- Boden Kompost Dünger
Durch die Lüfte gleiten
Unerreichbar im Hinblick auf die Artenvielfalt und unschlagbar, was die Menge an Biomasse betrifft, ist der Komposthaufen im Garten. Meist nur ein bis wenige Kubikmeter groß, bietet die fachgerechte Aufschichtung unterschiedlichster Pflanzenreste für die dort wohnhafte Zersetzerlebensgemeinschaft nahezu paradiesische Verhältnisse.
Das Kollektiv der Bodenorganismen vom Bakterium bis zum Regenwurm wird über den Komposthaufen vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst regelmäßig gefüttert. Und selbst im Winter wandern Küchenabfälle und Blumenreste auf den Haufen, der sogar bei Frosttemperaturen im inneren Kern aktiv bleibt.
Die illustre Wohngemeinschaft ist dabei auch eine eingeschworene Fressgemeinschaft, und deren gemeinsame Hinterlassenschaft ist der so hoch geschätzte Humus, die schwarzbraune Komposterde, in der es im gereiften Stadium für die größeren Bodentiere nichts mehr „zu beißen“ gibt.
Jeder Mitbewohner hat wichtige Funktion
In einem so unvorstellbar dicht besiedelten Haufen muss es zu einem geregelten Aufenthalt und Verkehr oder besser Verzehr kommen. Jede Organismengruppe – ob Bakterien, Pilze oder Tiere – übernimmt eigene Aufgaben beim Rotteprozess.
Viele der Bodentiere sind wiederum Zulieferer für andere Arten, die als Folgezersetzer, Restverwerter oder einfach als Kotfresser auf zersetzende Vorarbeiten angewiesen sind. Sie arbeiten sowohl „Hand in Hand“ als vor allem auch „von Mund zu Mund“. Je nach ihrer Ernährungsweise können folgende „Berufstrupps“ im Kompost unterschieden werden:
- Aufbereiter, Erstangreifer, Weichmacher: Bakterien und Pilze
- Erstzersetzer, Schredderer, Vorkauer und Zerleger: Asseln, Schnecken, Tausendfüßer, Zweiflüglerlarven
- Weichgewebefresser, Locher, Fensterfresser: Milben, Springschwänze, Rindenläuse
- Kotfresser, auch Koprophagen genannt: Milben, Zweiflüglerlarven, Tausendfüßer, Käfer
- Pilzepflücker, Sporensammler und Hyphensauger: Käfer, Milben, Springschwänze
- Leichenfledderer, Aasgeier und Totengräber: Käfer, Milben
- „faules Pack“, Gammelfresser, auch vornehm Saprophagen genannt: Milben, Käfer, Zweiflüglerlarven
- Räuber, Kannibalen, Beutegreifer: Käfer, Milben, Tausendfüßer, Spinnen, Pseudoskorpione, Maulwürfe
- Mitesser, auch Kommensalen genannt, Parasiten oder Schmarotzer: Fadenwürmer, Milben
- Bakterienfresser: Fadenwürmer, Springschwänze, Milben
- Allesfresser: Milben, Springschwänze, Fliegenlarven, Käfer
- Detritusfresser (Detritus = fein zersetztes organisches Material), Resteverwerter: Würmer, Milben, Springschwänze, Fliegenlarven
- Humusfresser: Springschwänze, Milben, Fliegenlarven, Würmer
- Pflanzenfresser, Wurzelnager, Wurzelsauger: Fadenwürmer, Springschwänze, Käferlarven, Wühlmäuse
- Mineralisierer: Bakterien
Auf die richtige Mischung kommt es an
Das Erfolgsgeheimnis, das man im ordentlichen Komposthaufen immer ohne üble Gerüche lüften kann, besteht aus der richtigen Mischung der Zutaten für den Wunderhaufen. Stickstoffreiche Abfälle wie Rasenschnitt, Obst- und Gemüsereste sollten Sie gut mit kohlenstoffreichen Zutaten wie Reisig, Heckenschnitt, Baumhäcksel, Sägespänen und Falllaub vermischen.
Auch Küchenabfälle, die geballt leicht zur Fäulnis neigen, sollten Sie mit grobem, strukturreichem Gartenabfall vermengen. Einseitig bestückte Komposthaufen neigen je nach Biomassentyp einerseits zur Fäulnis, andererseits zur Austrocknung.
Wasser- und Luftgehalt müssen im kleinen Bioreaktor möglichst optimal geregelt werden, denn nur so verläuft die Rotte kontinuierlich und erfolgreich. Für gute Zersetzergemeinschaften im Haufen ist es wichtig, dass für alle Arten geeignete Lebensraumverhältnisse vorherrschen.
Der Feuchtegehalt bzw. Wasserbedarf muss in Trockenperioden durch Wässerung gewährleistet sein. Leckerbissen für einzelne Arten wie Kaffeeprütt, Zwiebelschalen und zerdrückte Eierschalen werden von Mistwürmern, aber auch deren kleinen Verwandten (Enchytraen) sehr gern aufgenommen und fördern deren Vermehrung.
Grundsätzlich sind Komposthaufen immer dann superaktiv, wenn das Mischungsverhältnis, die Zutatenvielfalt sowie die kontinuierliche Bestückung und Pflege stimmen.
Die Zersetzerlebensgemeinschaft im Kompost bildet ein sehr aktives Kollektiv, deren Ernährungsbiologie sehr komplex und vielfältig vernetzt ist. Vor allem das Zusammenspiel von Mikroorganismen (Bakterien, niedere Pilze, Einzeller) mit den höher organisierten Bodentieren ist hoch entwickelt und sehr effektiv. Wenn auch nur ziemlich grob betrachtet, bilden die vielschichtigen Ernährungsweisen sowie die sich daran anknüpfenden Interaktionen eine faszinierende weiterbildende Lektüre.
Die ersten Abbauschritte
Der erste Schritt für den Abbau von pflanzlichen (und tierischen) Resten kann optisch kaum richtig wahrgenommen werden, ist aber für die weiteren Prozesse unerlässlich. Die Einwirkung von Wasser, chemisch aktiven Gasen der Luft, Bakterien und Pilzen führt dazu, dass die Pflanzengewebe an ihren Oberflächen angegriffen und insgesamt stärker durchfeuchtet werden. Schützende Oberflächenschichten (z.B. Wachs) werden gelöst, sodass vor allem Springschwänze, Hornmilben und Rindenläuse erste Löcher und Fenster in die Blattflächen hineinfressen können.
Von Mund zu Mund ...
In der nächsten Phase kommen zu den genannten tierischen Pionieren noch verschiedene Zweiflüglerlarven hinzu. Das Blattgewebe ist nun bereits stärker zersetzt und beginnt zu skelettieren.
Jetzt wird es insbesondere für Asselarten, Bodenschnecken, diverse Käferlarven und Zweiflüglerlarven Zeit, in Aktion zu treten. Da die durch Mikroorganismen ständig weiter aufgeschlossene Nahrung in solchem Überfluss vorhanden ist, wird sie oftmals nur schlecht verwertet, sodass der Kot viele Nachverwerter anlockt. So ein immer noch nährstoffreicher Kot wird gern von Springschwänzen, Milben, Doppelfüßern, weiteren Käfer- und Fliegenlarven und Würmern verzehrt.
Erstmals im Darm verdaute Pflanzenreste sind noch günstiger von Mikroorganismen besiedelbar. Dieser Aufwuchs von Pilzen und Bakterien erleichtert nun wiederum die Nahrungsaufnahme vor allem durch kleinere Bodentiere. Mit der Abnahme der Körpergröße ändern sich oft auch die Ansprüche an die Nahrung.
So können größere Springschwänze Pflanzenwurzeln ab- und Falllaub löchrig fressen. Während die Winzlinge aus dieser Insektenordnung fein zersetztes organisches Material (Detritus), Pilzhyphen, Pilzsporen und Bakterien als Nahrung vorziehen.
Wenn man die artenreiche Gruppe der bodenbelebenden Milben betrachtet, so finden sich dort nahezu alle Typen der Ernährung. Schon bei der Erstzersetzung sind sie an vorderster Front tätig – nur bei der abschließenden Mineralisierung sind diese achtbeinigen Spinnentiere überfordert.
Auf Pilze spezialisiert
Einzelne Kompostbewohner ernähren sich sehr einseitig, sind aber für die Lebensgemeinschaft trotzdem sehr nützlich. Die kleinsten Käfer der Welt, die Federflügler, fressen nur Pilzsporen und sind im Rasenschnitt oft in großer Anzahl ansässig. Mit Körper und Kot verbreiten sie viele Pilzsporen und fördern und beschleunigen so die mikrobiellen Abbauvorgänge.
Räuber und Aasfresser
Auch im Boden gibt es wie in anderen Lebensräumen reichlich räuberisch veranlagte Tiere. Sehr kleine Räuber findet man bei den winzigen Fadenwürmern, die gern Bakterien und Einzeller verspeisen, viele bei den Spinnentieren (Raubmilben, Pseudoskorpione, Spinnen, Weberknechte), zahlreiche bei den Bodenkäfern und Tausendfüßern. Sämtliche Doppelschwänze müssen ebenfalls als Beutegreifer „ihren Unterhalt verdienen“.
Einige vorwiegend im Boden lebende Arten, die auch im Kompost regelmäßig angetroffen werden, kümmern sich um die Beseitigung von größeren tierischen Kadavern. Ein toter Vogel oder eine verblichene Maus locken Käfer wie Totengräber, Lauf-, Mist-, Stutz-, Pelz- und Kurzflügelkäfer an. Aber auch an kleineren Kadavern im Kompost besteht lebhaftes Interesse. Hier versammeln sich u.a. Milben, Ameisen und diverse Käferlarven.
Kannibalen und Schmarotzer
In der so vielseitigen Bodenfamilie, die in jedem Kompost zu Hause ist, gibt es selbstverständlich auch Arten, die von ihren Ernährungsgewohnheiten weniger sympathisch erscheinen: Kannibalen und Schmarotzer treten in verschiedenen Tiergruppen auf, insbesondere aber bei den Spinnentieren (Milben).
Foto: Breder Kompostlebewesen fördern
Die Wohngemeinschaft Kompost kann vom fachlich versierten Gartenfreund enorm gefördert werden. Dabei kommt es auf die richtige Mischung im Kompost an: Stickstoffreiche Abfälle wie Rasenschnitt, Obst- und Gemüsereste sollten gut mit kohlenstoffreichen Zutaten wie Reisig, Heckenschnitt, Baumhäcksel, Sägespänen und Falllaub vermischt werden.
Ein auf diese Weise gut bestückter Recyclinghaufen wird dann zu einem Zentrum für Bioaktivität und zum Ort artenreichster Sippschaften. Der erfahrene Komposteur bekommt sehr bald ein Händchen für Mischung und Menge der Pflanzenabfälle, die zu optimalen Humusergebnissen führen.
Der kontrollierende Blick in die Rottekammern zeigt die Aktivitätsnester in Form von Heerscharen grauer Asseln, blutroter Wurmnester und unzählbarer weißer Stippen von sich windenden Enchytraen oder von stetig krabbelnden Springschwänzen.
Auch wenn es in der Natur solche Komposthaufen so nicht gibt, erscheint diese so stimmige und erfolgreiche Lebensgemeinschaft für uns sehr natürlich. Die nähere Betrachtung der Abläufe – das Füreinander und das Miteinander – kann uns nur zu Bewunderern dieser unglaublichen Wohngemeinschaft machen.
Dr. Gerhard Laukötter