- Natur des Jahres 2014
„Gefährdete Nutztierrasse des Jahres“: die Dülmener
Foto: Brenken
Noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland einzelne Wildbahnen, in denen sich „Wildpferde“ erhielten und fortpflanzten. Bei diesen sogenannten „Wildpferden“ handelte es sich um verwilderte Hauspferde. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es fünf solcher Wildbahnen in Westfalen.
Foto: KleinertDen nahezu vollständigen Niedergang der Wildpferde brachten die Markenteilungen zwischen 1840 und 1850 mit sich, nur die Wildbahn im Merfelder Bruch bei Dülmen in Westfalen konnte bis in unsere Tage hinein erhalten werden.
Vor allem dem Herzog Alfred von Croy haben wir es zu verdanken, dass nach der Markenteilung die Dülmener Wildpferde nicht ausgerottet wurden. Er veranlasste um 1850, dass die letzten Wildpferde – eine kleine Herde von etwa 20 Tieren – eingefangen wurden und gab ihnen ein Gehege von zunächst 132 Morgen, das jedoch im Laufe der Zeit wegen der Vermehrung der Pferde mehrmals vergrößert wurde.
Heute umfasst die Wildbahn im Merfelder Bruch ca. 1500 Morgen und bietet 250 bis 300 Pferden Lebensraum und Nahrung.
Bekannt für ihre Robustheit
Dülmener Wildpferde sind wegen ihrer außerordentlichen Härte bekannt. Diese Härte resultiert aus der natürlichen Selektion und den Haltungsbedingungen.
Obwohl die Wildbahn mit Weide-, Wald-, Heide- und Bruchgelände den Pferden abwechslungsreiche Nahrung bietet, ist das Futterangebot nur mäßig und karg. Hinzu kommt, dass die Wildlinge nur in strengen Wintern ein Zufutter in Form von Heu und Stroh und in neuerer Zeit auch Grassilage erhalten, aber niemals Kraftfutter.
Durch Vermischung mit Kriegs- und Bauernpferden, aber auch durch gezielte Züchtung haben sich zwei Hauptfarben herausgebildet. Man unterscheidet zwischen dem Tarpan-Typ (mausgraue Falben) und dem Przewalski-Typ (gelbbraune Falben). Daneben gibt es dunkel- und schwarzbraune Pferde, die alle den charakteristischen Aalstrich, z.T. auch Schulterkreuz und Wildzeichnung an den Extremitäten aufweisen.
Foto: Hesse
Bis auf den gesteuerten Einsatz von Deckhengsten sind die Wildlinge ganz sich selbst überlassen und müssen mit Geburt und Krankheit alleine fertig werden. Nur einmal im Jahr wird die urtümliche Idylle des Merfelder Bruches nachhaltig gestört – nämlich dann, wenn am letzten Samstag im Mai die einjährigen Hengstfohlen im Rahmen eines Volksfestes mit tausenden von Zuschauern eingefangen und versteigert werden.
Verwendung und Eigenschaften
Unter den Dülmenern findet man heute ansprechende Kinder- und Erwachsenenpferde mit ausdrucksvollen Köpfen, guter Haltung, harmonischem Körperbau und guten Gängen.
Es soll nicht versäumt werden, die Charakteristika und die Einsatzmöglichkeiten des Dülmener Wildpferdes zu skizzieren: Dülmener sind ohne Falsch- und Bosheit, besonders ausgeglichen, intelligent und lernfreudig, sehr gute Futterverwerter, überaus hart, robust und sehr ausdauernd, sehr langlebig und bis ins hohe Alter fruchtbar.
Die Dülmener sind ein vielseitiges Kleinpferd für die ganze Familie, gleichermaßen gut geeignet als Kutsch- und Reitpferd (Gewichtsträger). Heute werden die Dülmener auch zum Voltigieren und zum therapeutischen Reiten mit großem Erfolg eingesetzt. Darüber hinaus gehen diese kleinen Pferde auch mühelos über größere Distanzen und werden im Fahrsport eingesetzt.
Aktueller Zuchtbestand
Die Herde in der Wildbahn umfasst etwa 360 Tiere aus verschiedenen Altersgruppen. Der geschätzte Gesamtbestand außerhalb der Wildbahn liegt bei 80–90 Zuchtstuten, 23 Zuchthengsten und 15 Fohlen.
Damit summiert sich der Gesamtbestand der Dülmener weltweit auf derzeit 485 Tiere, sie werden somit in der Roten Liste in Kategorie I (extrem gefährdet) geführt.
Einsatz in Naturschutz und Landschaftspflege
Die Dülmener Pferde sind heute ebenso wie der Lebensraum, aus dem sie stammen, hochgradig gefährdet. Extensiv genutzte historische Kulturlandschaften wie Heiden, Magerrasen, Bruch- und Feuchtgrünlandflächen sind in der modernen Landwirtschaft nicht mehr rentabel zu bewirtschaften und können nur durch Förderprogramme des Naturschutzes erhalten und gepflegt werden.
Dülmener Pferde werden deshalb heute gezielt in Naturschutzgebieten eingesetzt, um die letzten halboffenen Weidelandschaften Deutschlands für die Nachwelt zu erhalten. In der Landschaftspflege werden derzeit vier größere Herden mit insgesamt etwa 50 Tieren eingesetzt.
Weitere Informationen gibt es im Internet bei der Interessengemeinschaft des Dülmener Wildpferdes Deutschland e.V. (www.ig-duelmener.de).
Quelle: Gesellschaft zur
Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V.
(www.g-e-h.de), Witzenhausen