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Vielfalt erwünscht: Menschen in Kleingärten

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Aspekte zur gesellschaftlichen Struktur des Kleingartenwesens

ein Drittel der Kleingärtner ist bis 55 JahreFoto: Breder Nur rund ein Drittel der Kleingärtner ist bis 55 Jahre alt In Kleingärtnervereinen organisieren sich seit Jahr­zehn­ten Men­schen, deren Bedürfnis es ist, einen Garten zu bewirtschaften. Weil die­se Gartenfreunde mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen und Ide­­en in einem Kleingarten aktiv sind, sind es auch sehr un­ter­schied­li­che Menschen, die in einem Klein­gärt­ner­ver­ein zusammenkommen.


Spiegel der Gesellschaft

Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt­ent­wick­lung hatte eine Studie über die „Städte­bauliche, ökologische und so­ziale Bedeutung des Kleingarten­we­sens“ (im Folgenden: Studie) in Auf­trag gegeben, die im Jahre 2008 abgeschlossen wurde. Darin wurde u.a. festgestellt, dass sich in Kleingärten Menschen aus unterschiedlichsten Milieus treffen.

Zwei Drittel aller Kleingärtner ver­fügen über eine abgeschlosse­ne Berufsausbildung und weitere 17% über einen Hochschulabschluss. Nur 7 % der Klein­gärt­ner haben keinen Beruf gelernt. Damit entspricht die soziale Struk­tur der Mitglieder der Klein­gärt­ner­ver­ei­ne im Wesentlichen unserer derzeitigen Ge­sell­schafts­struk­tur.


Zu wenig Menschen aus der Mitte der Alterspyramide

Bedingt durch ein hohes Durchschnittsalter der Kleingärtner (knapp 60 Jahre) – laut Studie sind mehr als die Hälfte aller Kleingärtner Rentner, und darüber hinaus sind weitere 17 % arbeitslos – ist der Anteil der berufstätigen Menschen deutlich geringer, als der, die keinen Beruf (mehr) ausüben. Nur 31 % der Kleingärtner sind laut Studie bis 55 Jahre alt, während diese Altersgruppe sonst die größte Bevölkerungsgruppe ist. Wir haben zu wenige Gartenfreun­de aus dieser Al­ters­grup­pe.

Dabei ist es nicht so, dass die bis zu 55-jährigen Berufstätigen kein Interesse am Kleingarten hät­ten. Manchmal machen es sich die Kleingärtnerorganisationen selbst schwer, für diese Gruppe attraktiv zu sein. Mehr aber behindern die neuen Bedingungen im Arbeitsleben und im per­sön­li­chen Umfeld den Zugang zum Kleingarten.

Zur Gruppe der Menschen, die zwischen 30 bis 55 Jahre alt sind, gehören auch junge Familien, für die die Kleingärtnervereine beson­ders offen sind. Außerdem ha­ben sich neue Formen des Allein- und Zusammenlebens entwickelt, auf die wir uns einstellen müssen.


Gesucht: Gärtner aus allen gesellschaftlichen Gruppen

Nicht verheiratete Paare, die mit oder ohne Kinder zusammenleben, bleiben häufig außen vor. Wer pach­tet den Garten? Können nicht beide gemeinsam Kleingärtner und Pächter sein? Warum hat nur einer im Verein ein Mitspracherecht? Hier wird durch falsche Vertrags- und Satzungs­ge­stal­tun­gen der Zu­gang zum Garten verbaut. Immerhin soll schon jede siebte Familie unverheiratet zusammenleben (Sta­tistisches Bundesamt).


Alleinerziehende nur selten Kleingärtner

Eine große Gruppe von Menschen wird aus den Gärten ausgrenzt, weil ihnen die „schwere“ Gar­ten­ar­beit nicht zugetraut wird. Immer noch mit dem Bewusstsein, der Garten muss im Frühjahr und im Herbst mindestens zwei Spaten tief umgegraben werden, tritt so mancher entsprechend orientierte Vorstand einer alleinerziehenden Mutter mit Kindern sehr skeptisch gegenüber, wenn sie einen Garten haben möchte (nicht einmal 5 % der Gartenpächter sind alleinerziehend, so die Studie).

Nicht selten kommt als erstes die Frage: „Schaffen Sie die Garten­ar­beit denn auch, und wissen Sie, dass in unserer Anlage in der Mittagszeit und am Wochenende sowieso Ruhe zu herrschen hat? Das gilt auch für Kinder.“ Wenn wir so an diese Grup­pe herangehen – schon 19% der Be­völkerung ist alleinerziehend (Statistisches Bun­desamt) – grenzen wir immer mehr Menschen aus.


„Hartz“-Gesetze und flexible Arbeitszeiten

In den letzten Jahren wurden viele politische Diskussionen unter dem Stichwort „Hartz“ geführt. Ge­meint sind damit Gesetze, mit de­nen die Arbeit flexibler gestaltet wurde, bis hin zu großen Verände­rungen der gewohnten Sozialsysteme.

Kleingarten abzugegebenFoto: Breder/Verlag W. Wächter Wir wissen nicht, warum dieser Kleingarten abgegeben werden muss. Wollen wir hoffen, dass es nicht aus finanzieller Not geschieht.

An die Stelle des festen Ar­beits­platzes mit geregelter Arbeitszeit tritt immer häufiger der Ar­beits­ver­trag auf Zeit. Hinzu kommt, dass bei unseren heutigen Arbeitszei­ten immer weniger auf den Schlaf zur Nacht, noch weniger auf den Ruf der Kirchenglocken Rücksicht genommen wird. Noch am späten Samstagabend gehen wir z.B. im Supermarkt einkaufen.

Im Kleingarten aber ruht „der Hammer“ von Samstagmittag bis Montagvormittag. Auch hier sind wir noch nicht bei den Menschen angekommen, die erst am Wochen­ende von ihren Arbeitsplätzen ins Freie können und sich hier betätigen wollen.


Befristete Arbeitsverträge

Die „Hartz-Gesetze“ haben auch die Dauer von Arbeitsverhältnissen beeinflusst. Zeitarbeitsverträge mit der Folge, nach der Beendigung nicht nur den Arbeitgeber, sondern häufig auch die Stadt wechseln zu müssen, sind heute keine Seltenheit mehr.

Laut Studie bewirtschaften 21% der Kleingärtner ihren Garten länger als 30 Jahre, 24 % ihren Garten 21–30 Jahre und 21 % 11–20 Jahre. Um mehr Flexibilität für die zu ermöglichen, die den Wohnort be­ruflich bedingt häufig wechseln müssen, sollte über neue Pachtver­träge, über Miet­gär­ten oder ähnliche Vertragsgestaltungen nachgedacht werden.


Einen Kleingarten muss sich jeder leisten können

Der Umbau der Sozialsysteme wirkt sich auch auf die Kleingärtner- vereine und ihre Mitglieder massiv aus: Ein Kleingarten kostet ca. 300,– Euro im Jahr, in Großstädten kommt man laut Studie auf 435,– Euro. Im Durchschnitt entfallen davon 16 % auf die Pacht, 20 % auf den Vereinsbeitrag, 14 % auf Abgaben (z.B. Versicherungskosten, Steuern), 17 % auf Strom und Wasser und 33 % auf zusätzliche Ausgaben.

Dem stehen zwar ein paar Einsparungen gegenüber, weil man die eigenen Gartenprodukte nicht kaufen muss. Aber realistisch gerechnet, kommt man im Monat auf durchschnittlich 25,– bis 30,– Euro, die meistens auf einmal am Ende des Jahres fällig werden.

Für jemanden, der nur 364,– Euro (SGB-II-Satz eines Haushaltsvorstandes) monatlich bekommt, ist das ein ganzes Monatseinkommen.


Arbeitslose, Geringverdiener und Rentner haben es schwer

Betrachtet man die Einkünfte der 7 % langzeitarbeitslosen Kleingärt­ner oder derjenigen, die zu einem geringen Lohn von 8,– Euro pro Stun­de oder darunter arbeiten müs­sen, nimmt man die Rentner hinzu, die auf keine 50-jährige Erwerbsbiografie im Angestelltenverhältnis zurückblicken können und des­halb nur weniger Ren­te als der Durchschnitt (z.Zt. ca. 990,– Euro mtl.) haben, stellen wir fest, dass uns zahlreiche Kleingärtner verlassen, weil sie ihren Kleingarten nicht mehr bezahlen können.

Viele dieser Menschen verschwinden lautlos. Plötzlich wird der Garten nicht mehr bewirtschaf­tet, und der Kassierer merkt, dass auch nach mehrmaliger Mahnung das für den Verein bestimmte Geld ausbleibt. Leider ist die Kleingartenkündigung wegen Zahlungsverzug heute die häufigste Kün­di­gung durch den Verein – trotz Verständnisses für die finanzielle Lage der Betroffenen.

Es gibt nach wie vor die Pachtpreisbindung – und sie ist notwendig. Aber auch die anderen Kosten dürfen sich nicht erhöhen, wenn sich weiterhin jeder einen Kleingarten leisten können soll.

Es gibt viele Möglichkeiten, jedem Menschen einen Kleingarten finanziell zu ermöglichen: So kann eine monatliche Zahlweise weiterhelfen, und der Anbau von Gartenbauerzeugnissen kann die Haushaltskosten der wirtschaftlich be­nachteiligten Gartenfreunde verringern.

Die Kleingärtnervereine sind aber – ebenso wie Sportvereine oder andere gesellschaftlich re­le­van­te Vereine – nicht in der Lage, die größer werdende Armut in Deutschland aufzuhalten. Hier ist die Politik gefordert.

Hans-Jörg Kefeder,
Präsident des Landesverbandes Niedersächsischer Gartenfreunde