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Totholz – Artenreicher Lebensraum
Die Möglichkeit, ohne großen Aufwand Lebensräume und Jagdreviere für Igel, Käfer, Spinnen, Kröten, Singvögel und Spitzmäuse in unseren Gärten zu schaffen, ist verlockend: Einfache Reisig- oder Totholzhaufen sind unsere unwiderstehliche Einladung an diese gern gesehenen Nützlinge. Material dafür haben wir genug, denn nach dem Schnitt unserer Bäume und Sträucher wissen wir oft gar nicht, wohin mit dem vielen Schnittgut.
Wenn dann im Frühjahr – landauf, landab – die Osterfeuer lodern, um auf althergebrachte und gesellig fröhliche Weise „böse Geister“ zu vertreiben, geht auch die Lebensgrundlage vieler Tiere buchstäblich in Rauch auf! Deutlich sinnvoller ist die hier beschriebene Verwendung von Totholz.
Foto: Flora Press/GWI
Reisig- und Totholzhaufen
An Material herrscht also kein Mangel, wie praktisch, dass wir es nicht erst mühsam im Wald sammeln müssen. Für das Errichten des Holzhaufens brauchen wir keine architektonischen Kenntnisse. Wir schichten Äste und Zweige, Rindenstücke, Wurzeln, Laub und Baumstubben oder auch ausgediente hölzerne Bohnenstangen zu einem lockeren Haufen auf und schaffen dabei möglichst viele Hohlräume, denn schließlich sollen hier unterschiedlichste Tiere einziehen.
Igeln und Reptilien bieten wir einen angenehm temperierten Unterschlupf, wenn wir unter dem Haufen eine mit Laub gefüllte Grube anlegen (ca. 50 cm tief und 1 m² groß). Der Verrottungsprozess darin setzt Wärme frei und hilft unseren Gästen, gut über den Winter zu kommen.
Schutz vor Katzen bieten unseren „Haufenbewohnern“ Brombeerpflanzen, die wir dem Totholz als lebendigen Schutzzaun hinzufügen können. Dafür sollten wir aber eine nicht wuchernde Art verwenden! Mein Tipp: die Falten-Brombeere (Rubus plicatus).
Foto: emer/Fotolia.com Wie schnell sich unser Wohnungs- und Unterschlupf-Angebot „herumspricht“, ist nicht leicht auszumachen, denn unsere Gäste verhalten sich dezent und zurückhaltend. Aber keine Sorge, sie sind da – versteckt und sehr lebendig!
Und der gärtnerische Nutzen? Abgesehen von den Vorzügen, die uns ein Nützlingsquartier bietet, können wir in Ruhe zusehen, wie sich unser Holzschnitt langsam zersetzt und zu Mulm wird, einem krümeligen, pulverigen Material. Ziel erreicht! Aber auch hier gilt: Gut Ding will Weile haben.
Die Wahl des Standorts
Wohin eigentlich mit unserem Holzhaufen? Verstecken wir ihn unter einem Gebüsch, oder wollen wir eine Ecke damit „füllen“? Neben den gestalterischen Gesichtspunkten spielt es auch eine Rolle, ob Sonnenlicht und -wärme oder doch eher der kühle Schatten den Charakter des kleinen Biotops bestimmen sollen.
Foto: Makuba/Fotolia.com
Denn das Mikroklima entscheidet darüber, ob Wärme liebende Eidechsen und Schlangen einziehen oder eher Amphibien, die es gerne feucht und schattig haben. Oder beugen wir uns nicht dem „Entweder-oder-Gebot“, sondern entscheiden uns großzügig für eine „Sowohl-als-auch-Lösung“?
Holzstapel
Auch wenn unser Garten nicht groß ist, Platz für einen Holzstapel bietet er immer. Gibt der letzte Schnitt unserer Obstbäume eine ausreichende Menge an „Stapelbarem“ her, können wir mit dem Aufbau beginnen. Die erste, grundlegende Schicht graben wir – evtl. mit Hackschnitzeln „garniert“ – halb in den Boden ein. So erzielen wir eine Zuleitung von Feuchtigkeit in den Stapel. Das fördert seine „Wohnlichkeit“ für viele Tiere und zugleich den gewünschten Zerfall des Holzes.
Für Stabilität sorgen vor den liegenden Stämmen senkrecht in den Boden geschlagene Holzstangen. Alternativ können wir den Stapel auch treppenförmig aufbauen.
Wenn es nicht gleich ein ganzer Holzstapel sein soll – selbst ein einzelner Stamm oder ein einzelnes Stück Totholz ist für Tiere ein Anziehungspunkt und kann auch dekorativ in Szene gesetzt werden. Auch skurril geformte Wurzeln wirken wie ein kleines Stillleben.
Beetumrandungen
Noch ein Wort zur „Optik“. Sie ist ein Grund dafür, dass wir uns um Beetumrandungen so viele Gedanken machen. Eine akkurat eingefasste Rabatte sieht doch gleich viel ordentlicher aus! Eine Möglichkeit ist die Begrenzung mit Steinkanten – sehr zur Freude der Baumärkte. Passt aber eine organische Einfassung aus Totholz nicht viel besser in einen Garten?
Benjeshecken
Das Prinzip dieser Hecken entwickelte Hermann Benjes zur Flurbelebung in den 1980er Jahren. Die nach ihm benannte Heckenform kann viel Strauch- und Baumschnitt aufnehmen: Zwischen in den Boden getriebenen Pflöcken wird ein Wall von Schnittgut angehäuft. Eine dekorative Art der Schnittentsorgung, denn die so errichtete Benjeshecke ist ein interessanter Blickfang. Im Garten kann schon ein kurzer „Streckenabschnitt“ hilfreich sein, um z.B. einen weniger ansehnlichen Gartenbereich dahinter verschwinden zu lassen.
Foto: Luckyboost/Fotolia.com
Vorsicht bei „Holzimporten“
Wenn wir neben dem Totholz aus dem eigenen Garten zusätzliches Material „importierten“, sind wir gut beraten, es gewissenhaft auf den Befall mit Borkenkäfern zu untersuchen. Andernfalls bestünde z.B. die Gefahr, mit befallenem Ulmenholz dem gefürchteten Ulmensplintkäfer zur Ausbreitung zu verhelfen. Mehr zu diesen Schädlingen, die in jedem Garten fehlen sollten, lesen Sie in unserem Beitrag zum Borkenkäferbefall.
„Arche“ für bedrohte Arten
Ein schönes Beispiel für die Rolle unserer Gärten als „Arche“ für bedrohte Tiere bietet der Nashornkäfer. Das beeindruckende Insekt ist auf Totholz angewiesen, denn seine Larven leben von zerfallendem, stark verholztem Pflanzenmaterial. Totholz ist in unseren „aufgeräumten“ Laubwäldern jedoch selten geworden, und so wurde der Käfer zur Rarität und vom Bundesnaturschutzgesetz zur „besonders geschützten Tierart“ erklärt. Die gute Nachricht: Totholz, aber auch Komposthaufen und Hochbeete unserer Gärten wurden für den Käfer inzwischen vielerorts zum wertvollen Lebensraum aus zweiter Hand.
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Für unsere Pflanzen sind diese Engerlinge keine Bedrohung, im Gegenteil. Sie recyceln nur Pflanzenreste, die für Tiere mehr als schwer verdaulich sind. Nashornkäfer schaffen dieses Kunststück mithilfe einer speziellen Gärkammer ihres Darms. Darin übernehmen Bakterien die Verdauung der Zellulose – etwa so, wie sie es im Pansen einer Kuh tun.
Fazit: Totholz lebt!
„Nomen est omen“ – doch obwohl unser Totholz nun einmal diesen trüben Namen trägt, ermöglicht sein Zerfall doch vielfältiges, neues Leben! Der Name einer Sache verheißt eben nicht immer ihren wahren Charakter.
Jens Carstens
Stellv. Vorsitzender des Landesverbandes
Schleswig-Holstein der Gartenfreunde
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