- Kleingartenwesen
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Wie zukunftsfähig ist das Kleingartenwesen?
Foto: Breder Peter Paschke meint in seiner Kolumne auf Seite 23 dieser Ausgabe, dass ausdrucksschwache Worte der Alltagssprache oftmals durch passendere Begriffe ersetzt werden sollten, um bestimmte Sachverhalte und Trends auszudrücken. Der Begriff „Zukunftsfähigkeit“ kann mit Sicherheit für sich in Anspruch nehmen, ein passender Ausdruck zu sein.
Eine Recherche ergibt ein vereinzeltes Auftreten des Begriffes „Zukunftsfähigkeit“ bereits in den 80er Jahren und einen unaufhaltsamen Aufstieg in den 90ern. Er verbindet sich mal mit Parteitagen oder der Tourismusbranche, mal mit Technologie oder Vergangenheitsbewältigung.
Politisch ist die „Zukunftsfähigkeit“ so neutral, dass alle über sie reden, aber wenig für sie tun. Natürlich findet sie besonderen Niederschlag bei Hightech, Innovationen, Multimedia und Computernetzen, aber auch in der ökologischen Bedeutung von Nachhaltigkeit etabliert sich die „Zukunftsfähigkeit“.
Betrachten wir dazu das Kleingartenwesen. Auch hier ist vereinzelt von „Modernisierung“ die Rede. In diesem Zusammenhang wird dem Kleingartenwesen unter den jetzigen Bedingungen jedwede „Zukunftsfähigkeit“ abgesprochen. Begründet wird diese These mit der Überalterung der Kleingärtner und damit, dass junge Menschen unter den derzeitigen Bedingungen nicht bereit seien, eine Kleingartenparzelle zu pachten.
Obst- und Gemüseanbau vor allem in Zeiten der Not
Die Entwicklung des Kleingartenwesens wird von den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen stark beeinflusst. Gravierend machte sich dies zu Notzeiten (Nachkriegszeiten) bemerkbar, ebenso in Zeiten der Mangelwirtschaft.
Erfolgt eine unzureichende Bereitstellung von Obst und Gemüse für die Bevölkerung (z.B. in der ehemaligen DDR), gewinnen Kleingärten an Bedeutung und werden wesentlich effektiver genutzt, um Obst und Gemüse anzubauen und damit die Versorgung der eigenen Familie zu verbessern.
Selbst die Meinungsbildung durch die Medien trägt, zwar in geringerem Maße, zu den unterschiedlichsten Entwicklungen im Kleingartenwesen bei. Wird der biologische Anbau propagiert oder erscheinen Meldungen über Schadstoffe im Obst und Gemüse, verbessern interessierte Kleingärtner ihre kleingärtnerische Nutzung oder erweitern sie.
In sicheren Zeiten entsteht der Wunsch nach mehr Luxus
Ist dagegen die Wirtschaft stabil und die Versorgung der Bevölkerung gesichert, gehen die Forderungen der Kleingärtner in eine andere Richtung. Dann wünschen sie sich u.a. eine bessere Ausstattung der Lauben z.B. mit Strom, Wasser und Kanalanschluss.
Es liegt in der Natur des Menschen, so auch des Kleingärtners: Wurden seine Vorstellungen verwirklicht, entstehen automatisch neue Wünsche und Forderungen. So werden Stimmen laut, man solle doch dem Kleingärtner selbst überlassen, ob er Obst und Gemüse anbauen oder den Garten nur zur Erholung nutzen will.
Ebenso diskutieren die „Erneuerer“ des Kleingartenwesens über größere Lauben und eine luxuriösere Ausstattung der Bauwerke, die auch eine Übernachtungsmöglichkeit einschließt.
Für die Akzeptanz dieser Forderungen liegt die Bereitschaft vor, eine höhere Pacht abzuführen. Nach diesem Modell sollte es künftig drei Kategorien von Kleingärten geben, die sich letztlich im Preis unterscheiden, wobei die unterste Stufe die derzeitigen Kleingärten wären.
Bundeskleingartengesetz dient dem Schutz der Kleingärtner
Foto: Breder Da diese Wunschvorstellungen unter den derzeitigen gesetzlichen Bedingungen nicht möglich sind, fordern einige, das Bundeskleingartengesetz (BKleingG) zu ändern. Doch dieses Gesetz dient in erster Linie dem Schutz und der Sicherheit der Kleingärtner.
Damit war es bisher erfolgreich möglich, den Spagat eines akzeptablen Interessenausgleichs zwischen den Bodeneigentümern und den Kleingärtnern zu schaffen. Die zahlreichen Klagebegehren von Bodeneigentümern zeigen, dass sie die Eingriffe in ihre Besitzrechte so nicht mehr akzeptieren wollen. Die Forderungen nach Aufhebung der Pachtpreisbindung und des Kündigungsschutzes werden lauter.
Eine Lockerung der Pflichten der Pächter und ein großzügigeres Gestatten von mehr Luxus in den Lauben und Gärten bringt ein Ungleichgewicht in das bereits gefährdete Gebilde des BKleingG.
Die Grenzen dieses Gesetzes auszuloten, wie es von Parteien, Kommunen und Verbänden favorisiert wird, kann das nunmehr das lang gesuchte und viel diskutierte „Heilmittel“ sein? Die oberste Priorität gilt dem Erhalt des bestehenden Kleingartenwesens unter der bestmöglichen sozialen Absicherung.
Vor 144 Jahren gründeten unsere Vorfahren den ersten Schreberverein in Leipzig, um den sozial Bedürftigen mit ihren Kindern die Möglichkeit zu geben, sich ein Stück Land nach ihren Vorstellungen zu formen, sich an frischer Luft zu betätigen und sich darüber hinaus mit Obst und Gemüse zu versorgen. Unsere Schuldigkeit ist es auch, das Bewährte zu erhalten.
Bei aller Diskussion über die Zukunftsfähigkeit und die möglichen Veränderungen des Kleingartenwesens ist es notwendig, den Schwerpunkt auf den Erhalt zu legen. Mit der Auslegung über Toleranzen und mögliche Freiheiten wird in den Ländern unterschiedlich verfahren. So gibt es auch in den Verbänden (Zwischenpächter) unterschiedliche Herangehensweisen, was von den Bodeneigentümern sehr unterschiedlich akzeptiert wird. Der Gesetzestext selbst steht dabei jedoch nicht zur Disposition!
Auch Kinder berücksichtigen
Denkbar wären vor allem Gestaltungsobjekte, die zur Kinderfreundlichkeit in den Kleingärten beitragen und somit diese für Kinder und Jugendliche attraktiver machen, wie ein Baumhaus oder ein Klettergerüst im Kleingarten. Da diese Objekte nur für den jeweiligen vorgeschriebenen Verwendungszweck genutzt werfen dürfen, sollten sie, wenn die Kinder das 12. Lebensjahr überschritten haben und die Geräte nicht mehr nutzen, wieder entfernt werden.
Die Einhaltung des Verwendungszweckes trifft für alle Bauwerke zu. So sollten z.B. Gewächshäuser nur für die Pflanzenan- und -aufzucht verwendet werden und nicht als Geräteraum.
Unterschiedliche Entwicklungen in den Bundesländern
Eine einheitliche Regelung für diese „Toleranzgrenzen“ kann es nicht für die gesamte Bundesrepublik geben, denn innerhalb der einzelnen Länder war die Entwicklung auf diesem Gebiet sehr unterschiedlich. Es spielt natürlich auch eine große Rolle, welche Lobby die Kleingärtner in den Ländern haben.
Es wird auch noch in nächster Zeit größere Unterschiede zwischen den neuen und den alten Bundesländern geben. Schon allein das Vorhandensein des Schuldrechtsänderungsgesetzes (gilt nur für die neuen Bundesländer) suggeriert den Bodeneigentümern nahezu, dass es noch eine weitere, für sie attraktivere Möglichkeit der Bodenverpachtung gibt.
Dabei ist die Abgrenzung zwischen beiden Gesetzen sehr fließend. Das heißt, dass die Unterscheidungsmerkmale gering sind und sich hauptsächlich in der kleingärtnerischen Nutzung kanalisieren.
Ähnlich verhält es sich mit der Grundsteuer B. Auslöser war der Ministerratsbeschluss für Finanzen vom 07.08.1973, wonach Gartenlauben bis max. 25 m² von der Zahlung der Grundsteuer befreit sind, d.h. für Lauben ab 26 m² muss sie gezahlt werden. Auch hier kommt die Steuer nur für die neuen Bundesländer zum Tragen.
Kommunen in den neuen Ländern sind aufgrund ihrer meist bescheidenen Finanzlage darauf angewiesen, auf alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel bei Finanzeinnahmen zurückzugreifen. Resultierend daraus kommt es neben der Forderung der höchstmöglichen Pacht auch zu weiteren Belastungen, von der Straßenreinigungsgebühr über die Kosten zur Schneeberäumung bis hin zu Straßenausbaugebühren, die auf den Kleingärtner abgewälzt werden.
Dagegen ist die Pacht in den alten Ländern über viele Jahre stabil geblieben, und Nebenkosten kommen selten zum Tragen, die Kleingartenanlagen werden hier nicht als „Einnahmequellen“ gesehen. Deshalb wird allgemein etwas großzügiger verfahren, auch mit der Umsetzung der kleingärtnerischen Nutzung in Gartenanlagen. Und so werden auch Kleingärtner akzeptiert, die etwas in Richtung „Erholung“ tendieren.
In den neuen Ländern dagegen sichert der Bestandsschutz derzeit noch die größeren Lauben (bis max. 30 m²) und ebenso die Ausstattung der Lauben mit Strom, Wasser u.Ä. Bei einer Veränderung der Laube entfällt jedoch der Bestandsschutz!
Auch Migranten und Senioren für Zukunftsfähigkeit wichtig
Foto: Breder In deutschen Kleingärten gibt es etwa rund 75.000 Kleingärtnerfamilien mit einem Migrationshintergrund. Deshalb ist eine Zukunftsfähigkeit ohne diese Gruppe nicht vorstellbar.
Es zeichnen sich hier zwei verschiedene Bewegungen ab: Für junge Städter bietet der Garten meist einen Ort der Ruhe und der Kreativität, während Migranten, die aus ländlicheren Gebieten stammen, die Parzellen intensiv für den Anbau von Obst und Gemüse nutzen.
Für noch aktive Senioren lassen sich auch neue Konzepte entwickeln, die z.B. eingeschränkter Bewegungsfreiheit gerecht werden. Auch vielen behinderten Menschen würde dies entgegenkommen, um ihnen mit ihren oftmals eingeschränkten Möglichkeiten etwas mehr Lebensqualität in der Natur zu verschaffen.
Fazit
Um zum Abschluss die Frage nochmals aufzugreifen, wie zukunftsfähig das Kleingartenwesen ist, müssen wir uns selbst fragen, wie weit die Kleingärtner bereit sind, den jetzt greifenden Schutzmechanismus zu erhalten. Dabei sollten wir nicht vordergründig an unseren „Luxus“, sondern auch an die sozial schwächer gestellten Mitmenschen denken, denn in erster Linie sollten wir für sie – so wie es die Begründer des Kleingartenwesens wollten – diese soziale Nische in unserer Gesellschaft erhalten.
Weiterhin müssen wir etwas tun, um junge Menschen anzusprechen und unsere Vereinspolitik etwas „jugendgemäßer“ zu gestalten. Sollte uns das gemeinsam gelingen, wird das Kleingartenwesen auf jeden Fall zukunftsfähig sein.
Lothar Fritzsch,
Vizepräsident des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner