- Gut zu wissen
Pflanzen selbst züchten
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In Ihrem Garten bauen Sie jedes Jahr eine Vielzahl von Gemüse- und Blumensorten an. Aber wie wäre es mit einer eigenen, ganz persönlichen "Sorte" (genauer: Phänotyp), die Sie durch Kreuzung selbst züchten?
Das Züchten als Versuch und ohne wirtschaftliche Ziele ist gar nicht so schwer. Dazu müssen Sie nur zwei Elternpflanzen mit gewünschten Eigenschaften auswählen und diese miteinander kreuzen. In den aus der Kreuzung entstehenden Samen, also in der Tochtergeneration, sind die Erbanlagen dann neu kombiniert – und mit Glück ist bei diesen Nachkommen eine Pflanze mit überraschend schöner Blütenfarbe oder besonders schmackhaften Früchten dabei.
Am Beispiel von Tomaten und Löwenmäulchen, die ja in vielen Gärten zu finden sind, möchten wir Ihnen zeigen, wie Züchten funktioniert. Suchen Sie sich zunächst die Pflanzen aus, deren Merkmale für Sie interessant sind und die Sie miteinander kreuzen und neu kombinieren möchten. Das können bei Tomaten Sorten mit sehr süßen Früchten oder guter Blattgesundheit und bei Löwenmäulchen besondere Blütenfarben oder sehr großblütige Sorten sein.
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Mutterpflanze vorbereiten
Blüten werden bestäubt, indem der Pollen mit den männlichen Erbanlagen auf die weibliche Narbe übertragen wird. Der Pollenschlauch wächst durch den Griffel in den Fruchtknoten, wo die Befruchtung der weiblichen Eizelle erfolgt und sich anschließend ein oder mehrere Samenkörner entwickeln.
Bei vielen Pflanzenarten übertragen Insekten wie Hummeln und andere Wildbienen, Honigbienen, Schwebfliegen oder Käfer den Pollen. So werden Tomatenblüten und Löwenmäulchen meist durch Hummeln bestäubt.
Beide Pflanzenarten haben zwittrige Blüten, d.h. jede Blüte besitzt sowohl weibliche (Narbe, Griffel und Fruchtknoten) als auch männliche Blütenorgane (Staubblätter mit Staubbeuteln und Pollen).
Um eine unerwünschte Selbstbefruchtung auszuschließen, müssen Sie zuerst die Blüte der Mutterpflanze kastrieren. Dazu entfernen Sie alle Staubblätter aus der Blüte, sobald sie sich geöffnet hat. Am besten gelingt das mit einer feinen Pinzette oder einem scharfen Messer. Beim Löwenmäulchen müssen Sie dabei vorsichtig die Unterlippe der Blüte wegziehen, um an die Organe zu gelangen.
Damit keine Insekten an die Blüte der Mutterpflanze gelangen und sie mit Pollen anderer Pflanzen bestäuben, sollten Sie die Blüte anschließend mit einem Organza-Beutel, wahlweise auch mit einer Tüte aus Zellophan- oder Pergamentpapier verhüllen. Sie können auch kleine Stücke aus einem Insektenschutznetz schneiden, über die Blüte legen und unten mit einer Schnur verschließen.
Pollen auf die Narbe bringen
In den nächsten Tagen müssen Sie die kastrierte Blüte beobachten, um herauszufinden, wann die Narbe befruchtungsfähig ist. Sie erkennen den richtigen Zeitpunkt daran, dass diese sich leicht verdickt und aufwölbt – eine Lupe leistet hier gute Dienste.
Jetzt halten Sie ein flaches Gefäß unter die Blüte des ausgewählten männlichen Pollenspenders („Vaterpflanze“) und lösen den reifen lockeren Pollen durch leichtes Klopfen von der Blüte. Falls sich der Pollen nicht löst, können Sie einfach mehrere Blüten derselben Pflanze als Pollenspender durchtesten.
Nun entfernen Sie die Hülle von der Blüte der Mutterpflanze, tauchen einen feinen Pinsel oder ein Wattestäbchen in den Pollen und übertragen ihn auf die Narbe. Alternativ können Sie auch direkt mit den abgetrennten, reifen Staubbeuteln über die Narbe streichen und so den Pollen übertragen. Um die Blüte weiterhin zu schützen, ist es ratsam, sie auch nach der Bestäubung weiter zu umhüllen.
Wenn der Fruchtknoten nach ca. einer Woche deutlich sichtbar dicker wird, war die Befruchtung erfolgreich, und Sie können die Tüte wieder entfernen.
Selbstverständlich können Sie auch mehrere Blüten Ihrer Mutterpflanze auf diese Weise bestäu-ben – so erhöhen Sie die Chance auf eine erfolgreiche Befruchtung. Zudem können Sie auch den Pollen verschiedener „Vatersorten“ verwenden – und die einzelnen Blüten entsprechend kennzeichnen. Die umliegenden, nicht benötigten Blüten der Mutterpflanze sollten Sie nach der erfolgreichen Bestäubung entfernen, damit sich die von Hand bestäubten Blüten möglichst gut entwickeln.
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Samen ernten und lagern
Nach einer erfolgreichen Befruchtung kommt es darauf an, dass die Samen ausreichend Zeit zum Heranreifen haben, bevor sie dann geerntet und im Folgejahr ausgesät werden. Bei Fruchtgemüse sollten Sie nur das Saatgut vollreifer Früchte entnehmen. Wenn z.B. bei Tomaten der Farbumschlag von Grün zur sortentypischen Farbe wie Rot, Gelb oder Orange vollständig erfolgt ist, sind die Samen ausgereift.
Nach der Ernte drücken Sie die Tomaten aus und fangen die gallertartige Masse mit den Samen in einem Glas auf. Geben Sie die drei- bis vierfache Menge Wasser hinzu und lassen Sie die Flüssigkeit an einem hellen Ort drei bis vier Tage gären – dadurch löst sich die Keimschutzschicht von den Samen.
Gießen Sie die komplette Masse durch ein feinmaschiges Sieb ab und spülen Sie die Samen mehrfach mit reichlich Wasser ab, bis das Wasser klar bleibt. Danach legen Sie die Samen zum Trocknen auf Filterpapier, Küchenpapier oder ein Geschirrtuch aus und lagern sie anschließend z.B. in einem Schraubglas kühl und trocken.
Anders verläuft die Samenernte beim Löwenmäulchen, dessen Samenkörner sich in Kapseln befinden. Sind diese trocken und bräunlich verfärbt, ist der Erntezeitpunkt gekommen. Schneiden Sie die Samenstände ab und lassen Sie sie z.B. auf einem Teller oder Schälchen nachtrocknen – so fangen Sie die herausrieselnden Samenkörner auf. Alternativ können Sie die Samenstände in Stoffbeutel legen und diese zum Trocknen der Samen aufhängen. Die Samen lagern Sie ebenfalls kühl und trocken.
Im nächsten Frühjahr wird es spannend: Dann können Sie Ihre Eigenzüchtungen aussäen und gucken, wie sich die Neuzüchtungen entwickeln. Möglicherweise warten die Löwenmäulchen im Sommer mit spannenden neuen Farben auf, eine Tomatenpflanze trägt zuckersüße Früchte – oder es gibt noch ganz andere Überraschungen ...
Ulrike Brockmann-Krabbe
Landesfachberaterin des Landesverbandes Westfalen und Lippe der Kleingärtner