- Kleingartenwesen
Neue Kleingärten braucht das Land
Foto: Kaiser
Unsere Kleingartenanlagen sind über Jahrzehnte gewachsen. Die Kleingärtnervereine sind zu festen Bestandteilen der Stadt geworden. Aber immer mehr Kleingärten gehen durch städtebauliche Projekte verloren. Nur selten werden neue Kleingartenanlagen geplant.
Dabei ist die Sicherung, die Weiterentwicklung und der Neubau der Anlagen für den Fortbestand des Kleingartenwesens unverzichtbar. Auch die in den letzten Jahren gestiegene Nachfrage nach Kleingärten, die sich durch die Corona-Pandemie noch verstärkt hat, zeigt: Ein ausreichendes Angebot an Kleingärten ist wichtiger denn je!
Aller Anfang ist schwer
Kleingärten entstehen aber nicht von heute auf morgen. Die Planung ist immer ein mehrjähriger Prozess mit politischen Entscheidungen, baurechtlichen Festlegungen und baulichen Maßnahmen. Ein neuer Verein muss gegründet werden, und ausreichend Interessierte werden gebraucht, die in der Startphase den Mut zum Neubeginn haben. Dazu werden ehrenamtlich Tätige mit hohem Engagement benötigt – insbesondere, wenn mit der Neuanlage die Aufgabe einer bestehenden Anlage verbunden ist.
Foto: Roemer
Ein Beispiel ist die kürzlich neu geschaffene Anlage „Feierabend“ im niedersächsischen Lehrte. Die Stadt hatte dafür die baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen und viel Geld in die Hand genommen. Der Bezirksverband Lehrte als Generalpächter aber musste die emotionale Seite bewältigen. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“, so Bezirksvorsitzender Peter Heinze. Das galt in Lehrte auch für die Pächter, die von der alten in die neue Anlage umziehen sollten. Viele fühlten sich für einen Neuanfang zu alt.
Mit Überzeugungsarbeit war es nötig, eine zügige Umsetzung sicherzustellen. Alle Pächter mussten der Kündigung zustimmen. „Eine Zustimmung erhält man aber nur, wenn alle Zusa-gen von den Behörden eingehalten werden“, weiß Hansjörg Kefeder, der den Verband als Rechtsanwalt betreute. Ein Widerspruch hätte eine einheitliche Abwicklung von Entschädigungen und Aufbauhilfen unmöglich gemacht. „Die Kleingärtner mussten verstehen, dass das Vorhaben ohne Alternative war und dass sie zügig und zufriedenstellend entschädigt werden.“
Ein fester Ansprechpartner war unverzichtbar. So ersetzten Vorstandsmitglieder des Bezirksverbandes den Vereinsvorstand, um wieder einen funktionierenden Verein aufzubauen. In kurzer Zeit mussten sie die Ersatzgärten in der neuen Anlage ausweisen sowie für eine gute Erschließung und Versorgung und für ein neues Vereinshaus als künftigen Treffpunkt sorgen. Erst danach konnte intensiv um neue Pächter geworben werden.
Nähe ist gefragt
Eine ähnliche Erfahrung machte Sven-Karsten Kaiser in Dresden. Mit „Aronia“ wurde dort 2018 eine Anlage am östlichen Stadtrand mit dem Schwerpunkt auf ökologische Nutzung eröffnet. Die Stadt Dresden stellte das ca. 6000 m² große Areal als Ausgleichsfläche für Parzellen zur Verfügung, die im Hochwasserbereich der Elbe liegen und im Rahmen des Hochwasserschutzkonzeptes der Stadt zurückgebaut werden.
Neben den umgesiedelten Pächtern gab es dort viele Neupächter, denen die Erfahrung mit der Gartenarbeit fehlte. Die Lösung: „Eine Gartenfachberaterin und ich haben je eine Parzelle gepachtet“, erzählt der Vereinsvorsitzende. „Dort demonstrieren wir naturnahes Gärtnern.“
So wie in Lehrte und Dresden gibt es weitere Beispiele, die uns zeigen: Auch heute ist es möglich neue Kleingartenanlangen zu schaffen. Dabei gilt es aber viele Schwierigkeiten zu überwinden. Wichtig ist, dass die Anlagen nicht an den Stadtrand ausgelagert werden, sondern fester Bestandteil der Stadtplanung sind. Pächter und Mitglieder müssen im Mittelpunkt stehen und sich schnell „wie zu Hause“ fühlen. Ebenso wichtig ist, dass es gelingt, einen Verein aufzubauen, in dem jedes Mitglied seinen Platz findet, die fachliche Betreuung gesichert ist und Menschen da sind, die eine neue Gemeinschaft von Gartenfreunden entstehen lassen.
Joachim Roemer
Präsident des Landesverbandes
Niedersächsischer Gartenfreunde