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„Wir sind nicht der Sparstrumpf der Nation“

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Das Kleingartenwesen – ein unübersehbarer Wirtschaftsfaktor


Kleingartenanlagen in WohngebietenFoto: Breder Kleingartenanlagen in Wohngebieten dienen vielen Bürgern als Stätten der Erholung – dank der guten Pflege durch die Gartenfreunde


Die Familie der Kleingärtner ist sich bewusst, dass sie ihre „Grünen Oasen“ auf öffentlichen Flä­chen errichtet und doch zum größten Teil individuell nutzen kann. Sie kann aber auch darauf verweisen, dass sie dies nicht nur für sich allein tut, sondern in hohem Maße auch für die Ge­sell­schaft – für die Lebensqualität der Menschen. Denn Kleingartenanlagen sind für alle Menschen offen, die die bunte Blumenpracht sowie die vielfältigen Obst- und Gemüsesorten auf ihren Spa­zier­gän­gen sehen und kennenlernen wollen.


Pacht und Gebühren

Die Pacht, von fast allen Pächtern ohne Murren getragen, schwankt deutschlandweit von einem Cent bis einen Euro pro Quadratmeter und Jahr. Damit fließen bei einer Gesamtfläche von bun­des­weit 46.000 Hektar rund 78,2 Mio. Euro in die Kassen der Städte und Gemeinden.

Neben dieser Pacht werden vielfältige öffentlich-rechtliche Lasten eingefordert, die ebenfalls länderweit sehr unterschiedlich ausfallen können. So wird die Grundsteuer, die eigentlich ähnlich wie bei land- und forstwirtschaftlichen Flächen anfallen sollte, in Berlin auf der Basis „Grund­ver­mö­gen“ erhoben und mit einem Hebesatz von 810 % belegt.

Straßenreinigungsgebühren und Winterdienste können ebenfalls schwer ins Gewicht fallen. So werden z.B. für eine Berliner Kleingartenanlage in Charlot­tenburg, die eine Größe von ca. 30 ha hat – trotz einer zu reinigenden Stra­ßenlänge von nur 1500 m weitere 47.000 Eu­ro pro Jahr fällig, weil nicht die Straßenlänge, sondern die Fläche als Berechnungsgrundlage festgelegt wird.

Zweitwohnungssteuer und Kurtaxe, aber auch Beiträge zum Straßenausbau (in Sachsen werden einmalig zwischen 51 und 281 Euro pro Parzelle gefordert) schlagen vielerorts zu Buche. Ab­was­ser­an­schluss­bei­träge für Parzellen, die gar nicht an die Kanalisation angeschlossen sind, er­schei­nen besonders unverständlich. Mit bis zu 17 verschiedenen Gebührenarten werden Kleingärtner über Kommunalabgabeverordnungen zur Kasse gebeten, obwohl ihnen aus einigen Abgaben kein Vorteil erwächst.


Stadtgrün wirklich ein „Berliner Anliegen“?

Viel mehr staunt man über die Antwort der Berliner Senatsverwaltung auf eine Anfrage im Ab­ge­ord­ne­ten­haus zum Thema „private Bürgerinitiativen, die sich ehrenamtlich um die Begrünung Berlins kümmern“. Dort heißt es: „Initiativen, die das Berliner Stadtgrün attraktiver machen, sind ausdrückliches Anliegen des Senats.“

Was bedeutet dieses Engagement – neben den von den Kleingärtnern getragenen Kosten für Pacht und öffentlich-rechtliche Lasten – zusätzlich für die Gesellschaft und auch für die Entlastung der Haushalte?


Wirtschaftsfaktor durch Einsparungen


Wirtschaftsfaktor durch Einsparungen Für die Bepflanzung der Gärten geben Kleingärtner insgesamt rund 160 Mio. Euro pro Jahr aus


Kleingartenanlagen sind – genauso wie Parks und andere grüne Flächen – Stätten der Erholung für jeden Bürger. Würden die Kleingärtner diese Flächen nicht pflegen, so hätten wir vielerorts Brachflächen, da die oft stark verschuldeten Städte und Gemeinden finanziell nicht in der Lage wären, die erforderliche Pflege zu realisieren.

So stehen einem städtischen Bezirks­amt in Berlin 14 Cent pro Quadratmeter und Jahr für Grün­pfle­ge (ohne Pflanzen etc.) zur Verfügung – eine Summe, die für eine ordnungsgemäße und vor allem gewünschte Pflege wahrlich nicht ausreicht. Trotzdem spart dieser Bezirk, da die Kleingärtner die Flächen pflegen und erhalten, indirekt jedes Jahr 140.000 Euro ein.

Legt man diese Kosten für Grünpflege zugrunde, ergibt sich für die gesamte Kleingartenfläche Deutschlands eine Kos­tenersparnis von stattlichen 64,4 Mio. Euro, um die wir die öffentlichen Haushalte entlasten.


Wirtschaftsfaktor durch Investitionen

Kleingärtner sind zudem ein nicht zu vernachlässigender Kaufkraftfaktor. Jährlich werden im Kleingarten Materialien aller Art benötigt. Was wiederum dazu führt, dass Kleingärtner ständige Kunden von Baumärkten, Garten-Centern, Gärtnereien usw. sind.

Geht man davon aus, dass der Gartenmarkt durch die ca. 20 Mio. Gärten gegenwärtig ein Markt­vo­lu­men von ca. 14,6 Milliarden Euro realisiert, so kann man den Anteil der Kleingärten mit ca. 730 Mio. Euro beziffern, und dies mit steigender Tendenz.

Davon werden neben Erden, Düngern, Pflanzenschutzmitteln, Maschinen usw. 21,8 % in die Be­pflan­zung der Flächen investiert. Was immerhin einen Anteil von 160 Mio. Euro ausmacht – und das jedes Jahr.

Einen Teil dieser Summe für Pflanzen müsste man eigentlich noch dem öffentlichen Budget „Neu­pflan­zung im öffentlichen Grün“ zurechnen, der dort wiederum eingespart wird.

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass ein Kleingärtner durchschnittlich 276 Euro Nebenkosten im Jahr für seinen Kleingarten zu tragen hat. Auch das stellt einen Wirt­schafts­fak­tor dar, der über die Bezahlung von Strom und Versicherungen, Kommunalabgaben etc. eine Größenordnung von ca. 280 Mio. Euro pro Jahr ausmacht.


„Schnelles Geld“ gegen langfristiges Grün

Diese ausgewählten Beispiele sollen zeigen, dass das Kleingartenwesen nicht nur in Sachen Soziales, Ökologie, Stadtplanung und Gesundheit einen Beitrag leistet, sondern gleichermaßen auch einen ökonomischen Faktor darstellt, der nicht zu unterschätzen ist.

Dabei sollte man, wenn es um Fragen ei­ner langfristigen Sicherung von Kleingartenflächen geht, weiterhin die Tatsache nicht aus den Augen verlieren, dass ein schneller Verkauf an Investoren zwar in dem einen Augenblick eine bestimmte Geldmenge freisetzt, aber zum unwiederbringlichen Verlust an Lebensqualität führt. Die wahren Werte der Erhaltung öffentlichen Grüns und damit auch der Kleingartenflächen zeigen sich erst langfristig, wenn die Nachkommen der heute po­li­tisch Verantwortlichen ihr Erbe antreten.


Nicht-monetäre Leistungen „aufaddieren“

Wie im Vorangegangenen dargestellt wurde, gibt es doch erhebliche finanzielle Belastungen der Kleingärtner, die im Umkehrschluss ein Beitrag der Pächter zum Finanzhaushalt des Staates sind. Gleichzeitig ist aber auch nachzuvollziehen, dass das Kleingartenwesen einen erheblichen wirt­schaft­li­chen Faktor darstellt.

Wenn man dann noch

  • unser breites soziales Engagement, ein­schließlich eines Spendenaufkommens, das in die Hunderttausende geht,
  • unseren Beitrag für die Bildung der jungen Generation, die der entscheidende Faktor für den Weg der Menschheit in die Zukunft ist,
  • unseren Einsatz für den Schutz und die Erhaltung von Flora und Fauna, einschließlich der Bewahrung und der Nachzüchtung alter Sorten,
  • unsere Leistungen in Sachen Gesundheit (wie eine niederländische Studie jetzt beweist und was sich leider nicht zahlenmäßig in der Einsparung von Kosten der Krankenkassen nach­wei­sen lässt),
  • unseren Anteil an der Städteplanung, die sich in gesunder Luft, einer besseren Durch­lüf­tung, in einer geringeren Flächenversiegelung und in einer Senkung des Hitzestresses widerspiegelt,
  • sieht, so ist unsere Forderung nach einem dauerhaften Erhalt und nach einer Bezahlbarkeit der Kleingärten ein für jeden Politiker und für alle Behörden nachvollziehbares und nicht zu hohes Äquivalent.

Dr. Norbert Franke,
Präsident des Bundesverbandes
Deutscher Gartenfreunde