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Obstanbau auf kleinem Raum
Von Säulenäpfeln, Spalieren und schwachem Wachstum
Foto: Flora Press/Meyer-Rebentisch
Vor einiger Zeit rief mich eine Gartenfreundin an, um zu fragen, wie sie möglichst viele Obstarten auf kleinem Raum kultivieren könne? Kurz und kanpp: Wer viel Obst auf wenig Platz will, sollte auf spezielle Sorten und Anbautechniken setzen.
Foto: Hans-Roland Müller/Botanikfoto
Beerenobst im Kübel
Die Züchter von Beerenobst haben immer mehr Obstsorten im Angebot, die sich auch für den Anbau im Kübel eignen, z.B. schwachwachsende Brombeeren und Himbeeren. Der Vorteil: Diese Sorten haben dort einen Platz, wo sonst kein Obst angebaut wird, z.B. auf der Terrasse, aber auch im Garten nehmen sie nur wenig Platz ein.
Ich habe einige dieser Sorten im Beet getestet und war erstaunt, wie viel ich bei den nur 1 m hohen Pflanzen ernten konnte. Die Sorte ‘Lowberry® Black Prince®‘ ist z.B. eine schwachwachsende Brombeere mit sehr gutem Aroma und erstaunlich großen Früchten. Die „Schwester“ ‘Lowberry® Red Princess®’ ist eine Himbeere, die sehr gute Eigenschaften bei kleinem Wuchs zeigt.
Die Arktische Himbeere ‘Arom‘artic® Systrar®’ ist flach wachsend und trägt von Juli bis August Früchte. Die in Skandinavien beheimatete Sorte ist wie die Arktische Moltebeere ‘Arom‘artic® Nyby’ ein Spezialist für besondere Standorte. Die Pflanzen vertragen sonnige und schattige Lagen und stellen an den Boden geringe Ansprüche – bei sehr hoher Kältetoleranz. Es sind echte Lückenfüller mit reizvollem Fruchtbehang. Gleiches gilt für die Honigbeere, u.a. auch bekannt als Kamtschatka-Heckenkirsche oder Sibirische Blaubeere (Lonicera kamtschatica). Aufgrund ihrer sibirischen Herkunft hat sie eine sehr kurze Kulturzeit und trägt schon ab Ende Mai.
Schwachwachsende Unterlagen
Beim Kernobst gibt es schon seit längerer Zeit einen Trend zu schwachwachsenden Pflanzen. Meistens werden die verschieden Obstsorten auf einer schwachwüchsigen Unterlage veredelt. Wird z.B. ‘Elstar’ auf eine solche Unterlage veredelt, wird der Baum – klar – weniger stark wachsen. Die Pflanze fruchtet dann aber auch früher, lebt kürzer und ist weniger standfest.
Auf starkwachsenden Unterlagen ist der Wuchscharakter dagegen umgekehrt: Die Pflanzen haben eine hohe Standfestigkeit, einen kräftigen Wuchs und tragen erst nach längerer Zeit. Das hängt aber natürlich auch von anderen Faktoren wie dem Standort, der Wasser- und Nährstoffversorgung oder dem Klima ab. Es ist deswegen wichtig, dass Sie sich den Standort für Ihre Obstbäume vorher genau ansehen. Die Fachberatung Ihres Vereins wird Ihnen bei der Wahl einer geeigneten Sorte und des optimalen Standorts gern behilflich sein.
Foto: blickwinkel/McPHOTO/H.-R. Mueller
Eine Mutation für wenig Platz
Der Obstbauer Anthony Wijcik staunte nicht schlecht, als ihm seine Tochter Wendy Mitte der 1960er Jahre einen Apfelbaum der Sorte ‘McIntosh’ zeigte, der nahezu ohne Seitentriebe wuchs. Der Grund dafür war eine Genmutation, die dafür sorgte, dass der Apfelbaum zwar weniger Äste, aber trotzdem viele Früchte trug. Die Pflanze wurde die Basis für die Züchtung aller schmalwüchsigen Apfelsorten. In allen Säulenäpfeln stecken also Gene von ‘Wijcik McIntosh’. Der Apfel ist aber die einzige Art, in der der Säulenwuchs genetisch festgelegt ist. Deswegen können Sie gerade bei Apfelbäumen auf diese platzsparende Wuchsform zurückgreifen.
Spaliere und Co.
Bei anderen Kulturformen von Kernobst ist nicht die Genetik für die Form verantwortlich, das müssen Sie schon selbst tun: Mit Schere, Draht und Sachverstand können Sie Obstgehölze wie Apfel und Birne in die gewünschte Form bringen. Es gibt U- und Doppel-U-Formen, Schrägspaliere, Y-Spaliere, Schnurbäume oder waagerecht gezogene Spaliere. Durch die Verknüpfung verschiedener Formen können Sie so eine große Vielfalt auf kleinem Raum erreichen.
Beim Steinobst spricht die außerordentliche Wüchsigkeit gegen diese Kulturformen. Wer Steinobst schneidet, und das womöglich auch noch im Winter, wird mit einem sehr starken Austrieb im folgenden Sommer „beschenkt“. Daher sind auch die im Handel angebotenen Säulen-Kirschen, -Pflaumen, -Nektarinen oder -Pfirsiche mit gewisser Skepsis zu betrachten. Ohne die Ausdauer des emsig schneidenden Gärtners wird die Pflanze nie ihre angedachte Form behalten. Dennoch sind Zwergformen, gerade beim Pfirsich (Prunus persica), eine gute Alternative, um die Obstvielfalt im Garten zu erhöhen.
Foto: Bakker Holland
Duo-Bäume und Co.
Kann durch die Veredlung mehrerer Sorten auf einer Unterlage das Problem „Vielfalt auf wenig Raum“ gelöst werden? Ich kann hier ein klares „unter Umständen“ als Antwort geben. Es ist eine schöne Idee, und es wird sicher eine Zeit lang funktionieren. Am Ende aber wird immer die stärker wachsende Sorte die schwächere überwachsen. Bei sogenannten „Familienbäumen“, bei denen gleich mehrere Sorten aufgepfropft sind, verstärkt sich das Problem.
Sie können allerdings Einfluss nehmen. Denn Pflanzen unterliegen bekanntlich Wachstumsgesetzen. Was oben ist, gehört zu den stärker versorgten Pflanzenteilen, was unten ist, wird nicht so gut versorgt. Die starkwachsende Sorte müsste also unten veredelt werden, die schwache oben. Trotzdem bekommen die Sorten mit der Zeit unten zu wenig Licht, reifen schlecht, bekommen Pilzkrankheiten, schmecken nicht und sterben möglicherweise ganz ab.
Mit Mut zur Form
Den Wunsch nach Vielfalt im Obstgarten können Sie sich erfüllen. Es bedarf nur einer guten Planung und einem fundierten Wissen. Mit kombinierten Pflanzungen können Sie dann auch Ihr Obstspektrum erweitern. Mit dem zusätzlichen Anbau von „Exoten“ und Wildobst verlängern Sie Ihre Erntezeit von Mai bis November. Trauen Sie sich, und schneiden und formieren Sie Ihre Obstgehölze! Kombinieren Sie Pflanzen, die sich ergänzen, und seien Sie nicht geknickt, wenn nicht gleich alles klappt.
Thomas Kleinworth
Geschäftsführer und Fachberater des
Landesverbandes Schleswig-Holstein der Gartenfreunde