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Kleingärten sind Lebensräume
Foto: Roemer Schmetterlinge flattern über bunte Blumenbeete, überall summen Bienen und Hummeln. Meisen, Rotschwänze, Grünfinken und Sperlinge durchstreifen die Büsche nach Nahrung, am Stamm des alten Obstbaums begegnen sich Baumläufer und Buntspecht.
Inmitten unserer Städte, zwischen Straßen, Bahnlinien und Betonburgen, gibt es sie, die grünen Oasen, unsere Kleingärten. Was einmal der Grundversorgung der ärmeren Bevölkerung diente, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu „Trittsteinen“ für unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt entwickelt.
Besonders große Artenvielfalt
Nach jüngsten Erhebungen der Universität Kassel weisen Kleingartenanlagen eine besonders große Artenvielfalt auf. Hier, in unseren Gärten und auf den Gemeinschaftsflächen, stehen alte Apfelsorten wie ’Kaiser Wilhelm’ und ’Goldparmäne’ und die Kartoffeln ’Linda’ und ’Bamberger Hörnchen’ vertraut beisammen mit Margeriten (Leucanthemum), Astern (Aster), Fingerhut (Digitalis) und Königskerze (Verbascum).
In den Hecken am Rande der Anlagen grünen und blühen Vogelbeere (Sorbus) und Holunder (Sambucus). Die Vielfalt Nektar spendender Pflanzen lockt scharenweise Tiere an, die sich hieran laben. Diese Tiere wiederum ziehen andere Tiere an, die sich von ihnen ernähren.
Kleingartenanlagen sind heute ein Garant dafür, dass Naturschutz auch in den Städten stattfindet. Der Wandel des Kleingartens vom Nahrungslieferanten zum Wellnessort hat diese blühenden Oasen möglich gemacht.
Refugium für Pflanzen und Tiere
Foto: Roemer Viele Gartenfreunde nutzen ihr Stück Land, um ihr ganz persönliches Biotop anzulegen. Sie bewirtschaften ihren Garten umweltbewusst, verzichten auf Pflanzenschutzmittel und lassen heimischen Pflanzen ihren Raum. In einer Ecke darf die Brennnessel (Urtica) dem Kleinen Fuchs als Nahrung dienen, auf dem Rasen locken Gänseblümchen (Bellis) die ersten Bienen an, und die Hummeln suchen ihren Nektar in Taubnesseln (Lamium) und an Beinwell (Symphytum).
In vielen Gärten hängen Nistkästen. Nicht nur Meisen, auch Fledermäuse finden hier ihren Platz. Im dichten Efeu (Hedera) der begrünten Laube brüten Zaunkönig, Amsel und Grünfink friedlich nebeneinander.
Das Insektenhotel „Biene Maja“ fehlt in kaum einem Verein. Und natürlich warten alle beim Schnitt ihrer Hecken so lange, bis die jungen Vögel flügge sind.
Naturnah gärtnern
Dass Kleingartenanlagen eine besondere ökologische Bedeutung haben, wissen auch die Fachleute. Jürgen Ludewig, langjähriger Vorsitzender des Naturschutzbundes, Kreisgruppe Lüneburg, pensionierter Biologielehrer und seit Jahrzehnten Gartenfreund, rät: „Begrünte Wege mit angrenzenden Stauden und Sträuchern bilden abwechslungsreiche Lebensräume. Pflanzen wir heimische, Beeren tragende Gehölze wie das Pfaffenhütchen, ersparen wir uns die Winterfütterung der Vögel. Diese Gehölze ermöglichen zudem auch ein vielfältiges Kleintierleben.“
Im Herbst lässt Ludewig das Laub liegen, denn es schützt den Boden und die darin und davon lebenden Tiere. „Auch Stängel von hochwachsenden Stauden sind Überwinterungsquartiere und dazu bei Raureif sehr dekorativ“, betont er.
Allgemein rät er zu mehr Gelassenheit, besonders beim Pflanzenschutz. Ein Beispiel: Raupen sind das Larvenstadium von Schmetterlingen. Wenn wir Raupenfraß dulden (natürlich außer beim Gemüse), können wir uns an zahlreichen Schmetterlingen erfreuen. Der Blattverlust wird schnell ersetzt und ist gering im Vergleich zum Heckenschnitt oder bei der Rhabarberernte. Und wer die Raupen erhält, der fördert die nützlichen Schlupfwespen, ihre natürlichen Feinde, deren Larven sich im Raupenkörper entwickeln.
Es gibt zu diesem Thema noch viel zu schreiben. Weitere Informationen finden Sie im Internet z.B. auf der Website des Landesverbandes Niedersächsischer Gartenfreunde (www.niedersächsische-gartenfreunde.de).
Gemeinsam sollten Gartenfreunde mit ihrem Vorstand und insbesondere ihrer Fachberatung Ideen sammeln und Konzepte für deren Umsetzung entwickeln. Je mehr Gartenfreunde mitmachen, umso größer wird der Nutzen für unsere Natur und damit auch für uns alle sein.
Joachim Roemer,
Landesgartenfachberater des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde
Eine „Arche“ für alte Kultursorten
Gert Wittmoser, Fachbereichsleiter für Stadtgrün in der Heidestadt Lüneburg, ist eng mit den Kleingartenanlagen vertraut. Er kennt ihre ökologischen Vorteile und weiß, worauf es ankommt. Joachim Roemer führte mit ihm folgendes Interview.
Herr Wittmoser, Lüneburgs Kleingartenanlagen werden häufig als die grünen Lungen der Stadt bezeichnet. Was heißt das?
Die Kleingartenanlagen bilden einen grünen Ring um das Stadtgebiet. Sie filtern den Staub aus der Luft und versorgen die Innenstadt mit gesunder Frischluft.
Heimische Tiere und Pflanzen benötigen „Trittsteine“, um naturnahe Lebensräume in der Stadt besiedeln zu können. Wie können wir Gartenfreunde das unterstützen?
Das Gemeinschaftsgrün muss netzartig die gesamte Anlage durchziehen. Zudem sind Wildpflanzen in den Gärten ein Garant dafür, dass Tiere die Kleingärten als solche „Trittsteine“ nutzen.
Können Sie Beispiele nennen?
Wichtig ist, dass in jedem Kleingarten Rückzugsräume vorhanden sind, also ein unberührtes Gebüsch, ein Laubhaufen oder heimische Gehölze.
Viele Gartenfreunde möchten „ihr“ Biotop im Garten haben. Was müssen sie beachten?
Die Biotopfläche sollte nicht zu intensiv bewirtschaftet werden. Überlässt man bestimmte Bereiche einer natürlichen Entwicklung, kommen Tiere und Pflanzen aus der Region meist von allein.
Was sollten Gartenfreunde auf keinen Fall tun, wenn sie heimische Tiere und Pflanzen ansiedeln wollen?
Mit chemischen Mitteln „Unkräuter“ und Schädlinge bekämpfen! Und natürlich keine seltenen und gefährdeten Pflanzen und Tiere sammeln oder fangen und in den Garten bringen.
Welchen persönlichen Wunsch haben Sie, damit Kleingartenanlagen auch in Zukunft eine hohe ökologische Bedeutung haben?
Kleingärten haben sich in den zurückliegenden Jahren ökologisch positiv – im Vergleich zu herkömmlichen Hausgärten – sogar rasant verändert. Dieser Weg sollte weiter beschritten werden.
Nicht nur Wildpflanzen finden wir vermehrt in unseren Gärten, sondern auch alte Kulturpflanzen. Was bedeutet das für Sie?
Für einige Pflanzenarten und Kultursorten werden die Kleingärten die letzten Rückzugsräume bleiben. Kleingärten sind in gewisser Weise eine „Arche“ in der sich ständig verändernden Umwelt.