- Flechten und Moose
Flechten: faszinierende Lebenskünstler
Flechten (Lichenes) sind auf mehrfache Weise spannende Lebewesen. Zum einen begegnen sie uns in vielfältigen Formen, z.B. als krustige Beläge, mit lappigen Strukturen, becher- oder stäbchenartig wie kleine Trompeten oder als strauchige Gebilde mit verzweigten filigranen Ästchen ... Hinzu kommen Farben wie Weiß, Gelb und Orange oder verschiedene Grün-, Grau- und Brauntöne bis hin zu tiefem Schwarz. Manche Fruchtkörper leuchten dazu in knalligem Rot.
Tolerant gegenüber extremen Bedingungen
Außerdem besiedeln Flechten die unterschiedlichsten Lebensräume: Sie wachsen auf Felsen, Mauern, auf Baumrinden und Totholz, auf nährstoffarmen Böden in lichten Wäldern, Heiden und Mooren sowie auf windumtosten Berggipfeln.
Und das weltweit in verschiedenen Klimaregionen: bei tropischer Hitze, unter extremer Trockenheit oder in arktischer Kälte! Rentierflechten haben z.B. eine Kältetoleranz bis – 196 °C. Auch gibt es eine Flechte, Verrucaria serpuloides, die ständig unter Wasser lebt. Mit der Vielfalt an Lebensräumen ist auch eine Vielfalt an Arten verbunden: Rund 25.000 Flechtenarten gibt es auf unserem Globus.
Perfekte Symbiose
Foto: Spohn Kommen wir nun zum wohl Faszinierendsten, was Flechten zu bieten haben. Sie bestehen nämlich aus einer nahezu perfekten Lebensgemeinschaft von einem Pilz mit einem Photosynthese betreibenden Partner. Das können Grün- oder Blaualgen sein.
Diese Lebensgemeinschaft hat für beide Partner Vorteile: Der Pilz umhüllt die Alge, die dadurch u.a. vor schnellem Wasserverlust, vor intensiver Sonneneinstrahlung sowie vor Fressfeinden geschützt ist. Außerdem liefert der Pilz der Alge Spurenelemente, die sie zum Leben benötigt.
Die Alge, die im Gegensatz zum Pilz Photosynthese betreiben kann, versorgt den Pilz mit den für sein (Über-)leben notwendigen Kohlenhydraten. Eine solche Lebensgemeinschaft, bei der beide Partner voneinander profitieren, nennt man Symbiose.
Äußerlich ist Flechten die Zusammensetzung aus Alge und Pilz nicht anzusehen, sie bilden einen ganz eigenen Organismus. In der Systematik des Pflanzenreichs werden sie den Pilzen zugeordnet und haben dort eine Sonderstellung. Die Lehre von den Flechten wird als Lichenologie bezeichnet.
Wichtig für die Entstehung von Boden
Foto: Breder Flechten spielen bei der Entstehung fruchtbarer Böden eine große Rolle. Sie können – wie bereits erwähnt – karge Felsen besiedeln. Dabei greifen sie das Gestein chemisch an und leiten dessen Verwitterung und folglich die Bodenbildung ein. Damit ist die Grundlage geschaffen, dass auch höhere Pflanzen hier Fuß fassen können.
Indikatoren für gute Luft
Foto: Breder Da Flechten viele Substanzen aus der Luft und aus dem Regenwasser aufnehmen, die sie nicht wieder ausscheiden können, reagieren sie sehr empfindlich auf Umweltveränderungen, vor allem auf Luftverschmutzung. Somit gelten sie auch als Zeigerorganismen (Indikatoren) für die Luftgüte.
Jahrzehntelang sorgten die hohen Schwefeldioxid-Emissionen aus Industrie und Verkehr für den Rückgang vieler Flechtenbestände. Inzwischen ist die Luftqualität bei uns wieder besser geworden, sodass sich Flechten – sogar in unseren Großstädten – erneut ansiedeln können.
Heil- und Nahrungsmittel
Foto: Breder Einige Flechten werden seit dem Altertum als Heilmittel eingesetzt. Vielen bekannt ist z.B. das Isländisch Moos (Cetraria islandica), wobei der Name „Moos“ irreführend ist. Er entstand zu einer Zeit, als die Menschen noch nicht zwischen Moosen und Flechten unterscheiden konnten. Inhaltsstoffe von Cetraria islandica wirken Entzündungen der Schleimhäute entgegen und werden auch heute noch für Lutschpastillen und Hustenmittel genutzt.
Manche Flechten sind auch wichtige Nahrungsquellen. Ein jeder hat sicherlich schon von den „Rentierflechten“ gehört, deren Name in der Tat daher stammt, dass einige von ihnen eine Hauptfutterquelle für die Rentiere im hohen Norden darstellen.
Doch auch anderen Tierarten wie den Larven mancher Schmetterlinge dienen Flechten als Nahrung. Zudem nutzen Vögel die strauchartigen Formen für den Nestbau, und zahlreichen Kleintieren dienen Flechten als Lebensraum.
Farb- und Duftstoffe
Die Inhaltsstoffe einiger Arten können zum Färben verwendet werden. Der blaue Lackmus ist z.B. ein solcher Farbstoff, der u.a. aus Arten der Gattung Roccella gewonnen wird. Außerdem werden bestimmte Flechten für die Parfümherstellung genutzt, um den edlen Düften eine ganz eigene Note zu verleihen.
Christiane Breder