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Zwei Jahre nach dem Neuanfang

Schlagworte zu diesem Artikel:
  • Hochwasser
  • Parzellen
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Hochwasser im KGV „Fischerinsel“Foto: Michael Kretzschmar Über drei Wochen blieb das Wasser im KGV „Fischerinsel“.


Das Hochwasser des vergangenen Jahres weckte Erinnerungen an ein Starkregenereignis, das im Sommer 2011 den Rostocker Ortsteil Warnemünde unter Wasser setzte. Dabei wurde auch die Kleingartenanlage „Fischerinsel“ überschwemmt – gleich mehrere Wochen standen die Parzellen unter Wasser. Dass es die Anlage auch heute noch geben würde, konnte damals keiner glauben.


Junge Pflanzen

HochwasserFoto: Michael Kretzschmar Das Wasser stand bis zu 75 cm hoch.


Geht man heute über die „Fischerinsel“, erinnert nur noch wenig an das Hochwasser. Es fällt aber auf, dass es kaum Hecken an den Wegen gibt, und auch Kirschbäume sucht man vergebens – genau wie ältere Obstgehölze oder Beerensträucher. Denn die Erst­pflan­zun­gen aus dem Grün­dungs­jahr 1985 haben das Wasser nicht überlebt und mussten ersetzt werden.

Dabei hatten die Kleingärt­ner nur Pflanzen angezogen, denen Hochwasser nichts anhaben konnte. Denn alle zwei bis drei Jahre stand die Anlage in dem ehemaligen Sumpfgebiet unter Wasser - immer dann, wenn der Regen in solchen Massen niederging, dass er nicht schnell genug ablaufen konnte. Aber stets war der Spuk nach ein paar Tagen vorbei, und die Garten­freunde konnten sich wieder ihrem Hobby widmen.


Land unter

Im Sommer 2011 war das anders: Da stand das Wasser so hoch wie noch nie in der Klein­gar­ten­an­lage, so hoch, dass die „Fischer­insel“ keine „Insel“ mehr war, sondern durchgängig bis zu 75 cm unter Wasser stand - und das dreieinhalb Wochen lang. In 70 von 78 Lauben drang das Wasser ein. Es entstand ein Schaden, den zum damaligen Zeitpunkt noch niemand abschätzen konnte.

Nachdem das Wasser weg war und die mit Entenflott bedeckten Gärten mit ihren verfaulten Kul­tu­ren zum Vorschein kamen, fragte sich mancher Gartenfreund, ob es die Mühe überhaupt wert sei, wieder von vorne anzufangen. Viele dachten daran aufzuhören oder sich woanders einen Garten zu suchen.


Vorbilder

Doch ein paar Kleingärtner, wie das Ehepaar Kunze - über 80 Jahre alt und Gründungsmitglieder des Vereins - fackelten nicht lange: Sie krempelten die Ärmel hoch und begannen aufzuräumen. Ihre Nachbarn nahmen sich daran ein Beispiel. Was die in ihrem Alter können, das kann ich erst recht, dachten sie sich im Stillen. Und das war wohl Motivation genug.

Zuerst wurde der Müll von den Parzellen entfernt: 20 Tonnen kamen da zusammen, die kostenlos von der Stadtverwaltung abgefahren wurden. Anschließend entfernten die Pächter Fuß­bo­den­be­lä­ge, Wandverkleidungen und die Tapeten, und jeder entwickelte seine ganz eigene Strategie, die Leichtbaulauben wieder trocken zu bekommen.


HochwasserFoto: Michael Kretzschmar Kneippsches Wassertreten der besonderen Art: Die Gartenfreunde ließen sich nicht den Mut nehmen.


Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob die Wände der „Fertigteillauben“ noch zu gebrauchen waren. Spanplatten saugen viel Wasser auf, und die Versuche, es wieder aus dem Holz zu be­kom­men, waren entsprechend schwierig. Noch bis Ende 2011 wurde fleißig getrocknet und auf­ge­räumt, doch das lohnte sich: Nur eine Laube musste erneuert werden, aber nur, weil bereits vorher Verfallserscheinungen aufgetreten waren.

Das Erstaunlichste aber war, dass keine der Parzellen den Besitzer wechselte. Kein Kleingärtner gab auf, und man hat bis heute den Eindruck, dass durch das Hochwasser und dessen Folgen die Gartenfreunde wieder enger zusammengerückt sind. So war es keine Frage, dass 2012 das jähr­li­che Wegefest im „Stichlingsweg“ nicht ausfallen durfte.


Rostocker Bilanz

Auch in den Warnemünder Kleingärtnervereinen „Am Moor“ und „An der Laak“ gab es große Schäden durch das Hochwasser. Insgesamt kamen bei allen Vereinen 160 Tonnen Sperrmüll zusammen - inklusive des Mülls des örtlichen Kaninchenzüchtervereins. Die Kosten für die Aufräumarbeiten wurden auf rund 20.000 Euro geschätzt.


WassertomateFoto: Michael Kretzschmar Hier bekommt der Ausdruck „Wassertomate“ eine neue Bedeutung: Die Gemüseernte 2011 verzeichnete Land unter.

 

Verluste

Dabei ist der jedem Einzelnen entstandene Schaden schwer zu beziffern. Etwa 2000 bis 4000 Euro für die Sanierung von Laube, Wegen und Zäunen sind nicht zu hoch angesetzt. Dazu kamen noch etwa 1500 bis 2000 Euro für Gartengeräte, neue Bäume, Büsche, Sträucher, Rosen und anderen Kulturen, bis hin zur Anlage neuen Rasens. Kaum eine Versicherung übernahm den entstandenen Schaden, und auch gegenüber der Stadt konnten keine Schadensersatzforderungen durchgesetzt werden.

Insgesamt ist den 15.500 Rostocker Gartenfreunden ein geschätzter Schaden von über einer Mil­li­on Euro entstanden, aber kaum ein Gartenfreund hat aufgegeben. Mittlerweile grünt und blüht es wieder in allen Parzellen der Stadt - wie auch in der Kleingartenanlage „Fischerinsel“. Inzwischen können die Gartenfreunde sogar wieder ihren Bauch in die Sonne halten und sind nicht mehr so blass wie im Jahr 2012, als jede freie Zeit genutzt wurde, um den entstandenen Schaden zu be­sei­ti­gen.

Nur die Pflanzen sind eben noch klein und müssen noch wachsen. Heute sieht es so aus wie zwei Jahre nach Gründung des Vereins. Zum 30-jährigen Bestehen 2015 wird die Anlage aber bestimmt schon wieder anders aussehen.

Michael Kretzschmar
Geschäftsführer Stadtverband Rostock