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Rückblick Expertenforum 2013: Klimawandel im Garten
7. Gartenfreund-Expertenforum zeigt Pflanzen, die den Wetterextremen trotzen sollen
Klimawandel im Gemüsegarten
„Es ist wirklich eine Unverschämtheit hier“, scherzt TV-Moderator und Gartenexperte Karl Ploberger. Denn die Blumenpracht auf dem Kaldenhof machte nicht nur ihm klar, wie bescheiden der eigene Garten im Vergleich zu den Testfeldern der Firmen Volmary und Bruno Nebelung aussieht. Ploberger wollte gar nicht mehr zurück nach Hause. Immerhin war er extra für das Forum aus Österreich eingeflogen, um in Münster sein Konzept vom richtigen Gärtnern vorzustellen.
Foto: Verlag W. Wächter
Eingeladen zu der Veranstaltung hatten der Verlag W. Wächter zusammen mit den Hausherren des Kaldenhofs, den Firmen Volmary und Bruno Nebelung. Über 100 Gartenfreunde waren gekommen, um etwas über die Auswirkungen des Klimawandels auf den heimischen Kleingarten zu hören. Wie sieht der Garten der Zukunft aus? Welche Pflanzen sind dafür geeignet? Und wie sehen die Züchtungskonzepte von Morgen aus? Darauf antworteten die Experten und stellten zudem neue Sorten vor, die den zunehmenden Klimaextremen trotzen sollen. In Vorträgen und auf Rundgängen über das Versuchsfeld gaben sie ihr Fachwissen weiter.
Sojabohnen für den heimischen Garten
Den Anfang machte Raimund Schnecking, Produktberater bei Volmary. Das Thema seines Vortrags: Die Bedeutung des Klimawandels im Gemüsegarten. „Klimaveränderungen gab es in der Erdgeschichte schon immer, was aber in der Vergangenheit langsam vonstatten ging, geschieht heute viel schneller. Genau darin liegt die Herausforderung für die Pflanzenzüchtung und den Gärtner.”
Da es häufiger zu Hitze- und Trockenperioden kommen wird, werden neue Pflanzenkrankheiten eine Rolle spielen. Schnecking mahnt: „Ein verändertes Klima bedeutet auch bessere Bedingungen für neue Pflanzenkrankheiten.” Das sieht man jetzt schon an den Tomaten, immer häufiger treten bei ihnen Krankheiten wie der Echte Mehltau und das Bronzefleckenvirus auf.
Neben den altbekannten Züchtungszielen wie Wüchsigkeit, Form, Farbe oder Geschmack werden deswegen Resistenzen immer wichtiger. Neue Tomatensorten mit besseren Eigenschaften stellte der Experte dann auch gleich vor, wie ‘Philovita’, eine Pflanze mit reichem Ertrag und hoher Widerstandsfähigkeit gegen Braunfäule, ‘Philona’ (früh, mehltauresistent) und ‘Phantasia’ F1 (braunfäuleresistent).
Foto: Verlag W. Wächter
Auch Erbsen neigen zunehmend zu Mehltau. Deswegen sollte man hier ebenso zu weniger empfindlichen Sorten greifen, wie z.B. zur Sommererbse ‘Profita’ oder zu den Zuckererbsen ‘Delikata’ und ‘Zuccola’.Es werden aber auch neue Gemüsearten gezüchtet, die hitzeverträglicher sein sollen. Bei Volmary gibt es so schon Versuche mit Sojabohnen, die sich für einen Anbau im heimischen Garten eignen sollen!
Zum Schluss hatte Schnecking noch einen Tipp für Wassersparer: Er rät zum Gemüseanbau im Topf. „Hier lässt sich das Wasser ganz genau dosieren und versickert nicht ungenutzt im Erdreich.” Besonders geeignet dafür sind Wildtomatentypen wie ‘Primavera’ und ‘Dorada’ sowie die Snackpaprika ‘Lubega Mini’ F1.
Pflanzen für anspruchsvolle Standorte
Gemüse- und Zierpflanzen für anspruchsvolle Standorte stellte dann Herbert Kleine Niesse vor, Verkaufsleiter bei Bruno Nebelung. „Unter extremer werdenden Umweltbedingungen wird der Satz – Auf die richtige Sortenwahl kommt es an. – immer wichtiger.“ Widerstandsfähige Blumen und Gemüse für ungünstige Orte seien immer mehr gefragt. Besonders Standorte, die wenig Licht und Wasser bieten, sind nicht für jede Art geeignet. Pflanzen, die hier überleben können, werden deshalb immer interessanter, wie z.B. das Hasenglöckchen ‘Blue Bell’ oder die Scilla ‘Blausternchen’, die beide gut im Schatten wachsen können.
Foto: Verlag W. Wächter
Auch Kübel zählen zu den extremen Standorten, so Kleine Niesse. „Denn nicht jede Pflanze, die im Gartenboden wächst, gedeiht auch im Topf.” Hierfür gibt es mittlerweile zahlreiche Neuzüchtungen alter Klassiker. Dazu zählen Lilien, wie z.B. die Sorte ‘Sweet Lord’, und die Topf-Dahlien ‘Pink Magic’ (70 cm, rosa-gelb) und ‘Gallery La Tour’ (35 cm, pink, dunkles Laub), sowie längerblühende Neuzüchtungen der Bauernorchidee.
Geeignetes Gemüse für den Anbau im Kübel
Auch im Bereich der Gemüsekulturen waren die Pflanzenzüchter in den letzten Jahren aktiv. So stellte Kleine Niesse eine Vielzahl neuer Züchtungen vor, die sich für einen Anbau im Kübel eignen. ‘Coccinella’ ist eine kleine, leicht scharfe Paprika, die sich zum Füllen mit Frischkäse anbietet. „Den kennt sicher jede Hausfrau aus dem Supermarkt, nur liegt er da in diesen kleinen durchsichtigen Plastikschälchen”, scherzte der Experte.
Foto: Bruno Nebelung GmbH/Kiepenkerl Andere Sorten, die auch im Topf wachsen können, sind der Blumenkohl ‘Multihead’ (bildet einen großen Kopf und daneben viele kleine), die Aubergine ‘Ophelia’ (mittelgroße Früchte mit sehr hohem Ertrag) und die Gurke ‘Picolino’ (die Früchte sind nur halb so groß wie bei normalen Salatgurken). Bei einer Kübelkultur sollte man aufgrund des begrenzten Wurzelraumes aber unbedingt auf eine ausreichende Nährstoffversorgung der Pflanzen achten, gab der Referent den aufmerksamen Teilnehmern mit auf den Weg. Hierfür empfahl er Substrate mit einem hohen Anteil an Depotdünger.
Zum Abschluss hatte Kleine Niesse noch einen praktischen Tipp für den schnellen Bau eines Hochbeetes parat. „Nehmen Sie einfach eine alte Europalette, setzen Sie einen Rahmen aus Kanthölzern und Brettern darauf, schlagen diesen mit Mypex-Folie aus und befüllen Sie ihn mit Erde.”
"Easy Gardening" – Gärtnern leicht gemacht
„Das Leben beginnt an dem Tag, an dem man einen Garten anlegt”, so eine chinesische Weisheit. Leicht und einfach sollte es dabei im Garten zugehen. Und so hatte der zweite Vortrag von Herbert Kleine Niesse weniger den Klimawandel als „Easy Gardening“ zum Thema.
Foto: Verlag W. Wächter
Jeder Gärtner möchte einen sicheren und erfolgreichen Ertrag sowie eine üppige Blüte, dafür will er aber möglichst wenig Arbeit investieren. Achtet man auf die Wahl der Sorten, kann man es sich schon ein wenig leichter machen, so der Experte.
Der Schnittlauch ‘Fat Leaf’ zum Beispiel braucht nicht mehr pikiert zu werden, da er praktisch in einem Saatband verpackt ist, wie auch der Feldsalat ’Favor’, das Radieschen ‘Lucia’ oder der Rucola ‘Speedy’. Ganz neu sei auch der sogenannte „Saatteppich“, mit dem sich die Samen für eine Blumenwiese einfach ausrollen lassen. Kleine Niesse empfiehlt: „Wer Saatbänder oder -teppiche verwendet, sollte diese ganz leicht mit Substrat bedecken, angießen und dann einfach wachsen lassen. Am wichtigsten ist jedoch, sie regelmäßig feucht zu halten. Das Saatvlies ist zwar praktisch, wirkt bei Trockenheit aber wie Löschpapier und saugt die Feuchtigkeit aus dem Samenkorn wieder raus.”
Praktische Aussaathilfe für Blumenmischungen
Auch bei der Aussaat von Blumenmischungen kann man sich einiges an Arbeit ersparen. Oft sind die Samen klein und lassen sich nur ungleichmäßig verteilen. Dafür bietet die Firma Kiepenkerl jetzt praktische Abhilfe. Neuen Mischungen wird das Vulkangestein Vermiculite beigemischt, so lassen sich die Samen leichter verteilen. Positiver Nebeneffekt ist, dass das Gestein Wasser speichert und so den Boden konstant feucht hält.
In der Verarbeitung einfacher sind die Salate der Serie Salanova, wie ‘Descartes‘ und ‘Gaugin’, meinte Kleine Niesse. „Sie schneiden einfach den Boden heraus, und schon fallen alle Blätter auseinander, so dass kein lästiges Zupfen mehr nötig ist. Darüber hinaus sind sie besonders fest und sehen auch nach Stunden in der Salatschüssel noch frisch aus.”
Foto: Verlag W. Wächter
Wasser sparen mit Tropfbewässerung
Wie eine Tropfbewässerung funktioniert und was sie bringt, erklärte Dirk Borsdorf von der Firma Netafim.
Die Erfindung der Tropfbewässerung ist nicht neu. Anfang der sechziger Jahre hatte der israelische Wasseringenieur Simcha Blass die Idee, die Wüste zu begrünen. Dabei stieß er eher zufällig auf das Prinzip, dass eine langsame und gesteuerte Tropfbewässerung zu einem außergewöhnlichen Pflanzenwachstum führt. Daraufhin entwickelte er ein System, dass das Wasser langsam und an den effektivsten Stellen durchlässt. Bis vor wenigen Jahren wurden Tropfbewässerungssysteme nur im Profibereich verwendet.
Mittlerweile gibt es auf dem Markt aber auch einfache und kostengünstige Sets für den Kleingarten. „Mit einer Tropfbewässerung lässt sich der Wasserverbrauch um ca. 60 % reduzieren“, so Borsdorf, „Der Grund dafür ist, dass das Wasser nur dort abgegeben wird, wo es von der Pflanze wirklich benötigt wird.”
Foto: Verlag W. Wächter
Unterschiedliche Systeme für unterschiedliche Verwendungszwecke
In der Praxis wird zwischen zwei Systemen unterschieden. Das sogenannte druckkompensierte eignet sich für große Verlegelängen und arbeitet mit einem Wasserdruck von 0,5 bis 4 bar. (Egal wie hoch der Druck ist, es wird immer die gleiche Menge Wasser abgegeben!) Für kurze Strecken und damit für den Kleingarten besser geeignet ist das drucksensitive System. „Es kommt mit wesentlich weniger Druck aus und kann mit dem normalen Gartenschlauch und theoretisch sogar mit einer 1 m hoch stehenden Regentonne betrieben werden.”
Wer nicht ständig die Bewässerung im Auge behalten möchte, für den empfiehlt der Experte eine elektronische Steuereinheit. Aber, egal welches System man nun betreibt, ein Wasserfilter ist dabei unerlässlich. Verunreinigungen im Wasser würden sonst die feinen Löcher im Schlauch verstopfen.
Ein weiterer positiver Effekt der Tropfbewässerung: „Die Blätter werden nicht benetzt, und die Gefahr von Pilzkrankheiten wird deutlich reduziert.”
Wer seinen Wissensdurst beim Vortrag noch nicht gestillt hatte, der konnte gleich im Anschluss Theorie in die Praxis umsetzen und auf dem Freigelände selbst eine Tropfbewässerung verlegen und ausprobieren.
Klimawandel im Ziergarten
Welche Auswirkungen der Klimawandel auf Zierpflanzen im Kleingarten hat und wie man als Gärtner darauf mit der richtigen Sortenwahl reagieren kann, erklärte Volker Schevel, Experte für Zierpflanzen bei Volmary.
Foto: Verlag W. Wächter „Seit ca. fünf Jahren tritt an Fleißigen Lieschen immer häufiger der Falsche Mehltau auf. Mit der Sorte ‘Suntations’ gibt es aber bereits eine resistente Neuzüchtung, die zudem auch gut kühlere Temperaturen verträgt und bis in den Herbst blüht.”
Für heiße und sonnige Standorte empfiehlt Schevel Süßkartoffeln (Ipomoea batatas). Diese gibt es in den unterschiedlichsten Blattfarben von rot bis hellgrün. Ebenfalls neu und gut sonnenverträglich ist die erste orange-rot blühende Bidens ‘Hawaiian’.
Entwicklung neuer Sorten ist wichtig
Foto: Bruno Nebelung GmbH/Kiepenkerl
„Es müssen neue, hitze- und sonnentolerante Züchtungen entwickelt werden, die gut mit den Bedingungen auf Balkon und Terrasse zurechtkommen”, so der Experte. Jedem Gärtner rät er, sich genauestens über die Ansprüche der einzelnen Pflanzen zu informieren. „Ansonsten kann es passieren, dass der liebevoll gestaltete Balkonkasten schnell zum Flickenteppich wird.”
So wird man Biogärtner
„Intelligent gärtnern – mit und nicht gegen die Natur arbeiten“, das ist das Konzept des österreichischen Buchautors, TV-Moderators und Biogärtner Karl Ploberger. Mit österreichischen Schmäh referierte er über die Vorzüge des „Biogärtnerns” und wie man in wenigen Schritten zum eigenen Biogarten kommt.
Foto: Verlag W. Wächter
Der erste und wichtigste Schritt dabei ist die naturgemäße Gestaltung des Gartens. „Im Garten sollten wir immer darüber nachdenken: Wem nützt es? Statt einer Mauer aus Beton, sollten Sie lieber eine aus Trockensteinen bauen. Man schafft so Raum für Pflanzen und Nützlinge.” Wichtig ist, „wilde Ecken” im Garten zu schaffen, wie Stein- oder Totholzhaufen, die den Tieren genügend Verstecke bieten. Das ist auch wichtig für die Schädlingsbekämpfung ohne chemische Keule, dafür mit Nützlingen.
Nützlinge im eigenen Garten fördern
Wer die in seinem Garten fördern möchte, sollte ihnen Raum und Futter bieten. „Jeder liebt die gefüllten Rosen, aber man sollte immer bedenken, dass ungefüllte Blüten den Insekten viel mehr Nahrung bieten.” Einen passenden Unterschlupf und gleichzeitig Kinderstube bietet man beispielsweise Wildbienen und Ohrenkneifer durch das Aufstellen eines Insektenhotels. „Der ideale Standpunkt hierfür ist eine regengeschützte Südseite”, so Ploberger.
Nicht zu unterschätzen ist auch die Auswahl der richtigen Pflanzen für den geeigneten Standort. „Jeder kennt es, immer möchte man das, was eigentlich nicht geht.” Wer sich das Gärtnern immens erleichtern möchte, der sollte beispielsweise keine Rhododendren auf kalkhaltigen und keine Rosen auf sauren Boden pflanzen, sonst heißt es, „Mein Rhododendron ging mir im letzten Jahr noch bis zum Knie, ich glaube in diesem Jahr ist er schon kleiner geworden.”
Reifer Kompost muss angenehm riechen
Kompost ist das, was wir durch Ernte und Schnitt der Erde entzogen haben und ihr zurückgeben sollten. Jeder sollte daher einen eigenen Komposthaufen im Garten haben, und wer richtig kompostiert, braucht keine Substrate mehr zu kaufen. Dabei kann alles, was im Garten anfällt und nicht dicker als der Daumen ist, auch auf den Haufen, meint der Biogärtner. „Ob man am Ende alles richtig gemacht hat, erkennt man daran, wie der fertige Kompost riecht. Reifer Kompost darf nicht stinken, sondern sollte angenehm nach Waldboden riechen.”
Foto: Verlag W. Wächter
„Wer mulcht, fördert Nützlinge wie Laufkäfer, die auch zu den Feinden der Schnecken gehören. Diese Käfer benötigen eine schützende Laubschicht, um sich entwickeln zu können.” Ploberger rät, das Laub auch auf Rasenflächen liegen zu lassen und erst mit dem letzten Mähen aufzusammeln. So entsteht eine Mischung aus gehäckseltem Laub und Rasenschnitt, die sich wunderbar zum Mulchen unter Sträuchern eignet.
Die korrekte Schichtung eines Hochbeetes
Auch mit einem Hochbeet lässt sich das Gärtnern deutlich erleichtern. Und wer sein Gemüse selbst anbaut, leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Wie man ein Hochbeet richtig aufschichtet, erklärte Karl Ploberger anschaulich in seinem Vortrag. Zuerst sollte auf dem Boden ein Maschendraht gegen Wühlmäuse verlegt werden, darauf folgen eine Schicht (40–50 cm) grober Gehölzschnitt, umgedrehte Rasensoden (damit die Erde nicht absackt), grober Kompost, fertiger Kompost und auf die letzten 10 cm ganz normale Gartenerde.
Eine Fülle an Wissenswertem haben die Gartenfreunde wieder erhalten. Eines wird ihnen aber ganz besonders in Erinnerung bleiben: Das Wort „garteln“ – österreichisch für „gärtnern“. So fuhren die Teilnehmer vollgestopft mit Informationen nach Hausen, um dort dann wieder ordentlich „garteln“ zu können.
Für Teilnehmer und Experten eine gelungene Veranstaltung, und so ist jetzt schon sicher: Auch im nächsten Jahr wird es wieder ein „Gartenfreund-Expertenforum“ geben.
Gerrit VietsFoto: Verlag W. Wächter
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