- Kleingartenwesen
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„Wir stehen auf fünf Füßen“ Das Kleingartenwesen fördert unsere Lebensqualität auf vielfältige Weise
Foto: Breder Die Vertreter der Fauna stehen auf zwei bzw. auf vier Füßen; manche Tiere haben auch sechs oder acht Beine. Vertreter der Flora stehen sogar nur auf einem Bein.
Für das Kleingartenwesen gelten andere Maßstäbe, denn unsere fünf Standbeine sind gleichermaßen Säulen in der Gesellschaft. Ihre Funktionen werden von ca. einer Million Kleingärtnerfamilien mit Leben gefüllt.
Lange Zeit hat man dies nicht so gesehen und somit die Bedeutung des Kleingartenwesens unzulässig eingeschränkt. Während in den Anfangszeiten in den Arbeiten der oft zitierten „Begründer des Kleingartenwesens“, Hausschild und Schreber, fast ausschließlich die soziale Funktion – von der Erholung in der Natur bis zur Verpflegung mit Obst und Gemüse für sozial Schwache – zum Tragen kam, wurden später auch die ökologische und die städteplanerische Funktion des Kleingartenwesens gesehen und beachtet. Dies geschieht bis zum heutigen Tag allerdings durch die Organisation selbst, aber auch durch Ämter und die Politik nicht im erforderlichen Umfang.
Was erst in letzter Zeit – leider noch nicht im notwendigen Maße – ins Zentrum rückt, ist die Gesundheitsfunktion des Kleingartenwesens, die sich eigentlich unter dem Motto „Erholen in der freien Natur“ für Menschen aller Altersstufen – von Kindern, über die im Arbeitsprozess Stehenden bis hin zu Senioren – anbietet, denn Stressabbau und Regenerierung der Lebenskräfte stehen im Kleingarten in einem untrennbaren Zusammenhang.
Ganz vergessen wird in der Öffentlichkeitsarbeit die ökonomische Funktion des Kleingartenwesens, denn die doch bedeutsame Anzahl der Pächter trägt in einem nicht unbedeutenden Umfang dazu bei, die Kassen in Baumärkten, Pflanzencentern, bei Geräteanbietern und nicht zuletzt bei Discountern klingeln zu lassen. Gerade Gartencenter müssten um Gewinn und auch um ihre Zukunft bangen, wenn Kleingärtner bei ihnen keine Pflanze mehr kaufen würden.
Somit ist es richtig, von den fünf Säulen des Kleingartenwesens zu sprechen, was noch einmal an einigen Beispielen deutlich gemacht werden soll.
Soziale Funktion
Foto: Breder Eigentlich gibt es zu dieser Funktion keinen Erklärungsbedarf, denn sie wird in allen Bereichen der Gesellschaft anerkannt. Dabei ist es unbestritten, dass das Kleingartenwesen eine Solidargemeinschaft darstellt, die keinen auf der „Strecke“ lässt, und gleichzeitig ein Sammelbecken für Jung und Alt, Arm und Reich – also für alle, die eine Gemeinschaft suchen – ist.
Ökologische Funktion
Die viel zitierte Biodiversität spiegelt sich in den Kleingärten aller Regionen wider. 2094 nachgewiesene Pflanzenarten „bevölkern“ die zur Verfügung stehenden Pachtflächen. Darüber hinaus wird durch die Kleingärtner aktiver Umwelt- und Naturschutz betrieben, was sich in unzähligen Nistkästen, Totholz- und Lesesteinhaufen sowie in Insektenhotels zeigt.
Einheimische Pflanzen – und insbesondere auch alte Sorten – bekommen in Kleingärten wieder eine Heimstatt, sodass die Menschen diese bewundern und sich daran erfreuen können. Bedrohte Arten – dabei insbesondere Vertreter der Fauna – wie Frösche und Kröten, aber auch Ringelnattern und Blindschleichen gehören wieder zu den „Bewohnern“ der Kleingärten.
Städteplanerische Funktion
Dass Kleingärten Teil der Grünzonen – insbesondere in urbanisierten Bereichen – sind, ist eine feststehende Tatsache und wird wohl auch von keinem bestritten. Was aber noch weitaus zu wenig von der Gesellschaft und den Ämtern, aber auch von der Politik beachtet wird, ist die Tatsache, dass Kleingärten wichtige Aufgaben wahrnehmen. Denn sie sind
- Sauerstoffproduzenten,
- garantierte Belüftungsschneisen in bebauten Bereichen,
- Flächen gegen Wärmestau und
- Hitzestress,
- Barrikaden gegen die massenhafte Bodenversiegelung.
Gesundheitsfunktion
Foto: Breder Kleingärten können Stätten des Stressabbaus und der körperlichen Fitness sein. Darüber hinaus wären sie auch als Standorte für Gartentherapien nutzbar. Das könnte so weit führen, dass es neben der engen Verbindung des Kleingartenwesens mit Lehrgärten im Bildungsbereich ebensolche Verbindungen mit Krankenhäusern und Kurzentren für die Durchführung gartentherapeutischer Maßnahmen geben könnte, also Rehabilitation auf einer Kleingartenparzelle bzw. in einer Anlage.
Ökonomische Funktion
Diese Funktion des Kleingartenwesens wird zurzeit am meisten unterschätzt, obwohl 46.000 ha bearbeitete Pachtfläche einen erheblichen Wirtschaftsfaktor darstellen – und dies auf zwei Gebieten: Zum einen pflegen und erhalten die Kleingärtner die an sie verpachtete Fläche, bezahlen dafür Pacht und leisten gleichzeitig einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Kosten für die Grünpflege, die sonst der Steuerzahler tragen müsste.
Zum anderen sind Kleingärtner auch Konsumenten, die für den „Betrieb“ ihrer Parzellen unzählige Dinge benötigen. Angefangen von Lauben über Regenwasserauffanganlagen bis hin zu Zäunen und Baumaterialien reicht die Einkaufspalette. Daneben werden jedes Jahr Pflanzen und Saatgut benötigt, um der kleingärtnerischen, aber auch der Erholungsnutzung genüge zu tun.
Pflanzenschutzmittel und Düngemittel sowie Muttererde und Rindenmulch sind weitere Produktgruppen, die jedes Jahr erneut auf den Einkaufslisten der Kleingärtner stehen.
Fasst man diese Faktoren zusammen, so wird deutlich, dass die fünf Säulen des Kleingartenwesens unverzichtbar für die Gesellschaft sind, wobei genauso deutlich herausgestellt werden muss, dass das Kleingartenwesen nicht ohne die Gesellschaft, aber auch die Gesellschaft nicht ohne das Kleingartenwesen die von allen gewünschte Lebensqualität garantieren kann.
Dr. Norbert Franke,
Vizepräsident des Landesverbandes Berlin der Gartenfreunde