- Gartenpflege
Gehölze veredeln
So vermehren Sie Ihre Lieblingssorten
Foto: Flora Press/Redeleit&Junker/L.Redeleit Gärtnern ist für uns ein Hobby, es macht Spaß – und wer den berühmten „Grünen Daumen“ hat, wünscht sich immer wieder neue Herausforderungen. Warum also nicht einmal selbst veredeln? Die Kunst dieser Vermehrungsform fordert handwerkliches Geschick und einiges an Wissen zur Botanik. Dieses möchten wir Ihnen gern an die Hand geben.
Warum wird veredelt?
Das Veredeln ist eine Form der ungeschlechtlichen Vermehrung, auch vegetative Vermehrung genannt. Hierbei werden Pflanzenteile der „Mutterpflanze“, also der Pflanze mit den gewünschten und erhaltenswerten Eigenschaften, abgetrennt und weiterkultiviert. Der Vorteil liegt darin, dass die Nachkommen genau dieselben Eigenschaften wie die Mutterpflanze haben, also genetisch identisch sind – unabhängig davon, ob die Pflanzen z.B. durch Stecklinge, Steckhölzer oder Teilung gewonnen wurden.
Wenn Sie nun einen Apfelbaum vermehren wollen und vermuten, Sie könnten einfach einen Apfelkern aussäen, um die Sorte zu erhalten, so funktioniert das leider nicht. Da sich bei der geschlechtlichen (generativen) Vermehrung die Erbanlagen von Vater und Mutter vermischen, sind die Nachkommen alle unterschiedlich und nicht identisch mit der Mutterpflanze – wie das auch bei menschlichen Geschwistern der Fall ist.
Foto: Flora Press/gartenfoto.at Auch eine Vermehrung durch Stecklinge oder Steckhölzer ist in diesem Fall nicht möglich, denn sie bilden schlecht Wurzeln. Um die Eigenschaften des Baumes zu erhalten, müssen Sie also veredeln. Beim Veredeln kombinieren Sie zwei Pflanzen miteinander, die dann zu einer einzigen Pflanze zusammenwachsen. Ein gutes Beispiel hierfür sind Rosen: Die Edelsorte mit z.B. großer Blüte und tollem Duft wird auf eine robuste und wuchsfreudige Unterlage veredelt, die für die Standfestigkeit, gute Nährstoffaufnahme und kräftigen Wuchs sorgt.
Was lässt sich veredeln?
Foto: mauritius images/Zoonar GmbH/Alamy
Wer also seine Lieblingsapfelsorte erhalten oder die leckere Birne und die Mirabelle aus Omas Garten für die Zukunft sichern möchte, der muss veredeln. Damit wären wir bei den Gehölzen angekommen, die wir veredeln können. Grob gesagt sind es alle Kern- und Steinobstarten, doch auch Weinreben werden veredelt. Bei Johannis- und Stachelbeeren lassen sich durch das Veredeln Stämmchen erzielen, während die Büsche meist durch Steckhölzer vermehrt werden. Gemüsepflanzen wie Tomaten oder Gurke können Sie ebenfalls veredeln. Auch viele Ziergehölze werden durch Veredelung vermehrt: Klassiker sind Weidenstämmchen, Korkenzieherhaselnuss, Wilder Wein, zierende Ahornarten und Rosen.
Es gibt verschiedene Methoden des Veredelns, die je nach Gehölzart, Stärke der Unterlage und Jahreszeit angewendet werden. So werden Rosen klassischerweise im August durch das Übertragen von Triebknospen („Augen“) veredelt, die sog. Okulation. Stein- und Kernobst werden überwiegend während der Winterruhe durch die sog. Kopulation vermehrt, wobei Edelreis und Unterlage angeschnitten und an der Schnittfläche zusammengefügt werden. Eine Übersicht über Veredelungsarten bietet die folgende Tabelle.
Empfehlenswerte Veredelungsmethoden
Methode |
Stärke der Unterlage (Durchmesser) |
geeignete Jahreszeit |
---|---|---|
Kopulation | 5 bis 15 mm | Januar bis April |
Seitliches Anplatten | bis 40 mm | Januar bis April |
Geißfuß-Pfropfen | bis 60 mm | Januar bis April |
Rinden-Pfropfen | bis 60 mm | März bis April |
Spalt-Pfropfen | bis 40 mm | Januar bis April |
Chip-Veredlung | 5 bis 25 mm | Januar bis Mai, August bis September |
Okulation | 5 bis 15 mm | August |
Quelle: Veredelungsleitfaden Schacht/H. Ritthaler
Kopulation von Obstbäumen
Die beste Zeit, um Obstbäume durch Kopulation zu veredeln, ist jetzt im Winter. Wie diese Veredelungsmethode funktioniert, sehen Sie in der Bildstrecke. Ich bitte, bei den anstehenden praktischen Übungen nicht zu verzweifeln, sich nicht zu verletzen und sich zu freuen, wenn es geklappt hat.
Damit Sie Erfolg beim Veredeln haben, bedarf es einiger Vorarbeit: Achten Sie bei der Auswahl der zu erhaltenden Pflanze darauf, dass diese gesund und wüchsig ist. Schneiden Sie von Ihrer Wunschsorte einjährige Triebe, die sogenannten Edelreiser.
Das Reisermaterial muss möglichst frisch sein. Wenn Sie die Triebe nicht direkt frisch vom Baum schneiden können, sollten Sie sie in feuchte Zeitung einwickeln und kühl, aber frostfrei, im Kühlschrank lagern. Zeigt sich die Rinde der Reiser aber anschließend bräunlich und wirkt das Reis zäh, ist es nicht mehr für die Veredelung geeignet. Die Triebe sollen nicht dicker als ein kleiner Finger sein, sie müssen die gleiche Stärke wie die Unterlagen haben.
Foto: Kleinworth
Foto: Kleinworth
Foto: Kleinworth
Foto: Kleinworth
Foto: Kleinworth
Foto: Kleinworth
Die Unterlage, also die Basis der veredelten Pflanze inkl. Wurzel, bestimmt die Baumgröße, die Standfestigkeit und die Lebenserwartung. Die Auswahl der Unterlage ist abhängig vom Veredelungsziel, also z.B. schwachwüchsiger Busch (Obstbaum mit kleiner Krone und tiefer Veredelungsstelle), auch als „Buschbaum“ bezeichnet, mittelhoher Halbstamm oder starkwüchsiger Hochstamm, und dem Standort. Ein leichter Boden mit hohem Sandanteil und wenigen Nährstoffen erfordert eher eine starkwachsende Unterlage. Bei einem fetten Boden mit vielen Nährstoffen und hohem Wasseranteil können Sie eine schwachwachsende Unterlage wählen, wobei hier meist ein Pfahl als Stütze nötig ist. Geeignete Unterlagen finden Sie in der Tabelle.
Unterlagen für Obstbäume
Hochstamm |
Halbstamm |
Busch |
---|---|---|
(Stammhöhe 180–220 cm) | (Stammhöhe 100–120 cm) | (Stammhöhe ca. 40–60 cm) |
für Äpfel | ||
Sämlinge (‘Bittenfelder’, ‘Grahams Jubiläumsapfel’, ‘Antonowka’) A2, M11 | Sämlinge (‘Bittenfelder’, ‘Grahams Jubiläumsapfel’, ‘Antonowka’) A2, M11, M25, M7 | M7, M26, M9, M27 |
für Birnen | ||
Sämling (‘Kirchensaller Mostbirne’) | Sämling (‘Kirchensaller Mostbirne’), Pyrodwarf | Quitten-Typen (C, A, BA29), Pyrodwarf |
für Kirschen | ||
Vogelkirschen-Sämlinge, F12/1 | Vogelkirschen-Sämlinge, F12/1, GiSelA 5 | GiSelA 5, Piku 1 |
für Pflaumenartige (Zwetschen, echte Pflaumen, Mirabellen, Renekloden und Verwandte) | ||
St. Julien INRA 2, Brompton, Myrobalane, St. Julien A | St. Julien INRA 2, ‘Brompton’, Myrobalane, St. Julien A, auch schwächere | WaVit, ‘Wangenheims Sämling’, Docera 6 und 5, St. Julien A |
für Quitten | ||
Quitten-Typen, Weißdorn, Vogelbeere | Quitten-Typen, Weißdorn, Vogelbeere | Quitten-Typen, Weißdorn |
für Johannisbeer- und Stachelbeer-Stämmchen (Fuß-, Halb- und Hochstämmchen) | ||
Gold-Johannisbeere (Ribes aureum) |
Quelle: Veredelungsleitfaden Schacht/H. Ritthaler
Thomas Kleinworth
Geschäftsführer und Fachberater des
Landesverbandes Schleswig-Holstein
der Gartenfreunde
Bezugsquellen für Unterlagen
Baumschule Ritthaler
Tel. 06372/58 80
www.baumschuleritthaler.de
Eggert Baumschulen
Tel. 04827/93 26 27
www.eggert-baumschulen.de
Veredelungsunterlagen Lutz
Tel. 08459/99 50 68
www.veredelungsunterlagen.de