit frischem Obst und Gemüse, psychischer Entspannung in der Natur und sozialen Kontakten im Kleingarten bietet eine gesundheitliche Rundumversorgung für Körper und Seele. In einer Zeit explodierender Kosten im Gesundheitswesen muss deshalb dem Kleingartenwesen ein höherer Stellenwert beigemessen werden.
Bei näherer Betrachtung ist demnach festzustellen, dass die Kleingärtner unter allen möglichen sozialen Aspekten – neben ihrer Bedeutung für Umwelt und Städtebau – eine privilegierte Stellung durch das Bundeskleingartengesetz verdienen. Städte und Gemeinden ohne Kleingärten sind ärmer, und das Wohl ihrer Bürger kostet sie mehr. Die Förderung des Kleingartenwesens verdient deshalb – wie dies in Nordrhein-Westfalen der Fall ist – einen festen Platz in den Verfassungen aller Bundesländer.
Rolf Neuser