- Kleingartenwesen
Kleingärten als Ausgleichsflächen
Foto: Stefan Körber/Adobe Stock In Deutschland müssen Eingriffe in die Natur „ausgeglichen“ werden. Wird also z.B. irgendwo eine grüne Wiese versiegelt, muss der Bauherr Natur woanders „ökologisch aufwerten“. Die Regeln für diese Kompensationsmaßnahmen haben sich seit dem Juni 2020 geändert: Mit der neuen Bundeskompensationsverordnung (BKompV) wurden bundesweit einheitliche und transparente Standards für diese naturschutzrechtliche Eingriffsregelung geschaffen. Dies kann eine Chance für Kleingartenflächen bedeuten, die durch eine entsprechende ökologische Aufwertung ihrer Anlagen größeren Bestandsschutz erreichen können.
Bedauerlicherweise wurden die vom Bundesverband Deutscher Gartenfreunde (BDG) gemachten Änderungsvorschläge nicht aufgegriffen. Diese hätten durch eine differenziertere Betrachtung von Kleingartenflächen mehr Möglichkeiten geschaffen. Da coronabedingt auch keine parlamentarische Befassung stattfand, trat der vom Bundesumweltministerium ausgearbeitete Entwurf der BKompV unverändert in Kraft. Es bleibt so Aufgabe der Kleingärtnerorganisationen in Bund und Ländern, sich für eine zeitgemäße und realistische Biotopwertzuschreibung von Kleingartenflächen einzusetzen.
Eine Chance für Kleingärten
Kleingartenflächen, insbesondere in innerstädtischen Bereichen, stehen permanent in Konkurrenz zum Wohnungsbau und zu anderen infrastrukturellen Nutzungsmöglichkeiten. Ihre Berechtigung als großzügige Grünflächen mitten in der Stadt müssen wir ständig neu verteidigen. Die Chance für die Kleingärtner liegt darin, dass unsere Anlagen nicht nur als private Grünflächen wahrgenommen werden, sondern als wichtige Bausteine zur Kompensation für das überlastete Ökosystem.
Nachweislich schwindet in den landwirtschaftlich genutzten Flächen die Vielfalt von Flora und Fauna. Dort entstehen „Agrarwüsten“, während sich in den Städten die Biodiversität erhöht. Das ist der Punkt, an dem Vereine, Stadt- und Landesverbände und der BDG gemeinsam nach Möglichkeiten suchen sollten, die Anlagen ökologisch aufzuwerten.
Vielfache Voraussetzungen
Das Ziel ist, dass Teile der Anlagen durch eine weitgehende naturnahe Umgestaltung und eine ökologische Bewirtschaftung der einzelnen Parzellen als Ausgleichsflächen anerkannt werden und damit noch höheren Bestandsschutz erlangen. Diese Flächenaufwertungen müssen von den Vereinen und ihren Mitgliedern allerdings gewollt sein und können nur gelingen, wenn die Mehrzahl der Pächter dahintersteht.
Bei der Umsetzung der naturnahen Umgestaltung bedarf es professioneller Hilfe, um Pläne zu entwickeln, diese vorzustellen und dabei die Pächter für eine dauerhafte Realisierung zu gewinnen. Hierbei wird es höchstwahrscheinlich unumgänglich sein, dass neben der Satzung, der Gartenordnung und dem Pachtvertrag ein zusätzliches Regelwerk (Vereinbarung) abgeschlossen werden muss, das auch dem einzelnen Parzellennutzer zusätzliche Verpflichtungen auferlegt, angefangen mit dem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel und der vollen Verantwortung für die ökologische Bewirtschaftung seiner Gartenfläche. Dabei ist die Einhaltung der Drittel-Regelung die absolute Grundvoraussetzung.
Es muss von Anfang an klar sein, dass diese Flächenaufwertung nur funktioniert und Bestand haben kann, wenn dauerhaft die Vereinbarungen eingehalten werden, und dass mehr passieren muss als das Aufstellen eines „Insektenhotels“ und die Anlage einer Blumenwiese.
Foto: Gloszat
Bei Neuanlagen können ökologische Aspekte von vornherein eingeplant, durch Nutzungskombinationen ergänzt und zu einer größeren ökologischen Einheit zusammengefügt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Pilotprojekt „Niendorfer Straße“ in Hamburg. Auf dem Gelände wurden 16 kleine Parzellen sowie eine Streuobstwiese angelegt, die als naturschutzrechtlich anerkannte Ausgleichsfläche qualifiziert ist und von den Kleingärtnern extensiv genutzt wird. Zusätzlich wurde ein Bereich als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen (vgl. „Gartenfreund“ 2/18). Das Projekt zählte zu den 48 nominierten Projekten des Bundespreises „Stadtgrün 2020“.
Roger Gloszat
Landesfachberater des Landesbundes
der Gartenfreunde in Hamburg