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Gemüse im Winter ernten
Foto: PalmeIn den meisten Gartenkalendern, die ich kenne, startet das Gemüsejahr mit den ersten Aussaaten im Februar und geht bis zum Räumen der Beete im Spätherbst. In den Monaten Dezember und Januar wird uns empfohlen, in Gartenzeitschriften zu blättern, die Sämereien zu sortieren, Anbaupläne zu machen oder vielleicht noch Gemüsekeimlinge am Küchenfenster zu ziehen. Der Winter bleibt der buchstäblich weiße Fleck auf der Landkarte des Gartenjahres, weil wir von ihm einfach nichts erwarten.
Der Winter, das ist die verlorene Jahreszeit im Gemüsegarten. Winterzeit ist verständlicherweise nicht Hauptwachstumszeit, aber sie ist trotzdem Erntezeit! Und das scheinen wir vergessen zu haben. Damit wir uns rund ums Jahr versorgen können, gilt es, schon im Sommer und Herbst Pflanzen für den Winter anzuziehen und zu pflanzen.
Vergessene Tradition
Wenn wir an den Winter denken, fallen uns zuerst Frost und Schnee ein. Die abnehmende Tageslänge wirkt sich für die Pflanzen allerdings wesentlich stärker wachstumsbegrenzend aus. Ein langer, milder Herbst, wie wir ihn in den letzten Jahren häufig erlebt haben, erleichtert zweifellos die herbstliche Gartenarbeit, einen spürbaren Ertragszuwachs bei Blattgemüse dürfen wir aber aufgrund von Lichtmangel nicht erwarten.
Und doch hat die Herbstaussaat und -pflanzung von Gemüse in unseren Breiten lange Tradition. Nicht nur beim Knoblauch ist es üblich, ihn ab Mitte Oktober zu pflanzen, in vergangenen Zeiten wurden auch Salate noch im Herbst gesetzt. Dazu verwendete man spezielle robuste Sorten, wie z.B. ‘Neusiedler Gelber Winter’ oder die Eissalatsorte ‘Unikum’. Die Pflanzen wurzelten im Herbst noch ein, gingen im Jugendstadium, in dem sie weniger frostanfällig sind als während der Kopfbildungsphase, über den Winter und waren im Frühjahr um ein bis zwei Wochen früher erntereif.
Auch Karotten oder Dicke Bohnen säte man noch vor dem Winter. Sie keimten zeitiger, sobald es die Frühlingsverhältnisse zuließen. Diese Traditionen des Überwinterungsanbaus haben wir heute vergessen.
Frostfester als vermutet
In diesem Beitrag soll es um das Potenzial von Salatkräutern, Blatt- und Wurzelgemüse gehen, auch im Winter frisch vom Beet geerntet zu werden. In den aktuellen Gemüselehr- und Gartenfachbüchern findet man keine Angaben zur Frosthärte von Gemüsearten – oder aber sie wird komplett unterschätzt.
Nach 13 Jahren intensiver Forschungsarbeit an unserer Versuchsstation Zinsenhof im niederösterreichischen Mostviertel und in der „City Farm Augarten“ mitten in Wien können wir sagen: Viele Gemüsearten sind wesentlich frostfester, als es ihnen offiziell zugestanden wird.
Pflanze und Frost
Foto: saratm/Adobe Stock Diese Tatsache klingt für uns Wintergärtner sehr beruhigend: Wenn Pflanzen nicht von Natur aus mit allem ausgerüstet wären, um Winter, Frost und Kälte zu überstehen, wären sie auf diesem Planeten nicht so erfolgreich. Denn zwei Drittel unserer Erdoberfläche sind winterlichen Frösten ausgesetzt – Pflanzen kommen damit zurecht.
Freilich lässt sich die Frosthärte nicht mit einer einfachen Zahl ausdrücken. Sie wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Da ist zunächst die Frosteinwirkungsdauer zu nennen. Kurzzeitiger Frost wird oft ohne Schäden überstanden. Dauerfrost über mehrere Tage oder sogar Wochen kann irreversible Schädigungen hervorrufen.
Von großer Bedeutung für den winterlichen Anbauerfolg ist verständlicherweise die Sortenwahl. Unsere Sortensichtungen haben beim Salat ebenso wie bei Radieschen oder Karotten deutliche Sortenunterschiede in Wachstumsgeschwindigkeit und Ertrag aufgezeigt.
Von noch größerer Bedeutung ist die jeweilige Entwicklungsstufe der Pflanze. Im Jungpflanzenstadium ist Gemüse erstaunlicherweise praktisch immer frostfester als zu einem späteren Zeitpunkt.
Im Spätsommer bis Herbst gesätes oder gepflanztes Gemüse hat außerdem die Möglichkeit, sich an die kühler werdenden Umweltbedingungen anzupassen. Man nennt diesen Vorgang Frosthärtung oder Akklimatisation. Durch abnehmende Temperaturen – auch oberhalb des Gefrierpunktes – lagern Pflanzen verschiedene Aminosäuren, Zucker, Proteine und Lipide als Frostschutz im Zellsaft ein. Das macht sie besonders widerstandsfähig.
Frostschäden werden bei Pflanzen immer durch die Bildung von Eiskristallen hervorgerufen. Frieren Gemüsepflanzen durch, bildet sich Eis entweder innerhalb der Zellen oder zwischen den Zellen. Im ersteren Fall wird das Gewebe meist dauerhaft geschädigt und stirbt ab, weil die Zellmembranen zerstört werden. Eisbildung in den Zellzwischenräumen hingegen führt zunächst zu einer Erhöhung der Konzentration von gelösten Stoffen im Inneren der Zellen, weil von dort Wasser nach außen gezogen wird, und führt nicht zwangsläufig zu Schäden.
Nitrat im Wintergemüse
Ein problematischer Inhaltsstoff von Gemüse besonders während der Wintermonate ist das Nitrat, das in den Stängelteilen und Blattstielen der Pflanzen sowie in Wurzeln und Knollen enthalten ist. Das Nitrat selbst ist in der menschlichen Ernährung ja eigentlich völlig harmlos. Aber im Zuge der Verdauung bilden sich daraus zunächst Nitrit und dann Nitrosamine, die im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Gemüse enthält freilich auch die natürlichen Gegenspieler wie Vitamin C und Antioxidantien. Britische Forscher entdeckten sogar blutdrucksenkende und gefäßelastizitätsfördernde Wirkungen von Nitrat. Tatsache ist also, dass man sich vor diesem „Problemstoff“ in Wintergemüse keineswegs fürchten muss.
Die Erfahrung zeigt, dass man gefrorene Pflanzenteile nicht berühren soll. Durch die mechanische Beanspruchung wird das Gewebe zerstört. Es verfärbt sich nach dem Auftauen schwarz und wird matschig. Das heißt aber auch, dass gefrorene Salate oder Kräuter nicht in diesem Zustand, sondern erst nach dem Auftauen geerntet werden dürfen.
Schutz vor Winternässe
Man unterscheidet beim Wintergemüse Arten und Sorten, die einfach im Freien stehen, und solche, die ein Dach über dem Kopf brauchen. Der Winterschutz der zweiten Gruppe dient weniger dem Schutz vor eisigen Temperaturen als dem vor unkontrollierten winterlichen Niederschlägen. Denn im Winter verfault oder verschimmelt mehr Gemüse als erfriert.
Frostfeste Pilzkrankheiten wie Grauschimmel, Falscher Mehltau oder Salatfäule können auch bei Kälte auftreten. Sie werden aktiv, wenn sie nasse Blätter und hohe Luftfeuchtigkeit vorfinden. Im Umkehrschluss kann man ihnen die guten Lebensbedingungen entziehen, wenn man die Pflanzen im Winter trocken hält.
Foto: Flora Press/Otmar Diez Frühbeetkästen, Minitunnel, Hochbeethauben oder Hobbygewächshäuser dienen diesem Zweck. Sie halten Schnee und Regen ab. Unabdingbar für einen erfolgreichen Einsatz ist, dass sie leicht und gut zu lüften sind. Denn Frischluft verhindert eine erhöhte Luftfeuchtigkeit und die Bildung von Kondenswasser, das auf die Pflanzen heruntertropft und wiederum Pilzkrankheiten fördern würde.
Diese einfachen technischen Hilfsmittel sorgen auch dafür, dass sich Pflanzenbestände bei Sonnenschein erwärmen und diese Wärme im Boden gespeichert wird. Außerdem verhindern sie mechanische Schäden an den Pflanzen durch winterliche Stürme.
Der richtige Zeitpunkt
Foto: Palme Ein Geheimnis erfolgreichen Wintergärtnerns liegt zweifellos in der Wahl des richtigen Zeitpunkts für das Säen und Pflanzen im Garten. Ist man zu früh dran, entwickelt sich unser Gemüse so rasch, dass es schon vor dem Winter abgeerntet werden muss. Lässt man sich aber zu viel Zeit, dann haben wir im Winter zwar frisches Grün im Garten, aber leider nur als ästhetisches Vergnügen, denn für Schüssel und Pfanne ist noch nicht genug da.
Die Entwicklungsgeschwindigkeit ist von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich. Manche Gemüse stehen schon das ganze Jahr auf dem Beet, um im Winter nutzbar zu sein, andere werden schnell noch im Herbst nachgesät und sind bereits nach wenigen Wochen erntereif.
Foto: Palme
Pflegemaßnahmen im Winter
Im Winter ist im Garten nicht sehr viel zu tun. Vor allem wird geerntet. Schädlinge treten in überschaubarem Ausmaß auf. In warmen Herbstwochen können noch einige Blattläuse aktiv werden, ohne jedoch wirklich gefährlich zu wirken.
Unangenehm können Beikräuter wie Vogelmiere oder Hirtentäschel werden, die auch im Winter ein üppiges Wachstum zeigen. Sie sind aber selbst essbar und können mit der biologischsten aller Bekämpfungsmaßnahmen unter Kontrolle gebracht werden: aufessen!
Gegossen wird im Winter im Frühbeetkasten oder Hobbygewächshaus sehr kontrolliert, je nach Bodentyp nur alle sechs bis acht Wochen. Auf sandigen Böden müssen Sie eher darauf achten, dass das Blattgemüse nicht vertrocknet als auf lehmigen. Auf schwereren Böden besteht die Gefahr der Bodenvernässung, was Fäulekrankheiten hervorrufen kann. Salate sollten mit ausreichend Abstand voneinander gepflanzt werden, damit sie während der gesamten winterlichen Wachstumsperiode luftig stehen.
Dipl.-Ing. Wolfgang Palme
Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt
für Gartenbau – Schönbrunn
Wintergemüse Teil 1 Foto: Palme
Als der Gartenbau-Ingenieur Wolfgang Palme von
der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Schönbrunn es nicht schaffte, ein Sortiment von Salaten im Herbst rechtzeitig einzuräumen, staunte er nicht schlecht:
Viele Sorten kamen mit den frostigen Wintertemperaturen erstaunlich gut zurecht. So begann Palme, weitere Gemüsearten auf ihre Wintereignung zu testen. In diesem Artikel berichtet er über seine grundlegenden Erkenntnisse, hier stellt er einzelne Arten vor.
Den Wintergemüse-Saisonkalender finden Sie hier.
Welche Gemüsearten sich besonders für den Anbau im Winter eignen erfahren Sie hier.
Buchtipps zum Thema
Palme, Wolfgang:
„Frisches Gemüse im Winter ernten. Die besten Sorten und einfachsten
Methoden für Garten und Balkon“.
Löwenzahn Verlag.
ISBN 978-3-7066-2592-0.
Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.
Palme, Wolfgang:
„Ernte mich im Winter. Einfach immer frisches Gemüse. säen, wachsen, glücklich sein“.
Löwenzahn Verlag.
ISBN 978-3-7066-2661-3.
Mehr Informationen zum Buch finden Sie hier.