- Kleingartenwesen
- Aktuelles, Trends und Geschichtliches
Kleingartenanlagen dort bauen, wo Bedarf besteht
Foto: Spieß Unsere Städte und Gemeinden sind großen Veränderungen unterworfen. Hierbei spielen einige Hauptfaktoren eine Rolle:
- Der demografische Faktor: eine ungleichmäßige Bevölkerungsentwicklung durch „Sterbeüberschuss“ (wenn in einem bestimmten Gebiet mehr Menschen sterben als geboren werden) und Abwanderungsverluste. Damit ist eine zunehmende Alterung der Gesellschaft verbunden.
- Der wirtschaftliche Faktor: Veränderungen in der Kaufkraft der Bevölkerung infolge der wirtschaftlichen Strukturveränderungen ziehen oft eine veränderte Nachfrage nach Konsumgütern nach sich.
- Der wohnungswirtschaftliche und finanzielle Faktor: Bei rückläufiger Nachfrage entstehen Leerstände im Wohnungssektor. Bei der Erschließung neuer Wohnflächen entsteht neuer Bedarf an Kleingärten.
- Der soziale Faktor: Gewachsene soziale Strukturen lösen sich auf oder es entstehen neue.
- Kleingartenanlagen gehören in den Städten und Gemeinden zu den sogenannten „weichen“ Standortfaktoren und zur städtebaulichen Gesamtsituation. Das bedeutet, dass Veränderungen, die sich aufgrund der oben beschriebenen Faktoren ergeben, sich auch in unseren Anlagen wiederfinden.
Was bedeuten diese Faktoren nun im Einzelnen? Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich mit den Änderungen der Lebensumstände auch die Entwicklungsschwerpunkte in der städtebaulichen Planung verschieben: Wo weniger Wohnungen sind, sind weniger Menschen. Wo neue Wohnbaugebiete entstehen, ergeben sich neue Bewohnerstrukturen, und dadurch verändert sich die Infrastruktur, z.B. in Bezug auf Kindergärten, Seniorenwohnungen, Grünflächen und Kleingärten.
Kleingartenanlagen gehören zentral in die Städte
Frei- und Kleingartenflächen, die nicht Wohnungsbaugebieten zugeordnet sind, verlieren einen Teil ihrer Qualität und damit ihrer Attraktivität. In der Vergangenheit wurde oft folgendermaßen gehandelt:
- Kleingärten gehören an den Stadtrand.
- Kleingärten siedeln wir dort an, wo preiswerte Grundstücke vorhanden sind.
- Kleingärten können auf „Restflächen“ entstehen.
Dies hat mit Städtebauplanung und planerischer Vorsorge sehr wenig zu tun. Die vielfachen Wohlfahrtswirkungen der Kleingartenanlagen sind hinreichend bekannt und erläutert worden. Nur noch einmal die Schlagworte: Kleingärten haben ökologische Bedeutung! Kleingärten haben soziale Bedeutung! Kleingärten haben wirtschaftspolitische Bedeutung!
Wenn diesen Bedeutungen entsprochen werden soll, kann es nur eine Forderung geben: Kleingärten gehören zentral in die Städte und Gemeinden und müssen den Stadtteilen und Wohnquartieren zugeordnet werden.
Gelungenes Beispiel: Kleingartenanlage nach Grabeland
In der Ruhrgebietsstadt Castrop-Rauxel wurde eine Grabelandfläche durch den Eigentümer gekündigt. Die Grabelandfläche lag in unmittelbarer Nähe zu den Wohnungen der Pächter und deckte damit den aktuellen Bedarf ab. (Die Grabeländer waren die niedrigste Stufe der Versorgung mit Gärten. Sie sollten die Lebensqualität verbessern und den Wünschen der Bevölkerung nachkommen.)
Daher fanden Abstimmungsgespräche mit den Pächtern statt, und die Stadt Castrop-Rauxel stellte in unmittelbarer Nähe eine geeignete Fläche bereit, die über einen Bebauungsplan als Dauerkleingartenanlage entwickelt und abgesichert worden ist. Der Grundstückseigentümer ist die Stadt.
So entstanden auf ca. 9000 m² 23 Einzelgärten in einer Größe von ca. 240–330 m². Hinzu kommt die Infrastruktur der Anlage mit Vereinsflächen (Standort für Vereinsheim und Gemeinschaftstoiletten), einem Parkplatz, Wasseranschluss bis zur Parzellengrenze sowie einem stationären Stromanschluss an den jeweiligen Erschließungswegen. Eine standortgerechte Anpflanzung mit heimischen Gehölzen erfüllt auch die ökologischen Ansprüche.
Auf diese Weise werden die städtebaulichen Anforderungen an die Anlage erfüllt: Zuordnung zu den Wohngebieten, Bedarfsdeckung, Verbesserung der Infrastruktur durch Gärten und Freiräume, Verbesserung der ökologischen Situation und der Lebensqualität.
Fazit: Eine erfolgreiche Städtebauplanung muss sich in allen Bereichen – Wohnen, Arbeiten und Freiraum – am Bedarf und an den Erfordernissen orientieren. Hierbei ist eine direkte Zuordnung der jeweiligen Bereiche zueinander zwingend notwendig.
Der Flächenanspruch für die Freizeitgestaltung und Gartennutzung ist in diesem Dreiklang genauso wichtig wie Wohnen und Arbeiten. Jede Kommune muss sich im Klaren darüber sein, welche Flächen für die Freizeitgestaltung notwendig und damit zu erhalten oder zu schaffen sind.
Kleingartenanlagen dorthin, wo die Menschen leben
Foto: Spieß Kleingartenanlagen sind dort notwendig, wo die Menschen wohnen und leben. Das bedeutet, dass bei jeder Planung von zusätzlichen Wohnungsbauflächen auch neue Kleingartenanlagen bedarfsgerecht errichtet werden müssen.
Nicht vergessen werden darf, dass auch die Umgestaltung von Kleingartenanlagen, die bessere Anbindung an die Wohngebiete, die Vernetzung mit Fuß- und Wanderwegsystemen wichtige Aufgaben sind. Dies gilt sowohl für Altanlagen als auch besonders für die Neuanlagen.
Entwicklungspläne müssen individuell sein
Ein weiterer Schwerpunkt bei der städtebaulichen Einbeziehung liegt auf der Kleingartenentwicklungsplanung. Da die Bedingungen in den bundesweiten Regionen sehr unterschiedlich sind, ist es sinnvoll, dass die Kommunen jeweils eine eigene Kleingartenentwicklungsplanung erstellen.
Foto: Spieß Die Kleingartenentwicklungsplanung geht von einem Ist-Zustand aus und weist als Planungsinstrument Zukunftsperspektiven aus. Diese Planung muss sowohl fachbezogen als auch politisch verankert sein. Je bewusster das Kleingartenwesen als wertvoller Bestandteil einer Stadt begriffen wird, desto eher wird die Politik einer Stadt Interesse an seiner planerischen Sicherung haben.
Notwendig ist also die Aufstellung und Fortschreibung von Kleingartenentwicklungskonzepten sowie das Einbringen der quantitativen und qualitativen Zielvorstellungen in Flächennutzungs- und Landschaftspläne, Bebauungs- und Grünordnungspläne sowie in andere Fachkonzepte.
„Entwicklung“ ist auch unter dem Aspekt wichtig, dass auf die immer schneller werdenden Veränderungen in unserer Gesellschaft flexibel reagiert werden muss. Das heißt, dass Planungszeiträume und -ziele bei veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden müssen. Die Entwicklung muss sich nach dem Bedarf richten.
Auf der Grundlage der Kleingartenentwicklungsplanungen können die Handlungsfelder bearbeitet werden. Hier wird es zwingend notwendig, die städtebaulichen Förderprogramme und die darin bereitgestellten Mittel neben dem Neubau auch auf den Umbau oder Rückbau bestehender Kleingartenanlagen, die evtl. mit Leerständen belastet sind, zu erweitern.
Die im Kleingartenwesen existierenden Fördermöglichkeiten einzelner Länder für den Neubau von Kleingartenanlagen stellen aufgrund der Unterschiede in der Zielsetzung keine Doppelförderung dar und müssen daher ausgebaut und erweitert werden.
Wilhelm Spieß,
stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes
Westfalen und Lippe der Kleingärtner