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Spindelbäume erziehen
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Nicht ohne Grund ist die Spindelerziehung im Erwerbsobstbau die am weitesten verbreitete Schnittmethode. Die auf schwach wachsenden Unterlagen veredelten, eintriebig gezogenen Spindelbäume tragen reich, lassen sich leicht beernten und bilden immer wieder neues Fruchtholz. Das sind natürlich auch im Hausgarten echte Pluspunkte und vielleicht ein guter Grund für Sie, ein Obstgehölz als Spindel zu erziehen. Außer für Äpfel können Sie die Spindelerziehung auch für andere Obstarten wie Birnen oder Süßkirschen nutzen.
Idealmaße im Wandel
Früher war die Standardform für Bäume sowohl im Hausgarten als auch im Erwerbsobstbau der Hochstamm. Hochstämmige Bäume sind verhältnismäßig widerstandfähig und können z.B. 100 bis 200 kg und mehr Äpfel pro Baum tragen, ein Spindelbusch trägt nur ein Zehntel davon.
Im Erwerbsobstbau wurden sie allerdings schrittweise von eintriebigen Apfelbäumen auf schwach wachsenden Unterlagen wie M 9 verdrängt, die „Spindelbüsche“ oder „Spindeln“ genannt wurden. Solche Spindelobstanlagen waren wegen der engen Pflanzabstände erheblich teurer und anspruchsvoller an den Standort als Hochstammanlagen.
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Da man das Pflücken und die Pflegemaßnahmen ohne Leitern direkt vom Boden aus erledigen konnte, wurden aber Arbeitskosten gespart. Außerdem konnte man die kleinen Bäume lockerer erziehen, wodurch Früchte besser belichtet wurden und ihre Qualität stieg. Aus den guten Erfahrungen bei den Apfelbäumen heraus wurden dann auch schwach wachsende Veredelungsunterlagen für die anderen Baumobstarten gezüchtet, sodass mittlerweile die Spindelbäume im Erwerbsobstbau die Hochstämme weitgehend verdrängt haben.
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Spindel oder Hochstamm?
Hochstämme haben im Garten durchaus ihre Vorteile: Sie können als Schattenbaum dienen, werden sehr alt (50 bis 100 Jahre und mehr) und brauchen, wenn sich die Krone richtig entwickelt hat, kaum Schnitt. Viele Tiere wie Vögel und Insekten nutzen sie als Lebensraum, zur Nahrungssuche und als Nistmöglichkeit. Zudem sind sie relativ robust gegenüber ungünstigen Wetterbedingungen (z.B. Trockenheit) und Nagetieren wie Mäusen oder Hasen. Sie benötigen allerdings mit etwa 50 bis 100 m² viel Platz und tragen oft mehr, als ihre Besitzer verbrauchen können. Auch kann das Pflücken mit der Leiter mühsam sein und hat schon so manchen gebrochenen Knochen nach sich gezogen.
Spindelbäume brauchen dagegen nur etwa 10 bis 20 m² Standraum, ihre Erntemengen sind überschaubar – und Sie können sie mit einer kleinen Stehleiter oder ganz ohne Leiter beernten. Die Spindelbäume müssen Sie zwar regelmäßig schneiden, was Sie aber vom Boden aus meist in kurzer Zeit erledigen können. Unter dem Einfluss ihrer Veredelungsunterlagen beginnen sie deutlich früher als Hochstämme, Früchte zu tragen, und durch die lockeren Kronen erlangt das Obst oft eine bessere Qualität. Schließlich können Sie die Früchte bei kleinen Bäumen leichter durch Netze schützen als bei Hochstämmen. Mit engmaschigen Netzen halten Sie nicht nur Vögel, sondern auch Wespen und Schädlinge wie die Kirschessigfliege von den Früchten fern.
Wenn Sie Wert auf eine qualitativ hochwertige Ernte legen, sind Sie also mit einem Spindelbusch oft besser dran als mit einem Hochstamm. Wenn Sie hingegen einen langlebigen Schattenbaum möchten, sollten Sie beim Hochstamm bleiben.
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Einflussreiche Unterlagen
Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg mit einem Spindelbaum ist, dass der Standort und die Veredelungsunterlage zur gewünschten Wuchsstärke passen. Eine Pflanze auf zu stark wachsender Unterlage kann zwar durch intensive Schnittmaßnahmen klein gehalten werden, blüht dann aber kaum, trägt wenig Früchte und erfordert einen großen Zeitaufwand für den Schnitt.
Beim Apfel sind die wichtigsten Veredelungsunterlagen für Spindelbüsche M 27, M 9, J 9 oder M 26. Stärkere Unterlagen wie MM 111, MM 106, M 4 oder M 7 eignen sich nur in sehr seltenen Fällen, wenn der Standort sehr schlecht und die veredelte Sorte sehr schwachwüchsig ist. Generell sollten für sehr fruchtbare Standorte M 9 oder J 9 gewählt werden, sonst ist M 26 meist ein guter Kompromiss aus Widerstandsfähigkeit und Schwachwüchsigkeit. Bäume auf den genannten Unterlagen brauchen als Stütze einen kräftigen Baumpfahl.
Bei Birnen ist die Unterlage Quitte A einigermaßen gut geeignet, wächst aber noch verhältnismäßig stark. Bei Süßkirschen sind es GiSelA 3 oder GiSelA 5 und bei Pflaumen Pixy.
Bei anderen Obstarten wie Pfirsich, Aprikose oder Sauerkirsche gibt es mit der Spindelerziehung noch wenig Erfahrungen, hier kommt es stark auf die Eigenschaften der jeweiligen Sorte und des Standortes an, ob sie überhaupt empfehlenswert ist. Neuerdings werden auch besonders schlank wachsende Sorten wie die Nektarine ‘Alice Col’, die Pflaume ‘Safira’ (auch als ‘Ruby’ oder ‘Myrouge’ im Handel) oder die Sauerkirschen ‘Jachim’ und ‘Maynard’ angeboten.
Pflanzschnitt
Bei der Pflanzung benötigen die jungen Bäumchen, anders als Hochstämme, nicht unbedingt einen Pflanzschnitt. Besonders wenn sie im Container angezogen wurden und schon eine gute Seitenverzweigung aufweisen, können Sie auf den Pflanzschnitt verzichten.
Falls steil aufrecht gewachsene Konkurrenztriebe zum Mitteltrieb vorhanden sind, sollten Sie diese an der Basis entfernen. Wenn der Mitteltrieb sehr lang ist und noch keine Seitentriebe gebildet hat, können Sie ihn auf etwa 100 cm, vom Boden gemessen, einkürzen, damit sich oberhalb der anvisierten Stammhöhe von etwa 60 cm neue Seitentriebe bilden.
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Erziehungsschnitt
In den ersten Jahren nach der Pflanzung erziehen Sie den Baum so, dass der Mitteltrieb etwa 2 bis 3,5 m lang wird. Damit er gerade wächst, können Sie ihn an einen Bambusstab binden. Sehr stark und steil aufrecht wachsende Konkurrenztriebe sollten Sie entfernen, am besten schon im Sommer, sobald sie entstanden sind.
Die übrigen, „untergeordneten“ Seitentriebe sollten Sie, mit Ausnahme schwacher, hängender Triebe, möglichst nicht schneiden, sondern in die Waagerechte biegen, wenn sie etwa 40 bis 60 cm lang sind. Verwenden Sie hierzu am besten Astklammen, Bindfäden oder Draht. Diese Seitentriebe werden dann im nächsten oder spätestens übernächsten Jahr Blüten ansetzen und Früchte tragen.
Erhaltungsschnitt
Wenn der Baum die gewünschte Höhe von etwa 2 bis 3,5 m erreicht hat, entfernen Sie die darüber hinauswachsenden Triebe – am besten schon im Sommer, kurz nachdem sie entstanden sind. Bei Bedarf können Sie aufrecht wachsende Seitentriebe auch in die Waagerechte biegen, meist ist das aber nicht mehr nötig. Durch das Gewicht der Früchte hängen die Seitenäste mit der Zeit immer stärker nach unten und vergreisen.
Grafik: Faltermayr (nach Vorlage Beltz)
Vergreiste Triebe können Sie entfernen und auf höher stehende, waagerechte oder leicht nach oben gebogene Triebverlängerungen ableiten. Insgesamt sollten Sie den Baum so schneiden, dass er luftig bleibt, der Profi sagt, man muss „einen Hut hindurchwerfen können“. Zu dicht oder nach innen stehende Zweige entfernen Sie. Das geschieht am besten in mehreren Durchgängen, einmal beim Frühjahrsschnitt und ein- oder zweimal im Sommer.
Ein Verjüngungsschnitt, wie er bei Hochstämmen oder Buschbäumen durchgeführt wird, ist bei Spindelbäumen normalerweise nicht empfehlenswert und auch nicht nötig. Nach etwa 15 bis 20 Jahren sind Spindelbäume so weit gealtert, dass sie im Erwerbsobstbau gerodet werden – im Hausgarten können sie oft etwas länger stehen bleiben.
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Vom Apfel bis zur Stachelbeere
Die Spindelerziehung ist für Kernobstbäume (Apfel, Birne, Nashi) recht gut geeignet. Sie sind sehr schnittverträglich, die Wunden verheilen gut, und sie setzen willig neues Fruchtholz an. Sie sollten ein- oder zweimal im Sommer ausgelichtet werden. Zudem sollten Sie im Frühjahr, am besten im März, einen Korrekturschnitt durchführen, der bei stark wachsenden Pflanzen nur gering und bei reich blühenden Pflanzen etwas stärker sein kann, da er den Neuaustrieb fördert.
Etwas schwieriger ist die Situation beim Steinobst. Pflaumen und Zwetschen lassen sich einigermaßen gut schneiden, aber mit neueren, schwach wachsenden Unterlagen wie Pixy liegen für Haus- und Kleingärten noch wenig Erfahrungen vor. Und die früher üblichen stark wachsenden Unterlagen wie Brompton eignen sich für die Spindelerziehung nicht.
Bei Süßkirschen gibt es schon etwas mehr Erfahrungen. Hier lassen sich auf GiSelA 5 oder ähnlichen schwach wachsenden Unterlagen recht gute Spindeln ziehen. Wichtig ist, dass Sie möglichst ertragsfreudige Sorten wählen, die Seitentriebe bei Bedarf rechtzeitig in die Waagerechte biegen und möglichst wenig schneiden. Wenn nötig, sollten Kirschen am besten nach der Ernte im Sommer geschnitten werden, denn im Frühjahr verheilen frische Schnittwunden oft schlecht und bilden Gummifluss.
Spindelerziehung wird im Erwerbsobstbau gelegentlich auch bei Stachel- und Johannisbeeren durchgeführt, die sich dann leichter pflücken lassen. Dafür werden eintriebige Pflanzen an einen Stab geheftet und weiterhin eintriebig bis etwa 1,5 m Höhe gezogen. Das Problem dabei ist, dass Stachel- und Johannisbeeren viele Triebe im bodennahen Bereich bilden, die Sie regelmäßig entfernen müssen. Zudem sind ihre Triebe nicht sehr langlebig, sondern beginnen häufig nach fünf bis sieben Jahren abzusterben. Dann können Sie aber aus der Basis einen neuen Trieb als Spindel heranziehen.
Heinrich Beltz
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Niedersächsische Gartenakademie
Buchtipps zum Thema
Beltz, Heinrich: „Spalierobst im Garten“.
BLV Verlag, München. ISBN 978-3-8354-0921-7.
Beltz, Heinrich: „Zwerg- und Säulenobst“.
Ulmer Verlag, Stuttgart. ISBN 978-3-8001-0855-8.
Wie hoch welche Unterlage einen Obstbaum wachsen lässt, erfahren Sie auf www.gartenfreunde.de/unterlagen