- Kleingartenwesen
Wo Kulturen zusammenwachsen
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Es müssen mittlerweile Hunderte sein: In ganz Deutschland eröffnen Kleingärtnervereine „interkulturelle Gärten“, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammen gärtnern. Andere Vereine stellen Geflüchteten Parzellen zur Verfügung. Die Gartenfreunde geben Neuankömmlingen die Chance, Wurzeln in der Fremde zu schlagen. Wie erfolgreich, zeigt der Wettbewerb „Gärten der Integration“ der Deutschen Umwelthilfe, bei dem regelmäßig Kleingärtnervereine ausgezeichnet werden.
Diese Leuchtturmprojekte verstellen manchmal den Blick darauf, wie der Großteil der Vereine Tag für Tag einen Beitrag zu einer gelungenen Integration leistet – unaufgeregt und unbeachtet von Politik und Gesellschaft, abseits des medialen Fokus auf vereinzelte Negativbeispiele.
Feste Bestandteile
Allen Vorurteilen zum Trotz: Kleingärten waren nie Orte für „deutsche Spießer“. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde aus dem Jahr 2006 gärtnern über 300.000 Menschen aus über 80 Ländern mit und ohne deutschen Pass auf den Parzellen, 17 % in den alten Bundesländern und 2 % in den neuen Bundesländern (mit Berlin). Migranten werden zu einer immer größeren Interessengruppe für Parzellen. Vielerorts gibt es prozentual mehr Migranten in den Vereinen als in der jeweiligen Kommune.
„Kleingärtnervereine sind längst zu einem Ort der Integration geworden. Viele Menschen mit Zuwanderungsgeschichten, die schon länger bei uns leben, sind in Kleingärten aktiv. Viele Aussiedler, aber auch sogenannte Gastarbeiter aus der Türkei, die in den letzten Jahrzehnten nach Deutschland kamen, engagieren sich in Kleingärten und sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil der Vereinsstrukturen geworden“, so die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, in einem Statement gegenüber dem „Gartenfreund“.
Foto: Bezirksverband Castrop-Rauxel/Waltrop
Gemeinsam Wurzeln schlagen
Das Gärtnern auf den Parzellen fördert das Zusammenwachsen. „Die Kleingärtner haben einen gemeinsamen Bezug zu etwas, was ihnen gleich nah ist. Dadurch entstehen Nähe und Kontakte, durch die Vorurteile abgebaut werden. Kleingärten können so einen Beitrag zur Integration leisten“, so Prof. Dr. Haci Halil Uslucan von der Uni Duisburg-Essen, stellv. Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration.
Israfil Yalcin (43), in der Türkei geboren und stellv. Vorsitzender des Vereins „Hansa“ in Dortmund, kann das bestätigen. „Im Verein haben wir die Möglichkeit, uns kennenzulernen. Wir sind wie eine Familie. Wenn wir etwa unser Sommerfest machen, kommen da alle möglichen Kulturen zusammen. Wenn ich dann kein Schwein esse oder keinen Alkohol trinke, kann ich erklären, warum ich das mache, und das wird dann respektiert. Genauso ist es umgekehrt.“
Besonders Migranten aus ländlichen Regionen schaffen es, über die Kleingärten leichter Wurzeln zu schlagen. „Heimweh ist immer da am größten, wo es große Unterschiede zur Heimatregion gibt. Wenn jemand aus einer ländlichen Region kommt, wird im Garten eine Nähe zur früheren Lebenswelt hergestellt, und die kulturelle Eingewöhnung fällt wesentlich leichter. Gärtnern fördert aber auch eine gelungene Integration, weil hier Sprache in den Hintergrund rückt. Wenn mehrere Menschen etwas machen, womit sie sich alle auskennen und das einer gewissen Logik folgt, dann können auch unabhängig von Sprache gute Nachbarschaften und Freundschaften entstehen“, erläutert Uslucan.
Leidenschaft, die verbindet
Dabei gibt es auch Probleme, wenn Menschen mit unterschiedlichen Vorstellungen aufeinandertreffen. „Da gibt es mal unterschiedliche Ansichten, etwa bei der Mittagsruhe, das ist aber unabhängig von der Herkunft, und wir können darüber reden“, so Israfil Yalcin, der seit drei Jahren Kleingärtner ist.
„Ich liebe es auf jeden Fall, im Verein zu gärtnern!“ Eine Leidenschaft, die verbindet und über die Kleingärtnervereine in ganz Deutschland gelungene Integrationsprozesse unterstützen. Es wird Zeit, dies endlich anzuerkennen.
Sören Keller
Verlag W. Wächter