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Bodenflora
Von Bakterien bis Flechten – vielgestaltiges Leben im Gartenboden
Foto: mauritius images/Gerhard Tegeler
In einem fruchtbaren Boden laufen intensive Auf- und Abbauvorgänge von organischer Substanz ab. Dafür sorgen Bodenorganismen in all ihrer Vielfalt. In belebtem Boden wachsen Pflanzen besser, und sie bleiben gesünder.
Zusammengenommen nehmen Bodenflora und Bodenfauna etwa 5 % der Festsubstanz des Bodens ein. Nicht nur zahlenmäßig überwiegen die Vertreter der Bodenflora in der Erde, sondern sie machen rund 60–90 % der Masse an Bodenorganismen aus.
Spricht man von der Bodenflora, steht ganz zu Beginn die Schwierigkeit der Definition. Grob ausgedrückt sind damit die nicht-tierischen Organismen gemeint, denn der Begriff „Bodenflora“ umfasst nicht ausschließlich pflanzliche Lebewesen, sondern auch Bakterien, Strahlenpilze, Schleimpilze, Pilze, Algen und Flechten. Bei den Vertretern der Bodenflora handelt es sich vorwiegend um Mikroorganismen, die maßgeblich an allen Prozessen der Zersetzung von abgestorbenem organischem Material und dem Humusaufbau beteiligt sind.
In der biologischen Systematik wird unterschieden, ob die Zellen einen Zellkern besitzen oder nicht: Die Prokaryoten besitzen Zellen ohne Zellkern, meist sind sie Einzeller. Bei den Eukaryoten dagegen besitzt jede Zelle einen Zellkern. Die Domäne der Eukaryoten lässt sich in vier Reiche einteilen: Tiere, Pilze, Pflanzen und die künstliche Sammelgruppe der Protoctisten. Pflanzenteile wie etwa Wurzeln werden nicht zur Bodenflora gerechnet.
Massenweise Bakterien
Die Bakterien aus der Domäne der Prokaryoten sind einfach gebaute Lebewesen ohne Zellkern, ihr Erbgut liegt frei im Zellplasma. Man unterscheidet die Bakterien je nach der Form der Zellen: Kokken sind kugelrund, Bazillen sind gerade Stäbchen, als Spirillen bezeichnet man gedrehte Stäbchen, Vibrionen sind kommaförmig. Als Überdauerungsform bilden Bakterien weitgehend inaktive, langlebige Sporen. Bei günstigen Umweltbedingungen werden diese aktiviert.
Schätzungen zufolge übertrifft die Menge der weltweit existierenden bodenlebenden Bakterien das Gewicht aller Säugetiere, einschließlich der Menschen, plus der Vögel um das Zehnfache. Ein einziges Gramm Gartenboden kann über 100 Millionen Bakterien enthalten, die einer Vielfalt von Gattungen angehören.
Was die Umsetzung von Stoffen betrifft, stellen Bakterien die bedeutendste Gruppe innerhalb der Bodenflora dar. Manche bauen eigenständig ihre körpereigenen Substanzen auf, andere ernähren sich vorwiegend von organischer Substanz. Die überwiegende Zahl von ihnen gewinnt ihre Energie durch den Abbau toter organischer Substanz, das heißt, sie leben saprophytisch.
Die meisten Arten sind abhängig von Sauerstoff, diese sind aerobe Organismen. Jene, die ohne Sauerstoff existieren, nennt man anaerob. Bakterien können sich innerhalb weniger Stunden vermehren und bilden häufig große Zellkolonien und lange Ketten.
Bakterien haben vielfältige Anpassungen an unterschiedliche Lebensräume entwickelt. Sie leben bevorzugt in dem dünnen Wasserfilm, der die Bodenpartikel umgibt, an Wurzeloberflächen und im unmittelbaren Bereich um die Wurzeln, der sogenannten Rhizosphäre. Sie können sich aktiv durch Geißeln oder passiv mit dem Bodenwasser bewegen, doch in verdichteten und verschlämmten Böden sind die Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt, dort können sie sich auch nicht mehr vermehren.
Bakterien reagieren empfindlich auf Austrocknung. Am besten entwickeln sie sich in gut belüfteter, lockerer Erde. Für das Pflanzenleben bedeutsam sind Gattungen wie Nitrosomonas und Nitrobacter, die Ammonium durch Oxidation in Verbindungen umwandeln, die von den Wurzeln aufgenommen werden.
Zu den Bakterien zählen auch die Cyanobakterien, die man früher als Blaualgen bezeichnet hat. Der Bau der Zelle stimmt mit den Bakterien überein, doch sind Cyanobakterien Organismen, die eine einfache Form von Fotosynthese betreiben. Dabei wird Sauerstoff frei. Eine Cyanobakterienzelle ist um ein Vielfaches größer als eine Bakterienzelle. Die Einzelzellen hängen locker in einer Gallerte oder an den Zellwänden zusammen.
Foto: mauritius images/Science Source/Jerome Pickett-Heaps
Cyanobakterien siedeln sich auf sich zersetzender, feuchter, organischer Substanz an. Im Garten treten sie oft auf abgelagerten organischen Mulchmaterialien auf. Sie schwellen nach Niederschlägen an und fallen bei Trockenheit wieder in sich zusammen.
Humus bildende Strahlenpilze
Foto: hp-fiedler-group.de
Bei den Strahlenpilzen handelt es sich um bakterienähnliche einzellige Organismen, systematisch werden sie den Bakterien zugeordnet. Sie besitzen längliche oder rundliche Zellen. Weil diese zeitweise durch schleimartige Zellwandbestandteile zusammengehalten werden, können sie ein verzweigtes fadenförmiges Pilzgeflecht bilden, das man als Pseudo-Myzel bezeichnet.
Strahlenpilze, wie die weit verbreitete Gattung Streptomyces (Mikrobe das Jahres 2016), ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz, sie besiedeln alle organischen Materialien. Sie zersetzen sogar schwer abbaubare Substanzen wie Holz oder Chitinpanzer von Insekten. Für ihren Stoffwechsel benötigen sie Sauerstoff.
Die größte Dichte an Strahlenpilzen kommt in einer Bodentiefe von 5–10 cm vor. Sie sind maßgeblich an der Humusbildung beteiligt, zusammen mit den Pilzen bewirken sie den typischen Erdgeruch. Viele Arten der Strahlenpilze produzieren antibiotische Substanzen, die auf andere Mikroorganismen hemmend oder toxisch wirken.
Mobile Schleimpilze
Foto: mauritius images/Minden Pictures/Martin Withers/FLPA
Die relativ einfach aufgebauten Organismen der Schleimpilze bilden zellwandlose, vielkernige Plasma-Massen, die man als Plasmodien bezeichnet. Durch Ausstülpungen können sie sich fortbewegen. Schleimpilze zählen ungeachtet ihres Namens nicht zu den Pilzen, ihre systematische Zuordnung war immer schon umstritten. Heute betrachtet man sie als eigenständige, von den Protozoen abstammende Gruppe. Sie zählen zu den Protoctisten.
Foto: Rainer Fuhrmann/Fotolia Sehr auffällig und weit verbreitet sind z.B. die Gelbe Lohblüte (Fuligo septica) mit leuchtend gelben Fruchtkörpern und der Rotköpfige Schleimpilz (Trichia decipiens). Beide können Sie auf moderigem Holz leicht entdecken.
Pilze in vielen Formen
Inzwischen bilden Pilze ein eigenes Reich, während man sie früher dem Reich der Pflanzen zugeschlagen hatte. Pilze wachsen entweder als ellipsenförmige Einzelzellen wie bei den Hefepilzen, oder sie bilden längliche, fadenförmig angeordnete Zellverbände, die als Pilzfäden oder Hyphen bezeichnet werden. Beide Wachstumsformen kön- nen bei einer Art vorkommen. In der Regel entwickeln sich Pilze als vielzellige Organismen, ihre Zellketten bilden ein fadenförmiges, oft meterlanges Geflecht, das man als Myzel bezeichnet. Die äußerst formenreiche Gruppe vermehrt sich über Sporen.
Bezogen auf die Ernährungsweise lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
- Saprophytische Pilze wie der Grünblättrige Schwefelkopf (Hypholoma fasciculare) ernähren sich von abgestorbenen organischen Substanzen, indem sie sie zersetzen. Sie tragen wesentlich zum Stoffumsatz im Boden bei. Man erkennt ihre Pilzfäden in den obersten Schichten des Kompostes oder in der Streuauflage des Waldbodens, ihre Fruchtkörper können Sie an abgestorbenem Holz sehen.
- Parasitische Pilze greifen lebende Pflanzen und Tiere an, als Krankheitserreger können sie beträchtlichen Schaden hervorrufen. Verursacher bodenbürtiger Krankheiten können über viele Jahre hinweg die Kultur bestimmter Pflanzen unmöglich machen.
- Mykorrhiza-Pilze leben in Gemeinschaft mit den Wurzeln Höherer Pflanzen. Zwischen beiden Partnern findet ein Stoffaustausch statt: Die Pilze liefern den Höheren Pflanzen Stickstoff, Phosphor und Spurenelemente, die Pflanzen versorgen den Pilz vor allem mit Kohlenhydraten. In der Regel ist der Pilz stark oder vollkommen abhängig von der Pflanze, die Pflanze hat nicht immer einen Vorteil von der Lebensgemeinschaft, obwohl im Allgemeinen von einer Symbiose gesprochen wird.
Die Pilzfäden dringen immer weiter in neue Bodenbereiche vor und erschließen damit laufend neue Nährstoffquellen. Sie bevorzugen ein neutrales bis saures Milieu und sind wesentlich am Abbau von organischen Stoffen und am Aufbau von Humusverbindungen im Boden beteiligt. Im Vergleich zu den Bakterien sind Pilze viel weniger an Wasser gebunden, sie vertragen Trockenheit besser. Ein Liter Boden kann bis zu 300 m Pilzmyzel enthalten. An der Spitze der Pilzfäden von Hutpilzen entstehen an der Boden- oberfläche die typischen Sporenträger.
Algen brauchen Licht
Systematisch gehören sie ebenfalls zu den Protoctisten. Algen leben oft als einzellige Organismen im Boden, sie können aber auch fadenförmige Kolonien bilden.
Algen enthalten Chlorophyll und können wie die Höheren Pflanzen Fotosynthese betreiben. Weil sie dafür Licht benötigen, beschränkt sich ihr Lebensraum auf die Bodenoberfläche und die obersten Millimeter der Bodenschicht. Dort besiedeln sie die Oberflächen von Steinen, Laubstreu, Borke und Kot. Die meisten Bodenalgen gehören zur Familie der Grünalgen, doch es kommen auch Gelbgrünalgen und Kieselalgen vor. Die meisten Algen sind an eine Entwicklung im Wasser angepasst.
Aus bodenbiologischer und bodenökologischer Sicht spielen Algen eine weniger bedeutsame Rolle als Bakterien und Pilze. Da sie jedoch organische Substanz herstellen, bilden sie eine Nahrungsgrundlage für Bodentiere. Als Erstbesiedler von Gesteinen und extremen Standorten erschließen Algen Lebensräume für andere Organismen. Der Anteil der Algen an der Biomasse im Boden ist vergleichsweise gering.
Flechten sind Erstbesiedler
Foto: mauritius images/imageBROKER/Kurt Möbus
Manche Algen und gewisse Cyanobakterien gehen eine enge Vergesellschaftung mit bestimmten Pilzarten ein, es entstehen Flechten. Die beiden Organismen leben zum gegenseitigen Vorteil zusammen, bilden also eine Symbiose. Die beiden Partner binden jeweils Luftstickstoff oder Kohlenstoff, den sie sich wechselseitig zur Verfügung stellen. Flechten spielen eine wichtige Rolle als Erstbesiedler von anorganischen und organischen Substraten und leiten auf rohem Gestein die Bodenbildung ein. So überzieht die Landkartenflechte mit ihren gelb- bis olivgrünen Krusten nackte Felsen.
Die chlorophyllhaltigen Cyanobakterien und Grünalgen assimilieren Kohlenstoffdioxid aus der Luft und bauen organische Verbindungen auf, von denen sich die Pilzpartner ernähren. Die Pilze ihrerseits scheiden säurehaltige Stoffe aus, wodurch das Gestein geätzt wird und Mineralsalze freigesetzt werden. Davon profitieren wiederum die Cyanobakterien bzw. Algen.
Agnes Pahler