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Obstbäume veredeln
Foto: Flora Press/Hubert & Klein
Haben Sie einen Obstbaum im Garten, der nur spärlich trägt, krankheitsanfällig ist oder dessen Früchte überhaupt nicht schmecken? Dann müssen Sie ihn nicht gleich absägen, sondern können ihn umveredeln. Hierbei bleibt der alte Baum stehen und Sie „basteln“ Ihre Wunschsorten obendrauf. Dabei können Sie sogar mehrere unterschiedliche Sorten auf einen einzigen Baum veredeln, sodass z.B. jedes Familienmitglied seine Lieblingssorte bekommt oder frühe und späte Sorten an einem Baum zu finden sind.
Das Veredeln „auf dem Stand“, also im Garten am fest verwachsenen Obstbaum, ist handwerklich anspruchsvoll und bedarf einiger Vorarbeiten. Sinnvoll ist es nur bei gesunden, noch wüchsigen Bäumen.
Die Vorbereitungen
Foto: Neder
Zum Veredeln brauchen Sie Triebe der gewünschten Sorten, die sog. Edelreiser. Die können Sie entweder bei Obstbaumschulen kaufen oder von Dezember bis Februar selbst schneiden. Nehmen Sie hierzu einjährige, gut ausgereifte, gesunde und sortentypische Triebe. Sollten Sie die Edelreiser nicht sofort verwenden, schlagen Sie sie in feuchtes Zeitungspapier ein und lagern sie kühl und frostfrei, z.B. im Kühlschrank.
Vor dem Veredeln muss der zu veredelnde Baum „abgeworfen“ werden. Hierzu kürzen Sie die Äste der Krone pyramidenförmig ein. Kleine, dünne Äste, die sog. Zugäste, lassen Sie stehen. Da saubere und scharfe Schnitte besser verheilen als „ausgefranste“, sollten Sie Messer und Scheren sorgfältig schleifen. Die Schnittkanten der Sägestellen können Sie mit einer Hippe (Gärtnermesser mit bogenförmiger Klinge) glatt schneiden.
Beim Veredeln ist Hygiene das A und O, damit keine Pilzsporen und andere Schaderreger übertragen werden. Daher sollten Sie alle Schnittwerkzeuge vor dem Einsatz etwa mit Brennspiritus reinigen.
Welche Methode ist die richtige?
Haben Sie nun den zu veredelnden Baum entsprechend zurechtgeschnitten, geht es ans Umveredeln: Sind die sog. Pfropfköpfe etwa doppelt so dick wie die Edelreiser, ist die Geißfuß-Veredelung, auch Geißfuß-Pfropfen genannt, die beste Methode. Der geeignete Zeitraum hierfür ist Februar/März, also noch während der Vegetationsruhe.
Ist der Pfropfkopf um ein Vielfaches dicker als das Reis, ist das Pfropfen hinter die Rinde die passende Veredelungs-Methode. Da sich dabei die Rinde vom Holz lösen muss, können Sie diese Methode beim Einsetzen des Saftstromes, etwa ab Mitte April bis zum Mai durchführen – am besten bei trockenem, aber nicht zu warmem Wetter.
Das Geißfuß-Pfropfen
Diese Methode verlangt etwas Übung. Am besten probieren Sie die Schnitte vorher an weichen Gehölzen wie Weide oder Pappel aus. Schneiden Sie einen ca. 3–4 cm langen Keil in einen dicken Ast. Hierfür ist eine Hippe am geeignetsten. Der Schnitt muss glatt sein, der Ast darf sich nicht spalten.
Das Edelreis, das drei bis fünf Triebaugen haben sollte, versehen Sie nun mit einem gegengleichen Schnitt, wobei die Schnitte am Reis und am Pfropfkopf mit möglichst hoher Deckung zusammenpassen sollten. Platzieren Sie den Schnitt so, dass gegenüber der Schnittfläche am Edelreis ein Auge liegt, das sog. Zugauge.
Verbinden Sie schließlich die Veredelungsstelle mit Bast, Veredelungsgummi oder Veredelungsfilm. Der Film ist selbstklebend und dichtet die Schnittfläche so gut ab, dass ein Verstreichen nicht notwendig ist. Bei den anderen Varianten decken Sie die Veredelungsstelle abschließend mit kalt streichbarem Wachs ab.
Das „Pfropfen hinter die Rinde“
Versehen Sie das Edelreis mit einem 3–4 cm langen Kopulationsschnitt. Achten Sie darauf, dass das Zugauge gegenüber der Schnittfläche liegt.
Am Pfropfkopf schneiden Sie die Rinde ebenfalls mit einem 3–4 cm langen, senkrechten Schnitt ein und lösen sie mit einem geraden und scharfen Messer vorsichtig nach links und rechts vom Holzteil. Achtung, Sie sollten dabei nicht zu viel Rinde lösen, damit das Reis fest in der entstandenen „Tasche“ sitzt und von alleine Halt findet. Schieben Sie das Reis hinein und verbinden und verstreichen Sie die Veredelungsstelle.
Nach der Veredelung
Damit die neue Sorte keine Konkurrenz bekommt, müssen Sie alle jungen, neu ausgetriebenen Äste entfernen. Am besten reißen Sie die Triebe im Juni aus. Die Pflanze braucht jetzt erhöhte Aufmerksamkeit – gute Pflege fördert den Erfolg. Da der Bast sich nicht durch UV-Strahlung zersetzt, müssen Sie ihn am Ende des Sommers aufschneiden, um ein Einwachsen in das Holz zu verhindern. Im Folgewinter sollten Sie die Zugäste entfernen.
Gutes Gelingen und viel Erfolg beim Maßschneidern Ihrer Obstbäume!
Thomas Kleinworth
Geschäftsführer und Fachberater
des Landesverbandes Schleswig-Holstein
der Gartenfreunde