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Alte Sorten Beerenobst
Fast vergessene Schätze – Alte Johannis- und Stachelbeersorten für den Garten
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei
Seit Beginn der Industrialisierung hat die Sortenvielfalt in der Landwirtschaft und im Gartenhandel mit rasantem Tempo abgenommen. Die modernen Ansprüche an Transportfähigkeit, Gleichförmigkeit und Haltbarkeit bei Gemüse und Obst haben dazu geführt, dass viele einst bewährte Sorten vollständig aus dem Angebot verschwunden sind.
Das gilt für die Beeren in besonderem Maße, da diese nicht nur ein deutlich geringeres Marktvolumen als andere Früchte einnehmen, sondern von den meisten Pomologen, also den Obstkundigen, auch seit jeher vernachlässigt worden sind. Dadurch ist die verbleibende Vielfalt noch mehr gefährdet, denn kaum jemand kann mit Sicherheit sagen, welche Sorten in Sammlungen und Genbanken abgesichert sind. Dabei zeichnen sich viele alte Beerensorten durch hervorragendes Aroma und charakteristischen Geschmack aus, weshalb sie sich immer noch ideal für den Anbau im Garten eignen.
Schwarze Johannisbeeren
Bei den auch als „Cassis“ bekannten Schwarzen Johannisbeeren (Ribes nigrum) findet sich eine für den Laien überraschende und auf den ersten Blick schwer erkennbare Sortenvielfalt. Sie sind in der Kultur relativ robust, selbst jene Sorten, die anfällig für Krankheiten sind. Der scheinbare Widerspruch liegt darin begründet, dass beispielsweise Mehltau oder Blattfallkrankheit je nach Sorte zwar regelmäßig und in manchen Jahren auch stark auftreten können, die Pflanzen aber dadurch selten übermäßig geschwächt werden. Nachfolgend finden Sie einige empfehlenswerte Sorten.
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei‘Noir de Bourgogne’: Eine sehr alte Sorte und ein Klassiker, welcher in verschiedenen Spielarten verbreitet ist. Das typische Cassis-Aroma ist ausgesprochen intensiv und für manchen Gaumen beim Rohgenuss fast zu stark – also etwas für wahre Liebhaber. Da die Sorte nicht selbstfertil ist, müssen Sie für die Befruchtung mindestens eine zweite Sorte in der Nähe pflanzen.
Aufgrund ihres starken Aromas wurden die Früchte traditionellerweise bevorzugt für verschiedene französische, international bekannte Produkte wie Likör (Crème de Cassis) oder Sirup verwendet.
‘Brödtorp’: Diese alte skandinavische Sorte fällt durch einen eher niedrigen und auffallend breiten, teils fast liegenden Wuchs auf. Die Beeren reifen sehr früh und zeichnen sich durch relativ hohe Süße sowie ein charakteristisch würziges Aroma aus. Die Vermehrung durch Steckhölzer ist etwas schwierig, daher lohnt es sich, das Stecken zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr auszuprobieren.
‘Mendip Croß’: Eine breitwüchsige, ziemlich wuchskräftige Sorte, deren mittelgroße Beeren in der frühen Saisonmitte reifen. Die Knospen treiben früh aus. Die flachkugeligen Früchte sind bei Vollreife aromatisch und eher weichfleischig mit einem ausgewogenen Säure-Zucker-Verhältnis. Sie eignen sich am besten für die Verarbeitung zu Gelee o.Ä. Die Blüten sind auffallend stark rot gefärbt.
‘Westwick Choice’: Eine früh austreibende, aber eher spät reifende Sorte mit mäßig starkem, halbaufrechtem Wuchs. Die Erneuerung von der Strauchbasis her ist eher schwach und sollte durch regelmäßigen Schnitt angeregt werden. Aufgrund der relativ hohen Festigkeit der Beeren sind diese besonders zum Einfrieren geeignet und überstehen auch kürzere Transporte.
Von Weiß bis Rot
Unsere Kulturjohannisbeeren stammen zu unterschiedlichen Anteilen von vier Wildarten ab, wobei die Fruchtfarbe nichts über die Verwandtschaft aussagt. Je nach Vorfahren zeichnen sich die Sorten durch unterschiedliche Eigenschaften aus. Die Garten-Johannisbeeren (Ribes vulgare syn. R. rubrum), als Kulturformen auch Kirsch-Johannisbeeren genannt, sind oft besonders großfruchtig und tendenziell aufrecht im Wuchs mit langgestreckten, wenig verzweigten Trieben. Sie mögen milderes Klima und reifen meist früh.
Die Ährige Johannisbeere (Ribes spicatum) zeichnet sich durch intensives Aroma der Früchte und einen kräftigen, breit ausladenden Wuchs aus. Die Vielblütige Johannisbeere (Ribes multiflorum) bildet besonders lange, reichbeerige Trauben und reift spät. Die Felsen-Johannisbeere (Ribes petraeum) wiederum ist hoch- und breitwüchsig, ebenfalls spät in der saisonalen Entwicklung und kälteresistent.
Es zeigt sich immer öfter, wie wichtig eine ausgewählte Sortenvielfalt im Gartenbestand ist. Der Klimawandel führt erwiesenermaßen öfter zu Extremwetterereignissen. Der massive Spätfrost im Frühjahr 2017 hat auch bei den Johannisbeeren zu großen Ertrags-Ausfällen geführt. Manche Sorten haben die Kälte aber gut überstanden, da sie gerade nicht in einer kritischen Entwicklungsphase standen. Da Spätfröste jedes Jahr zu anderen Zeitpunkten eintreten können, ist es folglich ratsam, Sorten mit unterschiedlichen Blütezeiten anzupflanzen. So können Totalausfälle vermieden werden. Folgende Sorten eignen sich gut für den Anbau im Kleingarten.
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei
‘Rote Holländische’: Eine eher spät reifende Sorte, welche von der Felsen-Johannisbeere abstammt. Von ihren Vorfahren hat sie eine auffallend starke Wuchskraft und Widerstandsfähigkeit gegenüber diversen Krankheiten geerbt. Durch die späte Blüte ist auch das Risiko von Ernteausfällen durch Spätfröste gering, und sie kann in Höhenlagen gepflanzt werden. Die Beeren hängen an relativ langen Trauben, sind rot und säurebetont. Sie eignen sich gut für die Verarbeitung zu Konfitüre oder zum Einfrieren, besonders auch als Mischung mit farbkräftigeren Sorten.
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei ‘Laxtons No. 1’: Eine aufrecht wachsende Sorte mit großen, mittelroten Beeren aus der Kirsch-Gruppe. Das weiche Fruchtfleisch zeigt ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen Süße und Säure und ist angenehm aromatisch. Die Ernte kann direkt als Naschobst genossen oder auch zu Desserts und Konfitüre verarbeitet werden. Sie reift Anfang bis Mitte der Saison.
‘Rose de Champagne’: Eine Johannisbeere mit großen, ziemlich aromatischen Früchten in einem attraktiven Rosa und mit besonders zuckerreichem, mildem Saft. Sie eignet sich sehr gut für den Frischkonsum, aber auch als Konservenfrucht. Ob die in verschiedenen Sammlungen und Baumschulen als ‘Rose de Champagne’ erhältliche Sorte noch dem Urtyp entspricht, darf bezweifelt werden, wurden doch die Beeren in der älteren Literatur explizit als sauer beschrieben.
Fotos: ProSpecieRara/Philippe Ammann (links); ProSpecieRara/Martin Frei
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei
‘Weiße aus Jüterbog’: Eine in der späten Saisonmitte reifende Sorte mit gelblichweißen Früchten. Der Strauch wächst stark, die Frostempfindlichkeit und die Krankheitsanfälligkeit sind gering, und er ist auch für raue Lagen geeignet. Die Erträge sind geringer als bei anderen weißen Sorten. Die Beeren sind aromatisch und ausgesprochen säurebetont, sie eignen sich zur Verarbeitung, besonders als Mischfrüchte.
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei
‘Albatros’: Eine weiße Frühsorte der Kirsch-Gruppe mit verhältnismäßig süßen Beeren, welche selbst von säureempfindlichen Fruchtliebhabern direkt vom Strauch genascht werden können. Es handelt sich wohl um eine weiße Variante der einst weit verbreiteten und klassischen Sorte ‘Red Lake’. Typisch ist diesbezüglich die starke rotbraune Überfärbung der jungen Blätter nach dem frühzeitigen Austrieb. Die Wuchskraft ist eher schwach.
Foto: ProSpecieRara/Martin Frei
Schmackhafte Stachelbeeren
Die alten Stachelbeer-Sorten sind zwar oft sehr schmackhaft, aber mit wenigen Ausnahmen anfällig gegenüber dem Amerikanischen Stachelbeermehltau, weshalb sie nicht vorbehaltlos für den Hausgarten empfohlen werden können. Das Stachelbeersortiment im Beeren-Muttergarten Deutschland (s. Bezugsquelle) ist noch im Aufbau, Interessierte können sich aber gerne beraten und auf Wunsch eine Sorte gezielt vermehren lassen. Einige Beispiele für mehltautolerante alte Sorten sind ‘Captivator’, ‘Poorman’ und ‘Rochusbeere’.
Claudio Niggli
Steckholzvermehrung von Johannisbeeren
Wenn Sie Johannisbeeren selbst vermehren möchten, tun Sie dies am besten im Spätwinter vor dem Austrieb oder im Spätherbst nach dem Laubfall. Verwenden Sie dafür nur das einjährige Holz, also solches, das in der vergangenen Saison herangewachsen ist. Schneiden Sie die Steckhölzer mit einer scharfen Klinge rund 15–20 cm lang ab. Stecken Sie sie dann möglichst rasch im Freiland oder in einem Topf senkrecht in der Erde, und zwar so tief, dass nur noch ein bis zwei Knospen herausschauen. Die Knospenspitzen müssen nach oben ausgerichtet sein. Nach dem Stecken sollten Sie ausgiebig wässern. Warten Sie bis zum nächsten Herbst, bevor Sie die Jungsträucher verpflanzen.
Bezugsquelle
Die vorgestellten Sorten können im ProSpecieRara Beeren-Muttergarten Deutschland in Rheinfelden auf Bestellung bezogen werden (weitere Sorten auf Anfrage). Da der Bestand sich noch im Aufbau befindet, muss mit einer gewissen Wartezeit gerechnet werden. In Zukunft sollen auch Himbeeren und Erdbeeren angeboten werden.
Muttergarten: Gärten + Landschaften Thorald Bauer und Mirjam Bauer-Bucher
Tel. 07623/79 53 33
E-Mail: m3b@gmx.de
www.gaerten-bauer.de
Infos: ProSpecieRara Deutschland
Tel. 0761/59 39 00 07
www.prospecierara.de